Besuchen ist nicht genug
Eine Trennung ist schmerzhaft genug: Eltern ersparen sich viele Konflikte ums Besuchsrecht, wenn sie von Beginn weg vernünftig handeln.
aktualisiert am 22. Oktober 2018 - 17:07 Uhr
Das ist die wichtigste und eigentlich einzige goldene Regel für Eltern: Tun Sie, was für Ihr Kind das Beste ist.
Erstellen Sie mit dem Kind einen Wochen- oder Monatsplan und tragen Sie die Papi-, Mami- und Grossmami-Tage ein. Informieren Sie Grosseltern, Gotte und Götti, die Kinderkrippe, den Kinderhort oder die Tagesmutter, wann das Kind bei welchem Elternteil ist.
Behalten Sie bei Kleinkindern auch an den gemeinsamen Wochenenden den gewohnten Tagesablauf des Kindes bei, vor allem, was seine Ess- und Schlafgewohnheiten anbelangt. Beherzigen Sie bei grösseren Kindern, dass auch sie Termine haben, die ihnen wichtig sind – Sportanlässe zum Beispiel.
Ziel des Besuchsrechts ist, dass der Kontakt zum abwesenden Elternteil vom Kind als «normal» wahrgenommen wird. Das Kind geht schliesslich nicht «zu Besuch», es geht zu seinem Vater oder zu seiner Mutter.
Kurz nach der Trennung kann es sinnvoll sein, sich vorerst an die behördlich oder gerichtlich festgesetzten Minimal-Besuchszeiten zu halten, bis sich die Kontaktpflege normalisiert hat. Mit dem Kind soll auch das Besuchsrecht eine Entwicklung durchmachen. Bleiben Sie deshalb flexibel. Jedes zweite Wochenende beim Vater – das stimmt zum Beispiel für Teenager nicht mehr unbedingt, wenn sie ein volles Samstagsprogramm haben.
Von Rechts wegen sind Eltern grundsätzlich frei in der Ausgestaltung des Besuchsrechts . Die Besuchsregelung im Gerichtsurteil gilt als verbindliche Minimallösung für den Konfliktfall. Die Eltern dürfen die Kontakte des Kindes zum anderen Elternteil öfter, anders oder auch länger ermöglichen – sofern es für alle Beteiligten stimmt.
Kinder brauchen Eltern, auf die sie zählen können . Weichen Sie deshalb von den Abmachungen nur aus wichtigen Gründen ab. Verschieben Sie einen Besuchstag nur, wenn es wirklich nicht anders geht, und tun Sie es frühzeitig. Bleiben Sie auch zwischen den Besuchen in Kontakt (Anrufe, Briefe, SMS, E-Mails). Seien Sie für Ihr Kind erreichbar.
Leben die Eltern nach einer Scheidung getrennt voneinander, hat der Elternteil, der nicht mit dem Kind zusammenlebt, Anspruch auf persönlichen Kontakt. Erfahren Sie als Beobachter-Mitglied, wie Sie das Besuchsrecht und die Betreuungsanteile regeln können und was zum Beispiel rechtlich bei einem Wegzug mit dem Kind gilt.
Teilen Sie Ferienpläne so bald als möglich gegenseitig mit. Beziehen Sie grössere Kinder in die Terminplanung ein. Die Kinder können ihre eigenen Termine einbringen und bei der Planung – und wohl auch bei der einen oder anderen Kompromisslösung – mitwirken.
Halten Sie sich an die Abmachungen: Holen Sie das Kind pünktlich am vereinbarten Übergabeort ab. Schicken Sie ein grösseres Kind, das bereits allein reisen kann, zur vereinbarten Zeit auf den Weg zum anderen Elternteil. Sorgen Sie als Eltern beide für eine möglichst entspannte Stimmung beim Start des Kindes ins Besuchswochenende.
Zeigen Sie dem Kind, dass Sie mit den Besuchen einverstanden sind. Streiten oder sticheln Sie nicht vor dem Kind. Wenn sich der Wechsel vom einen Ort zum andern gut einspielt, werden Sie entlastet.
Wenn die Übergänge Probleme bereiten, kann eine Begleitung des Kindes vom einen zum andern Elternteil durch eine Fachperson helfen. Bei den Familienberatungsstellen erhalten Sie Adressen von Begleitangeboten.
Das Besuchswochenende dürfen Sie mit dem Kind gestalten, wie es Ihnen beliebt. Im Zentrum steht das Wohlergehen des Kindes. Nehmen Sie sich vor allem Zeit. Auch wenn die neue Partnerin oder der neue Partner am Wochenende dabei ist: Zeigen Sie dem Kind, dass es Ihnen wichtig ist, indem sie sich zwischendurch auch exklusiv mit ihm abgeben.
Und: Ein Kind braucht keine Freizeitattraktionen am Laufmeter. Einfache gemeinsame Erlebnisse mit Ihnen im Wald, beim Velofahren, beim Spielen et cetera sind wichtig für die Beziehung und den Umgang miteinander. Denn das Kind will ein Stück Alltag mit Ihnen teilen.
Lassen Sie das Kind auch seinen eigenen Alltag mitbringen: Helfen Sie ihm zum Beispiel bei den mitgebrachten Hausaufgaben oder auf eine Prüfung hin.
Das empfiehlt sich besonders bei Einzelkindern: Unternehmen Sie Ausflüge mit befreundeten Familien. Laden Sie andere Väter und Mütter mit Kindern zu sich ein. Kontakte tun Ihnen gut und entlasten Sie. Die Kinder sind mit Spielgefährten ohnehin glücklich.
Wenn sich Kinder in zwei Wohnungen zu Hause fühlen, bei beiden Elternteilen einen eigenen Freundeskreis aufbauen oder pflegen können, erleben sie die Trennung der Eltern auch positiv.
Fragen Sie das Kind nicht über den anderen Elternteil aus. Häufige Klage von Kindern in Scheidungskindergruppen ist ihre Rolle als Briefträger und Informant. Holen Sie sich wichtige Informationen direkt bei der Expartnerin oder dem Expartner. Treffen Sie Abmachungen direkt und nicht via Kind.
Leben Sie dem Kind einen respektvollen Umgang vor . Abwertungen und Beleidigungen an die Adresse des anderen Elternteils sind verpönt. Gefühle zulassen ist hingegen erlaubt: «Es macht mich traurig, dass ich mit Papi nicht mehr auskomme und wir im Moment nicht gut zusammen reden können.» Dann können die Kinder ihre eigenen Gefühle ebenfalls zulassen.
Wenn das Kind nicht mit dem getrennt lebenden Elternteil zusammen sein will, kann das ein Anzeichen dafür sein, dass das Kind in Not ist. Nehmen Sie die Probleme ernst. Treffen Sie von sich aus aber keine Massnahmen, die den Kontakt einschränken. Holen Sie sich Unterstützung bei einer Familienberatungsstelle oder beim Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst.
Beistände können die Lösung des Problems nicht herbeizaubern. Man kommt nicht viel weiter, wenn der andere Elternteil nicht mitmacht.
Beantragen Sie deshalb vermittelnde Massnahmen. Sie können die Kindesschutz-Behörde (KESB) ersuchen, eine Elternmediation als Kindesschutzmassnahme anzuordnen. Erlässt die Behörde eine entsprechende Verfügung, werden beide Eltern rechtlich verpflichtet, beim Mediator miteinander an der Behebung der Schwierigkeiten und einer guten Lösung für das Kind zu arbeiten.