Ein Ehemann ist keine Altersvorsorge
Über ihre finanzielle Zukunft machen sich viele Frauen zu wenig Gedanken. Dabei liesse sich die mit wenigen Massnahmen rosiger gestalten.
Veröffentlicht am 26. September 2017 - 11:59 Uhr,
aktualisiert am 28. September 2017 - 11:34 Uhr
Lea Schmidmeister lebt derzeit auf einem anderen Planeten. Oder, wie sie sagt, «in einer Baby-Blatere». Vor vier Wochen kam Söhnchen Tim auf die Welt. Die 33-jährige Mutter weiss manchmal vor lauter Müdigkeit nicht mehr, ob sie «Männchen oder Weibchen» ist. Ihr Partner, ein Elektroplaner, arbeitet seit der Geburt nur noch 80 Prozent. So kann sie ab und zu für ein paar Stunden die Verantwortung abgeben. «Ich bin müde, aber ich geniesse es sehr. Und es tut auch gut, mal ganz aus dem Berufsalltag raus zu sein.»
Das ist sie nur vorübergehend. Bis zur Geburt arbeitete Lea Schmidmeister in einem 60-Prozent-Pensum als Sozialarbeiterin bei der Caritas und als Aargauer Grossrätin. In fünf Monaten ist ihr Mutterschaftsurlaub vorbei. Tim ist in der Krippe angemeldet, und mindestens einen Tag übernehmen die Grosseltern die Betreuung. Damit gehört Schmidmeister zu jenem Grossteil der Frauen in der Schweiz, die teilzeiterwerbstätig sind.
Unter Müttern ist der Anteil der Teilzeiterinnen besonders hoch, und die Pensen sind mehrheitlich klein. Vier von fünf Müttern sind teilzeiterwerbstätig, rund 20 Prozent geben ihren Job ganz auf, im Schnitt fünf Jahre lang, zeigt die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung 2016.
Dabei geht eins oft vergessen: Pensenreduktionen oder die Aufgabe des Berufs haben oft drastische Folgen für die Altersvorsorge. Denn für sie ist ein kleiner Beschäftigungsgrad höchst ungünstig. «Wer über längere Zeit unter 50 Prozent arbeitet, riskiert, nach der Pensionierung mit dem Existenzminimum auskommen zu müssen und finanziell stark vom Partner abhängig zu sein», hielt die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten 2016 in einer Studie fest.
Wie viel nach der Pensionierung zum Leben bleibt, hängt stark vom einmal erzielten Erwerbseinkommen ab. Die Konferenz empfiehlt daher Männern und Frauen unabhängig vom Zivilstand, den Beschäftigungsgrad nie unter 70 Prozent fallen zu lassen. Verheiratete erhalten für die Berechnung der AHV-Renten die während der Ehe erzielten Einkommen von Mann und Frau je hälftig angerechnet. Anders als Konkubinatspartner haben sie bei einer Scheidung auch ein Anrecht auf die Hälfte des während der Ehe angehäuften Pensionskassenguthabens des Gatten oder der Gattin.
Doch wenn eine Beziehung scheitert, geraten Frauen mit kleinem Arbeitspensum finanziell oft schon vor dem Rentenalter ins Schlittern. Nach der Pensionierung verschärfen sich die Probleme. Rund 500'000 Frauen mit kleinen Teilzeitpensen, die momentan noch im Berufsleben stehen, werden nach der Pensionierung nur die AHV haben, da ihr Jahreseinkommen unter dem PK-Obligatorium liegt. Es beginnt ab 21'150 Franken. Die AHV reicht jedoch schon lange nicht mehr für das Existenzminimum.
«Die selbst verantwortete Vorsorge wird immer wichtiger. Doch viele Frauen kümmern sich nicht darum», beobachtet Silvia Villars, die bei der Frauenzentrale Zürich Vorsorgeberatungen anbietet. «Statt eine dritte Säule aufzubauen oder in die Pensionskasse einzuzahlen, denken sie an die Kinder und richten ein Konto für sie ein. Viele trauen sich nicht, sich mit Finanzen zu befassen.»
Besteht bei Ihnen eine Vorsorgelücke? Haben Sie zudem gerade die Stelle gewechselt oder wollen Sie steuerlich profitieren? Beobachter-Mitglieder erfahren im Merkblatt «Lohnt sich der Einkauf in die Pensionskasse», welche Faktoren für eine solche Überlegung noch wichtig sind.
Ausserdem seien sich viele Frauen nicht darüber im Klaren, dass die Altersleistungen der Pensionskassen immer weiter sinken: «Sie machen sich ein Budget für die Gesundheit und Ferien, aber nicht fürs Alter.»
