Vorbeugung – so machen Sie es richtig
Jedes Jahr verunfallen rund 76'000 Wintersportler auf Schweizer Pisten. Simple Regeln mindern das Unfallrisiko beträchtlich – sofern man sie befolgt.
aktualisiert am 15. Januar 2020 - 16:40 Uhr
Über zwei Millionen Schweizer zieht es jedes Jahr zum Wintersport in die Berge – nicht alle kommen heil zurück: Jahr für Jahr bezahlen rund 76'000 Wintersportler den Spass auf der Piste und im Pulverschnee mit Verletzungen – oft mit bleibenden Folgen. Die Unfallstationen der Spitäler in Davos, Chur, Interlaken oder Visp gleichen während der Weihnachtszeit und vor allem im Februar Feldlazaretten. Die Chirurgen operieren oft bis spät in die Nacht hinein.
Neben neuen Materialien, verändertem Fahrverhalten und Selbstüberschätzung ist die mangelnde Fitness eines der Hauptrisiken auf der Piste. Etliche Skifahrer fahren bis zur totalen Erschöpfung. Wenn die Muskeln nicht mehr mitspielen, geht die Kontrolle über das Sportgerät gerade bei engen und eisigen Talabfahrten rasch verloren.
Weitere Risikofaktoren sind:
- sich unaufgewärmt in riskante Hänge stürzen;
- unzweckmässige Kleidung;
- falsches oder schlecht gewartetes Material;
- übermässiger Alkoholkonsum . Allerdings hat laut einer US-Studie weniger das Bechern in der Pistenbeiz, sondern der Kater nach der Après-Ski-Party am nächsten Tag Unfälle zur Folge.
- Training: Mit relativ wenig Aufwand kann jeder schon viel erreichen. Im Idealfall beginnt man drei Monate vor den Skiferien mit dem Training. Besonders wichtig ist die Stärkung der Oberschenkel-, Rumpf- und Rückenmuskulatur. Fast alle Fitnesszentren bieten in der Vorsaison spezielle Aufbauprogramme für Wintersportler an.
Die verschiedenen Videos aus der Serie «Dehn- sowie Aufwärmübungen. - Aufwärmen: Studien aus Israel und Deutschland belegen, dass kalte Muskeln weniger Kraft entfalten als aufgewärmte. Ausserdem werden durch das Aufwärmen die Sehnenscheiden und Bänder geschmeidiger und gleitfähiger, was langwierige schmerzhafte Entzündungen in den Gelenken verhindert. Anleitungen für die richtigen Aufwärmübungen sind zu finden auf dem Youtube-Kanal der Suva oder an den meisten Talstationen in Schweizer Skigebieten als DVD. Wichtig: Nach längeren Fahrpausen die Übungen wiederholen oder mindestens die erste Abfahrt vorsichtig hinter sich bringen.
- Neue Pisten langsam erkunden: Fahren Sie Pisten beim ersten Mal langsam und vorsichtig hinunter. Merken Sie sich plötzliche Gefälle, Brüche im Gelände, offene Steine, Buckelstrecken und vereiste Flächen. Das gilt auch für fortgeschrittene und gute Fahrer.
- Richtige Kleidung: Um Erkältungen oder gar Erfrierungen vorzubeugen, ist die richtige Kleidung unerlässlich
. In den Bergen können Freizeitsportler extremen Witterungsbedingungen ausgesetzt sein. Bei wechselhaftem Wetter sind in den winterlichen Alpen Temperaturschwankungen von über zehn Grad und zweistellige Minustemperaturen keine Seltenheit.
Bei der Abfahrt gerät man ins Schwitzen, und im Sessellift pfeift einem Minuten später ein eisiger Wind um die Ohren. Die Lösung liegt im Zwiebelprinzip: lieber mehrere Schichten, die man nach Belieben an- und ausziehen kann, als einen dicken Ski-Anorak.
