Eidgenössische Finanzkontrolle rügt das BAG

Wir erinnern uns: Zu Beginn der Pandemie schossen Testzentren wie Pilze aus dem Boden. Der Bund übernahm die Testkosten, abgerechnet wurde über die Krankenkasse. In den Jahren 2020 und 2021 hat der Bund Covid-19-Testkosten im Umfang von 2,7 Milliarden Franken finanziert und damit doppelt so viel wie für die Impfungen ausgegeben. 

Doch nun kritisiert die Eidgenössische Finanzkontrolle, dass zu wenig gegen Missbrauchsbekämpfung unternommen wurde. So seien die Krankenkassen nicht verpflichtet worden, allen getesteten Personen eine Abrechnung zuzustellen. Das sei ein wesentlicher Mangel, weil so kaum überprüft werden kann, ob der Test tatsächlich stattgefunden hat oder nicht.  

Weiter seien auch die Abrechnungsnummern, die sogenannten Zahlstellenregisternummern (ZSR-Nummern), missbrauchsanfällig, schreibt die Finanzkontrolle in ihrem Bericht. Der Verdacht liegt nahe, dass dadurch verschiedene Leistungserbringer diese Lücke ausgenutzt und ungerechtfertigte Abrechnungen eingereicht haben.  

Die Finanzkontrolle fordert, das Bundesamt für Gesundheit müsse mutmassliche Missbräuche aufspüren und die Gelder zurückfordern. Ab dem 1. Januar übernimmt der Bund die Covid-Testkosten nicht mehr. Das hat das Parlament in der Wintersession entschieden. 

Der Beobachter schrieb bereits Anfang dieses Jahres über die Lücken im Abrechnungssystem. 

(sar)

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Die Firma Safetest AG hat dem Bund über Wochen hinweg mehrere Tausend Corona-Tests in Rechnung gestellt. Dies, obwohl ihre Kunden die Tests bereits vor Ort bezahlt hatten.

Mehrere Krankenkassen bestätigen die Recherchen des Beobachters. Eingereicht hat die Rechnungen der Zürcher Schönheitschirurg Christophe Christ. Bei ihm liegt die ärztliche Leitung von 20 der 41 Testzentren, die Safetest in mehreren Kantonen betreibt.

Wer von Mitte Oktober bis Mitte Dezember 2021 keine Krankheitssymptome und keinen Kontakt zu positiv getesteten Personen hatte, musste die Corona-Tests selbst bezahlen. Doch der Safetest-Arzt Christophe Christ verrechnete diese Covid-Tests via Krankenkassen zusätzlich dem Bund.

Helsana-Sprecher Urs Kilchenmann sagt jetzt: «Alle seine Rechnungen wurden storniert, da die Kundinnen und Kunden bar bezahlt haben.» Jetzt fordert die Helsana das bereits ausbezahlte Geld zurück – vermutlich einen sechsstelligen Betrag.

Allfälliger Missbrauch schwer zu ermitteln

Betroffen waren Personen, die beispielsweise noch nicht geimpft waren oder aus anderen Gründen einen negativen Corona-Test benötigten. Wie etwa Ernst Lüthi* (Name geändert) und zwei seiner Arbeitskolleginnen. Sie mussten für eine Weiterbildung mehrfach einen negativen Corona-Test vorweisen, liessen sich zweimal im Testcenter Gunzwil LU testen – und bezahlten die Antigentests vor Ort.

Ende Jahr erhielten Lüthi und seine Arbeitskolleginnen von ihren Krankenkassen eine Leistungsabrechnung – und staunten: Das Testcenter Gunzwil stellte die Laboranalyse auch den Krankenkassen in Rechnung.

Auch bei der Visana und der Swica klärt man derzeit aufgrund von Kundenrückmeldungen ab, wie viele ungerechtfertigte Tests dem Arzt erstattet wurden. Das Problem: Krankenkassen können einen allfälligen Missbrauch nur schwer erkennen. Swica-Sprecherin Silvia Schnidrig: «Wie bei allen Arztrechnungen müssen wir grundsätzlich davon ausgehen, dass stimmt, was auf der Rechnung steht.» Schnidrig sagt aber klar: «Wenn ein Arzt wissentlich etwas Falsches schreibt, ist das Versicherungsmissbrauch.»

Doppelverrechnungen und Qualitätsmängel

Der bei Safetest verantwortliche Christophe Christ spricht von einem «Fehler in der Software». Als der Bundesrat beschlossen hatte, dass Antigen-Schnelltests ab dem 11. Oktober nicht mehr durch den Bund vergütet werden, sei diese Anpassung «leider nicht korrekt im System erfasst worden». Das habe dazu geführt, dass automatisch eine Rechnung ausgelöst worden sei, obschon der Kunde den Test vor Ort bezahlt habe. Der Fehler sei bereits Anfang November erkannt worden – behoben wurde er aber offensichtlich nicht. Man sei immer noch daran, das Problem aufzuarbeiten und nach Falschzahlungen zu suchen, sagt Christ. «Wir haben uns sehr über diesen Fehler geärgert. Es bestand nie eine Absicht dahinter.»

