Vom Partner betrogen, belogen oder hintergangen: Die menschlichen Schwächen münden nach dem Beziehungs-Aus in einigen Fällen in einem erbitterten Kampf um die Obhut der Kinder . Denn verletzt wie sie sind, wenden sich die beiden Ex-Partner häufig intensiver ihren Kindern zu, in denen sie nun ihre loyalsten Vertrauten sehen. Und sie versuchen dann, den anderen Elternteil so zu verunglimpfen, dass Gericht oder Kesb möglichst den Eindruck erhalten, dieser sei unfähig, sich verantwortungsvoll um die Kinder zu kümmern.

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Torsten Schutzbach, Sozialarbeiter beim Kinder- und Jugenddienst Basel, kennt solche Ausbrüche. Vom Basler Zivilgericht und der Kesb erhält er den Auftrag, mit den Eltern eine angeordnete Beratung durchzuführen. Dabei geben Gericht oder Kesb meist vor, über welche Punkte die Eltern sich einig werden müssen. Etwa, wer die Kinder in welchem Ausmass betreut Besuchsrecht Lasst die Vernunft walten

«Uns interessiert nicht, was in der Vergangenheit war und wer Recht hat.»

Torsten Schutzbach, Sozialarbeiter beim Kinder- und Jugenddienst Basel

Wie schafft man es, dass zwei Ex-Partner, die sich heute spinnefeind sind Beziehungskrise Wie man merkt, dass man in eine Krise gerät , wieder vernünftig miteinander reden können? «Wir geben ihnen keinen Raum, ihren Streit weiter zu bewirtschaften», sagt Schutzbach. Das fange damit an, dass die Eltern unmittelbar nach dem Eintreffen in den Beratungsraum geführt werden, damit sie nicht schon im Wartezimmer diskutieren können und in ein ungutes Fahrwasser kommen.

Und man vermittle ihnen immer wieder, dass nicht der Elternstreit im Zentrum steht. «Uns interessiert nicht, was in der Vergangenheit war und wer Recht hat.» Was zähle, sei, dass die Eltern im Hier und Jetzt ihre eigenen Verletzungen und Emotionen zur Seite legen können und ihre Verantwortung und Pflicht als Eltern übernehmen, so Schutzbach. «Damit das Kind weiterhin beide Elternteile in seinem Leben hat.»

Vorbild Cochem

Die Beratung selbst hat klare Regeln: «Die Eltern müssen wertschätzend kommunizieren, wir tolerieren keine Äusserungen, die den anderen als Mensch oder Elternteil abwerten Streitende Eltern «Das kann die Kinder ein Leben lang belasten» », sagt Schutzbach. Das sei nicht immer einfach. «Dann fühle ich mich manchmal wie ein Dompteur in der Manege.» Das heisst für ihn, das Gespräch aktiv zu steuern und die Eltern daran zu erinnern, worum es eigentlich geht: die Bedürfnisse der Kinder nicht aus den Augen zu verlieren.

Die Idee dieser angeordneten Beratungen stammt ursprünglich aus Deutschland. In Cochem wurde 1992 eine Praxis entwickelt, die zum Ziel hatte, den Elternstreit möglichst schnell zu schlichten. Damit dies gelingt, so die damalige Erkenntnis, müssen Gericht, Jugendamt, Anwälte, Familienpsychologen und die Familienberatungsstelle enger zusammenzuarbeiten.

Man wollte keine seitenlangen Scheidungsanträge mit Anschuldigungen gegen den anderen Elternteil mehr. Denn diese führten zu monatelangen psychologischen Abklärungen, die oft nicht hilfreich waren. Stattdessen wollte man die Eltern zurück in die Verantwortung holen bei den Entscheiden über die Kinder.

Elternstreit möglichst früh schlichten

Diese Cochemer Praxis stiess international auf grosses Interesse, verschiedene Gerichtskreise begannen, danach zu arbeiten. Auch in Cochem ist man bis heute überzeugt von dieser Arbeitsweise. In Basel wurde 2008 der «Arbeitskreis Netzwerk Kinder» aufgebaut. Vertreter des Gerichts, des Kinder- und Jugenddienstes, der Anwaltskammer, der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Kesb begannen einen fachlichen Austausch nach dem Cochemer Vorbild. 

Dass die beteiligten Professionen wissen, wie die jeweils andere arbeitet und welche Angebote sie abdeckt, klingt nach einer einfachen und folgerichtigen Lösung. Doch ob ein Paar bei einer Trennung darauf aufmerksam gemacht – oder eben auch mit sanftem Druck dazu aufgefordert wird, Entscheide über die Kinder möglichst selbst in einer Beratung auszuhandeln, hängt ganz davon ab, wo das Paar zum Trennungszeitpunkt lebt. Denn während in Basel der fachliche Austausch unterdessen selbstverständlich zur Arbeit der Richter, Sozialarbeiter und Anwälte gehört, tut man sich andernorts noch schwer damit. 