Die unterste Schicht der optimalen Wintersportbekleidung ist die Transportschicht. Sie besteht aus schnell trocknendem Material, das den Schweiss vom Körper wegbefördert. Geeignet ist Funktionswäsche aus Polypropylen, Polyester oder PVC, aber auch dünne Thermowäsche aus reiner Schurwolle oder Seide. Über die Transportschicht gehört eine Wärmeschicht aus Fleece-, Woll- oder Flanellpullis. Baumwolle ist ungeeignet, weil sie Feuchtigkeit aufsaugt und speichert. Das führt zu unangenehmer und gesundheitsschädlicher Auskühlung.
Die äusserste Schicht ist die Isolierschicht, die Schutz gegen Wind, Regen und Schnee bietet. Geeignet sind wind- und wasserabweisende, aber atmungsaktive Jacken aus Membrantextilien respektive beschichteten Kunstfasern wie Goretex, Aquaguard, Thintech oder MPC-Tension. Hier zu sparen zahlt sich auf lange Sicht nicht aus. Hochwertige Jacken und Hosen funktionieren nicht nur besser, sie halten auch um ein Vielfaches länger als manches vermeintliche Schnäppchen.
Komplettiert wird die Ausrüstung mit einem beweglichen Rückenpanzer, Ellbogen- und Knieschonern sowie einem Schneesporthelm . Rund 16% der Verunfallten verletzen sich am Kopf. Der Helm kann das Risiko einer Kopfverletzung um rind ein Drittel verringern und ist ausserdem bei jeder Witterung angenehm warm und trocken. - Gute Sicht: Die meisten Skiunfälle sind selbstverschuldet, nur gerade sieben Prozent sind auf Kollisionen zurückzuführen. Fast jeder zweite Brillenträger lässt seine Sehhilfe beim Skifahren zu Hause. Ein fataler Fehler, denn die meisten Brillen lassen sich unter der Skibrille tragen. Ansonsten schaffen Kontaktlinsen Abhilfe. Eine gute Skibrille ist ebenfalls unerlässlich. Sie sorgt – besonders mit gelben Gläsern – für bessere Sicht, schützt die Augen vor Wind und Schnee und bewahrt bei einem Sturz einen grossen Teil des Gesichts vor Verletzungen. Besonders wichtig ist natürlich der UV-Schutz für die Augen in den Bergen.
Kinder verletzen sich beim Skifahren oder Snowboarden deutlich seltener als Erwachsene - dafür sind die Unfallfolgen oft gravierender. Ein paar Tipps zur Risikoverminderung.
Keine Frage: Skifahren und Boarden sind der Schweizer Volkssport schlechthin. Doch gerade bei diesen Sportarten, bei denen man mit grosser Geschwindigkeit unterwegs ist, besteht ein erhebliches Verletzungsrisiko. Die gute Nachricht: Bei Kindern ist es nur halb so hoch wie bei Erwachsenen. Die schlechte: Bei Kindern ist dafür in doppelt so vielen Fällen der Kopf betroffen. Deshalb ist ein Helm
beim Skifahren und Snowboarden sehr empfehlenswert, ja gar eine (elterliche) Gewissensfrage: Rund ein Drittel aller Kopfverletzungen können mit einem Helm verhindert werden, denn er schützt zuverlässig vor leichten Blessuren wie Platzwunden und Prellungen. Bei schweren Unfällen stösst aber auch ein Helm an seine Grenzen, vorsichtiges Fahren ist in jedem Fall angesagt.
Am häufigsten verletzt man sich im Skisport jedoch am Kniegelenk. Bei Stürzen werden die einwirkenden Kräfte direkt auf den Unterschenkel und das Knie weitergeleitet und dabei vervielfacht. Mit einer gut eingestellten Bindung, die rechtzeitig aufspringt, kann man sich einige Knieverletzungen ersparen.