Lea Schmidmeister kennt die Bedeutung der Vorsorge sehr wohl. Als Sozialarbeiterin und Politikerin kommt sie oft mit dem Thema in Berührung. Sie sagt: «Ich habe immer Teilzeit gearbeitet. Das könnte mir im Alter zum Verhängnis werden.» Derzeit trifft sie einige Massnahmen – nicht zuletzt auch deshalb, weil sie und ihr Partner nicht geheiratet haben und das auch nicht vorhaben.
«Frauen sollten sich nicht darauf verlassen, dass ihr Mann sich um ihre Vorsorge kümmert.»
Silvia Villars, Vorsorgeberaterin bei der Frauenzentrale Zürich
Zur Absicherung bei einem Todesfall hat das Paar vor zwei Monaten eine Begünstigung bei ihren Pensionskassen hinterlegt. Das ist bei einer dauerhaften Partnerschaft ab fünf Jahren oder ab Geburt eines gemeinsamen Kindes oft möglich. Somit erhält der überlebende Partner von der Pensionskasse des Verstorbenen Hinterlassenenleistungen.
Zudem hat das Paar privat eine Todesfallversicherung abgeschlossen, da Konkubinatspartner kein Anrecht auf eine Witwen- respektive Witwerrente der AHV haben. Demnächst wollen sie noch je ein Säule-3a-Konto einrichten. «Die Vorsorge ist mit ein Grund dafür, dass ich mein Pensum auf 80 Prozent erhöhen möchte, sobald Tim grösser ist», sagt Schmidmeister.
Damit sind Lea Schmidmeister und ihr Partner finanziell auf gutem Weg, sagt Vorsorgeberaterin Silvia Villars. «Wenn die Mutter 80 Prozent arbeiten wird, kann sie ihre Vorsorge stärken, indem sie sich in die Pensionskasse einkauft und regelmässig zusätzliche Beiträge überweist.» Dieser Rat gilt auch für alle Frauen, die Lücken in der Pensionskasse haben.
Verbesserungspotenzial sieht Villars bei den täglichen Ausgaben des Paars. Lea Schmidmeister und ihr Partner haben kein gemeinsames Konto, kein Kinderkonto und auch keine Abmachungen darüber, wer welche Ausgaben tätigt. Bisher ging das ohne Konflikte.
Villars empfiehlt aber, einen Konkubinatsvertrag abzuschliessen, der die Eigentumsverhältnisse festhält sowie regelt, wie die Kosten des Lebensunterhalts aufgeteilt werden und was bei Auflösung des Konkubinatsverhältnisses passiert. «Das verkleinert das Konfliktpotenzial und kann böse finanzielle Überraschungen verhindern.» Für Verheiratete gelte: «Ein Ehemann ist nicht zwingend eine Altersvorsorge. Frauen sollten sich nicht darauf verlassen, dass ihr Mann sich um ihre Vorsorge kümmert.»
- Bleiben Sie nach der Heirat und nach der Geburt eines Kindes möglichst 60 bis 70 Prozent erwerbstätig.
- Planen Sie im Familienbudget einen fixen, regelmässigen Posten für die Altersvorsorge ein.
- Legen Sie monatlich per Dauerauftrag einen Betrag für die dritte Säule zur Seite.
- Prüfen Sie das Einkaufspotenzial in die Pensionskasse.
- Zahlreiche Pensionskassen zahlen für Konkubinatspaare Lebenspartnerrenten aus. Dazu muss man nachweisen, dass man in den fünf Jahren vor dem Tod des Partners eine ununterbrochene Lebensgemeinschaft geführt oder für gemeinsame Kinder gesorgt hat. Damit Pensionskassen Konkubinatsleistungen akzeptieren, muss man die Lebensgemeinschaft in der Regel anmelden.
- Bestellen Sie den AHV-Auszug. Er zeigt, ob Sie ab dem 21. Lebensjahr immer die AHV-Beiträge bezahlt haben. Lücken kann man bis maximal fünf Jahre rückwirkend schliessen.
- Schieben Sie das Sparen nicht für später auf, sondern beginnen Sie damit, sobald Sie erwerbstätig sind.
- Legen Sie Kapital in Form eines Fondssparplans an.
- Auf jeden Fall lohnt sich eine unabhängige Vorsorgeberatung. Bei der Zürcher Frauenzentrale können sich auch Frauen mit geringem Einkommen günstig und kompetent beraten lassen: www.frauenzentrale-zh.ch.
Generali: AHV-Beitragslücken
Weder das Erbrecht sieht einen Anspruch an den hinterbliebenen Konkubinatspartner vor, noch kennt die AHV eine Hinterlassenenleistung. Als Beobachter-Mitglied erhalten Sie nützliche Hilfestellung für die Altersvorsorge im Konkubinat. Erfahren Sie unter anderem, wie Sie sich mithilfe eines Testaments oder eines Erbvertrags absichern oder sich in der 2. und 3. Säule gegenseitig begünstigen können.
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