Allerdings sind die Doppelverrechnungen nicht das einzige Problem von Safetest. In den vergangenen Wochen wurden mehrere ihrer Testzentren von den kantonalen Aufsichtsbehörden geschlossen. Wie etwa in Solothurn, wo der Kanton festhielt: «Aufgrund ungenügender fachlicher Aufsicht konnte die Qualität der Abstrichtechnik aus Sicht des Kantons nicht sichergestellt werden.» In Olten schloss der Kanton Solothurn ein Zentrum von Safetest, das gar keine Bewilligung hatte. Und in Stans NW sprachen die Behörden von «erheblichen Qualitätsmängeln».

Fragwürdige Anbieter

Private Anbieter witterten im vergangenen Oktober das grosse Geschäft, als der Bund einen Teil der Corona-Tests für kostenpflichtig erklärte. Sogenannte Pop-up-Testzentren schossen überall wie Pilze aus dem Boden.

Der Zürcher Apotheker Claudio Pelloni berichtet: «Bei mir sind Personen in die Apotheke gekommen, die gefragt haben, ob ich interessiert wäre an einer Kooperation.» Einer habe erklärt, er habe in Horgen ZH eine Garage gemietet und wolle da ein Testzentrum betreiben. «Ich hätte meinen Namen hergeben sollen, im Gegenzug hätte ich Kommissionen erhalten. Ich habe abgelehnt, das war für mich viel zu unseriös», sagt Pelloni. Er weiss von mindestens zwei Apotheker-Kollegen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Andere Apotheken haben sich mit der Bewältigung der vielen Tests womöglich administrativ übernommen. Ernst Lüthi, dem Safetest die Tests doppelt verrechnet hatte, passierte im November nochmals das Gleiche – diesmal in der Zürcher Morgental-Apotheke. Er kaufte für 235 Franken ein Zehnerabo Antigen-Schnelltests; die Apotheke stellte den bereits einkassierten Betrag auch der Krankenkasse in Rechnung.

Eine Mitinhaberin sagt, bei einer Softwareumstellung seien «fälschlicherweise teilweise bereits verbuchte Leistungen erneut verrechnet worden». Noch ist der Schaden offenbar nicht behoben: «Wir sind aktuell dabei, die Fehler mit den betroffenen Patienten und den Krankenkassen zu klären», erklärt sie weiter.

Der Gebührentrick

Fragwürdig scheinen auch die Angebote unter den Websites pcr-test24.ch sowie covid19-zentrale.ch. Darauf werden neun Covid-Testzentren im Kanton Zürich und eines im Kanton Solothurn beworben, «ohne Termin, ohne Voranmeldung».

Brigitte Rüegg* besuchte das Testzentrum in Wallisellen ZH, um ihren kleinen Sohn testen zu lassen, weil er Symptome zeigte. Für den PCR-Spucktest verlangte die Mitarbeiterin zusätzlich eine sogenannte Administrationsgebühr von 10 Franken. Das sei unzulässig, bestätigt das Bundesamt für Gesundheit. «Das Vorgehen einzelner Leistungserbringer, dem Patienten oder den Versicherern zusätzliche Kosten zu verrechnen, entspricht nicht den Vorgaben des Bundes. Das BAG ist in diesem Kontext mit den Verbänden der Leistungserbringer in Kontakt getreten», sagt ein Sprecher.

Websites ohne Impressum

Registriert wurden die Websites pcr-test24.ch und covid19-zentrale.ch von einer Firma namens Versicherungszentrale in Wallisellen. In den Testzentren vor Ort hingegen ist das Logo der Rosengarten-Apotheke aus Bassersdorf ZH angeschlagen. Das auf den Websites fehlende – und gesetzlich vorgeschriebene – Impressum sei angepasst worden, versichert der Inhaber der Apotheke.

Zu der verlangten Gebühr sagt er: «Das war ein Missverständnis. An diesem Tag hatten wir eine neue Teilzeit-Mitarbeiterin, die unsere Anweisungen nicht korrekt umsetzte.» Die Gebühr sei inzwischen zurückerstattet worden, was Kundin Rüegg bestätigt.

Seit Monaten lassen sich Tag für Tag mehrere Zehntausend Menschen testen. Allein im dritten Quartal letzten Jahres finanzierte der Bund via die Krankenkassen Covid-Tests für rund 325 Millionen Franken. Kein Wunder, versuchten verschiedenste Anbieter, sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden. Alles, was man für das Geschäft benötigte, war eine Lokalität, genügend Personal, Testmaterial – und eine leistungsfähige Abrechnungssoftware. Doch womöglich ist die Goldgrube bald erschöpft. Wenn der Bundesrat sein Testregime lockert, könnte in den Testzentren bald schon gähnende Leere herrschen.

Anmerkung der Redaktion

In einer ersten Version dieses Artikels schrieb der Beobachter, dass der Schönheitschirurg Christophe Christ 41 Testzentren der Firma Safetest betreibe. Dabei stützte sich der Beobachter auf das Impressum der Website, die Christophe Christ als Vertreter von Safetest aufführt. Gemäss Angaben von Safetest ist Christophe Christ aber nicht der Betreiber der 41 Testzentren, sondern der fachverantwortliche Arzt von 20 Testzentren.

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