Die Ausrüstung und das Verhalten auf der Piste sind das eine, die gute Vorbereitung das andere. Damit kann das Verletzungsrisiko ebenfalls erheblich gesenkt werden - körperlich fitte Kinder stürzen deutlich seltener als solche, die nie oder bloss selten Sport treiben. Vor der ersten Abfahrt empfehlen sich zudem Bewegungsübungen: Der Körper und die kalten Gliedmassen werden dabei aufgewärmt, die Körperbalance wird verbessert, das Sturzrisiko vermindert.
Stichwort Kälte. Man sollte sie nicht ausser Acht lassen, das gilt insbesondere in hochgelegenen Skigebieten, wo häufig Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt herrschen und der Auskühleffekt durch den Fahrtwind noch verstärkt wird. Ausreichende Bekleidung, Handschuhe, Kappen und allenfalls Ohrenwärmer sind deshalb ein Muss - nicht nur für Kinder.
Wenn Sie auf der Piste Zeuge eines Unfalls werden, gilt es Soforthilfe zu leisten:
- Absichern der Unfallstelle: gekreuzte Skier einstecken und eine Person als Warner postieren.
- Erste Hilfe: Allgemeinzustand der verletzten Person erfassen; für richtige Lagerung, Wundversorgung und Kälteschutz sorgen.
- Alarmierung des Rettungsdienstes: Ort und Zeit des Unfalls beschreiben, Anzahl Verletzte und Art der Verletzungen nennen.
- Feststellen des Sachverhalts: Personalien von Beteiligten und Zeugen aufnehmen, Ort, Zeit und Hergang des Unfalls notieren und dabei besonders Gelände-, Schnee- und Sichtverhältnisse berücksichtigen.
Wird der Sachverhalt nicht protokolliert, könnte es Beweisprobleme geben – denn die Beweislast trägt der Geschädigte. Wenn kein Rapport des Pistenrettungsdienstes oder der Polizei vorliegt, muss man als Betroffener selbst – oder Begleitpersonen – für die Dokumentation des Unfallhergangs sorgen. Auf Folgendes ist zu achten:
- Personalien aller Beteiligten festhalten: Schadenverursacher, Zeugen, Angestellte der Bergbahn oder Veranstalter eines Anlasses respektive seine Vertreter vor Ort.
- Fotos und/oder Videoaufnahmen der örtlichen Verhältnisse machen.
- Unfallhergang schriftlich festhalten, von allen Anwesenden unterschreiben lassen.
- Früh daran denken, allenfalls Strafantrag wegen fahrlässiger Körperverletzung zu stellen.
Die wichtigsten Faustregeln für Freerider:
- Es ist unmöglich, ohne Ausbildung das Lawinenrisiko einzuschätzen. Deshalb unbedingt einen Lawinenkurs besuchen.
- Niemals ohne eingeschaltetes Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), Schaufel und Lawinensonde die Piste verlassen.
- Am ersten schönen Tag nach Schneefällen lieber auf der Piste bleiben.
- Regionale Lawinenbulletins abfragen und ab Lawinengefahr «erheblich» auf keinen Fall ins Gelände.
- Bei Wind ab 30 Stundenkilometern auch ohne Neuschnee Rinnen und Mulden mit Triebschneeansammlungen meiden.
- Niemals allein fahren. In unbekanntem Gelände nur mit einem Ortskundigen.
- Immer nur mit anderen Freeridern ins Gelände, die ebenfalls LVS, Schaufel und Sonde auf sich tragen und auch damit umgehen können.
- Sicherheitsabstand halten.
- Im Frühling nicht mehr am Nachmittag fahren (Nassschneelawinen).
Die App «Slope Track» der Suva zeichnet auf der Piste Ihre zurückgelegte Abfahrt, Höhendifferenz und die persönliche Geschwindigkeit auf und macht Sie auf besondere Gefahren aufmerksam. Zudem können Sie für Ihren Ski- oder Snowboard-Ausflug Informationen über das Skigebiet sowie die Schnee- und Wetterverhältnisse abrufen.