«Die Gerichte sehen ihre Unabhängigkeit in Gefahr, wenn sie mit anderen Stellen in einen Austausch treten.»

Stephan Auerbach, Mediator

Das zeigen aktuelle Erfahrungen aus Genf. Dort versucht der Mediator Stephan Auerbach gemeinsam mit verschiedenen privaten Familienberatungsstellen, ein ähnliches Modell wie in Basel zu etablieren. Der Genfer Regierungsrat unterstützt das Vorhaben, doch die Gerichte zeigen bislang wenig Interesse. Es sei noch Überzeugungsarbeit nötig, sagt Auerbach. «Die Gerichte sehen ihre Unabhängigkeit in Gefahr, wenn sie mit anderen Stellen in einen Austausch treten», erklärt Auerbach das Problem.

Elisabeth Braun, Präsidentin des Zivilgerichts Basel-Stadt, teilt die Bedenken aus Genf nicht. «Das Netzwerk ist wichtig, damit alle Beteiligten wissen, welche Instrumentarien zur Verfügung stehen.» Nur so könne man die jeweils beste Lösung für ein Elternpaar finden. «Die richterliche Unabhängigkeit ist dadurch nicht gefährdet, es steht mir als Richterin frei, eine Elternvereinbarung mit den Eltern nochmals zu besprechen oder allenfalls nicht zu genehmigen, wenn ich Zweifel habe, ob diese zum Wohl des Kindes ist oder umsetzbar ist», sagt Braun.

Grosse Nachfrage nach Mediation

Andernorts ist eine solch enge Zusammenarbeit zwischen Gerichten, Kesb und Sozialarbeitern noch kein Thema, zum Beispiel im Thurgau. Im Gesetz ist verankert, dass der Kanton ein Angebot für Erziehungs- und Paarberatung bereitstellen muss. Damit verfügt er über ein ähnliches Angebot der Kinder- und Jugenddienst Basel. Zwar finde da und dort eine Vernetzung statt, ein formalisierter, enger fachlicher Austausch zwischen der Perspektive Thurgau, den Gerichten und der Kesb wie in Basel gebe es aber nicht, wie Markus van Grinsven, Leiter der Fachstelle sagt. «Wir hätten aktuell nicht die Kapazität, angeordnete Beratungen wie in Basel durchzuführen.»

Die Nachfrage nach Trennungs- und Scheidungsmediation sei aber da. Daher hat die Fachstelle aus eigener Initiative ein Angebot aufgebaut, bei dem jeweils ein Sozialarbeiter der Perspektive gemeinsam mit einem externen Familienanwalt Trennungs- und Scheidungskonventionen mit den Eltern erarbeitet. Ein weiterer Unterschied zu Basel ist die Finanzierung dieser Beratungen: Thurgauer Paare müssen diese selbst zahlen, während in Basel der Kanton zahlt.

Obwohl das Knowhow da wäre, kommt es laut van Grinsven sehr selten vor, dass ein Gericht oder eine Kesb eine Mediation bei ihnen anordne. «Vorausgesetzt, dass man nicht Paare in eine Beratung zwingt, die gar nicht mehr miteinander reden können, würden wir es sehr begrüssen, wenn im Thurgau ein ähnliches Modell aufgebaut würde. Den Kindern würde das sehr helfen.»

Cochemer Modell funktioniert – aber nicht immer

In Basel möchte niemand mehr das Netzwerk missen, wie Torsten Schutzbach sagt. «Wann immer wir die Möglichkeit sehen, dass sich zerstrittene Eltern doch noch einigen könnten, versuchen wir, die Lösung in der angeordneten Beratung herbeizuführen.» Werden sich die Eltern in der Beratung einig über die Zuteilung der Obhut, so braucht es manchmal gar keine neue Gerichtsverhandlung, die Richter bewilligen die Elternvereinbarung häufig schriftlich. Sowohl das Paar, aber oft auch der Staat sparen so Kosten. 

Ein Allheilmittel sei die Beratung aber nicht. Wenn der Konflikt bereits eine gewisse Eskalationsstufe erreicht habe und die Eltern nicht mehr fähig seien, sich auf Kompromisse einzulassen, dann brauche es manchmal einen Entscheid von aussen. «Wenn jemand Drittes entscheiden muss, kommt das Familiengefüge aber immer in Schieflage. Das muss man den Eltern bewusst machen.»

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