Teure Überraschung auf Spitalrechnung
Ein Mann landet als Notfall im Spital Langenthal. Nun soll er 7500 Franken aus der eigenen Tasche bezahlen – weil das Spital keinen Vertrag mit seiner Krankenkasse hat.
Veröffentlicht am 3. Dezember 2021 - 10:49 Uhr
Dass die Versicherung nicht zahlen wird, realisierte Herbert Fluri* (Name geändert) erst am vierten Tag im Spital. Er wurde so wütend, dass sein Blutdruck stieg. Der Patient habe sich «stark aufgeregt, da ihm mitgeteilt wurde, dass seine Krankenkasse den Spitalaufenthalt nicht bezahlt», steht im Pflegeprotokoll. Das war im April im Spital Langenthal. Strittig ist der Fall bis heute.
Fluri war, ohne es zu merken, in eine Kostenfalle getappt, als er wegen eines Notfalls ins Spital musste. Dabei hatte der 77-Jährige seit Jahren Halbprivat-Prämien einbezahlt, um genau das zu verhindern. Dass seine Krankenkasse KPT wegen des Tarifs im Streit mit dem Spital Langenthal liegt und seit Januar keinen Zusatzversicherungs-Vertrag mehr hat, konnte er nicht wissen.
Im Zusatzversicherungsbereich landen immer wieder Spitäler oder Belegärzte auf einer schwarzen Liste der Krankenkassen. Damit wollen sie ihre Kunden «vor nicht transparenten Rechnungen mit unverhältnismässig hohen Preisen» schützen, wie die CSS schreibt. Denn die Krankenkassen bezahlten keine Rechnungen dieser Spitäler mehr.
Patienten sollen selbst abklären
Die Helsana-Zusatzversicherungen haben aktuell mit 11 Spitälern keinen Vertrag mehr, die KPT mit 12, die Concordia mit 13, die CSS mit 14. Sie raten deshalb allen Zusatzversicherten, vor einem geplanten Aufenthalt genau abzuklären, ob ein Vertrag zwischen Krankenkasse und Spital besteht. Bei einem Notfall kann man das aber unmöglich. Genau das wurde Herbert Fluri zum Verhängnis.
Im Spital unterschrieb er zwar ein Formular, das besagt, er sei sich der finanziellen Folgen des vertragslosen Zustands bewusst. Allerdings, so Herbert Fluri, habe er damals nicht realisiert, was genau er da unterzeichne. Er sei in einer Notfallsituation gewesen. Fluris Tochter sagt, das Spital habe die Aufklärungspflicht ihrem Vater gegenüber nur ungenügend erfüllt. Das belege auch das Pflegeprotokoll. Sie fühlt sich «betrogen».
Krankenkasse kritisiert Spital
Die Rechnung für zehn Tage halbprivate Unterbringung und Behandlung lautet auf Fr. 7498.10. Herbert Fluri hat sie bis heute nicht beglichen. Fragwürdig seien insbesondere die Halbprivat-Übernachtungspauschalen für die ersten vier Tage, kritisiert seine Krankenkasse, die KPT. In dieser Zeit lag Herbert Fluri zwar im Einbettzimmer, aber aus medizinischen Gründen, wie das Spital zugibt. Fluri musste isoliert werden. In solchen Fällen übernimmt jeweils die Grundversicherung die Mehrkosten für das Einbettzimmer.
Für die KPT ist auch nicht nachvollziehbar, welche Mehrleistungen das Spital «effektiv» erbracht haben soll. Weil Fluri «für eine nicht erbrachte Mehrleistung» bezahlen müsse, prüfe man nun aber eine Kulanzzahlung an ihn – trotz des vertragslosen Zustands.
Das Spital Langenthal sieht keinen Anlass für Beanstandungen. Herbert Fluri habe die Mehrleistungen, die die Halbprivat-Police übernimmt, auch während seiner Isolation bezogen. Das sei klar belegt. Deshalb sei die Rechnung korrekt. Die Aufklärungspflicht beim Spitaleintritt habe man nicht vernachlässigt. Man habe dem Patienten gegenüber die effektiven Leistungen ausgewiesen. Der KPT gegenüber sei man dazu nicht verpflichtet, da es ja keinen Vertrag mit der Kasse gebe.
Der Beobachter will Spitalrechnungen analysieren und für mehr Transparenz bei den Zusatzversicherungen sorgen. Dazu brauchen wir Sie! Senden Sie uns bitte Kopien von Zusatzversicherungsrechnungen Ihres Spitals oder Ihres Arztes. Wir klopfen sie auf Auffälligkeiten ab. Absolute Vertraulichkeit ist garantiert.
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