Warnung vor unseriösen Schuldensanierern
Woran Sie unseriöse Schuldensanierer erkennen. Und wo Sie seriöse Angebote finden.
aktualisiert am 1. Februar 2018 - 13:28 Uhr
Lockt ein Schuldensanierer mit Slogans wie «Sofort sorgenfrei» oder «Wir übernehmen Ihre Schulden», sind Sie an einen unseriösen Vertreter der Gattung geraten. Denn wer solche Versprechungen macht, lügt. Es gibt keine problemlose Sanierung. Und Sanierer zahlen auch keine fremden Schulden.
Solche Sanierungsbüros haben nur ein Interesse: ein möglichst fettes Honorar kassieren. Weder klären sie die finanzielle und private Situation der verschuldeten Person ab, noch erstellen sie ein taugliches Budget oder handeln mit den Gläubigern Nachlässe aus - alles unabdingbare Voraussetzungen, wenn die Sanierung gelingen soll.
Weitere Hinweise, die einen Schuldensanierer als unseriös entlarven: Sie erhalten zum Beispiel einen «Sanierungsvertrag» bereits zur Unterschrift, bevor die gesamten Schulden festgestellt sind und ein Budget erstellt wurde. Oder die Schuldensanierungsfirma bietet neben Sanierungen auch noch das Inkasso für Gläubiger an.
Die finanzielle Misere von Anna Wenk (Name geändert) aus Dübendorf ZH begann mit einem teuren Möbelkauf und den steigenden Kosten fürs Auto. Für beides verdiente die 42-jährige Angestellte einer Reinigungsfirma zu wenig: Die Schuldenlast von rund 10'000 Franken drückte.
Rettung in der Not versprach die Awag Finanz Zürich, an die sich Wenk wandte. Sie reichte eine Liste ihrer Schulden ein, und bald hatte sie einen «Sanierungsvertrag» in der Hand. Anna Wenk zahlte insgesamt 1100 Franken ein, von denen jedoch kein einziger an die Gläubiger weitergeleitet wurde. Als sie den Vertrag kündigte, forderte die Awag weitere 1150 Franken Honorar und ging damit vor Gericht. Erst als der Beobachter intervenierte, zog sie die Klage zurück. In seiner Stellungnahme meint Awag-Besitzer Alfred Schneider: «Wir haben das Honorar entgegen dem Vertrag um die Hälfte reduziert.»
Ähnlich erging es der 50-jährigen Esther Bodmer (Name geändert) aus Zürich. Sie suchte wegen Schulden von über 20'000 Franken ebenfalls Hilfe bei der Awag und musste 1200 Franken vorauszahlen. Als Bodmer zögerte, den Sanierungsvertrag zu unterschreiben, wurde sie von der Awag unter Druck gesetzt. Sie realisierte dann, dass sie die monatliche Rate von 650 Franken nicht leisten konnte, und kündigte den Vertrag. Auch in diesem Fall zerrte die Awag ihre Kundin vor Gericht und verlangte weitere 1700 Franken. Aber der Richter hielt in seinem Entscheid fest, dass die Awag keine Schuldensanierung durchgeführt habe, und wies die Forderung vollumfänglich ab. Dazu Awag-Besitzer Schneider: «Dass wir Druck ausgeübt haben sollen, ist gelogen.»
Wenn sich der Schuldenberg anhäuft, nutzen meist dubiose Sanierungsbüros die Unwissenheit der Schuldner. Beobachter-Mitglieder erfahren, wie das Verfahren eines Privatkonkurses aussehen könnte, welche Rechte bei einer Pfändung gelten und erhalten in einer Schuldenberatung weitere Handlungsanweisungen.
Die zwei Beispiele sind keine Einzelfälle. Die Awag ist auch nicht die einzige Firma, die mit ihren Methoden auffällt. Die vom Beobachter angefragten Schuldenberatungsstellen der Kantone Bern, Glarus, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, St. Gallen und Zürich zählten auch die folgenden Firmen zu den schwarzen Schafen in der Branche: die Profimag und die MF Consulting in Winterthur, die Zürcher Real-Treuhand und die FTK Finanz- und Treuhandkanzlei in St. Gallen.
In Inseraten mit Slogans wie «Wir übernehmen Ihre Schulden» oder «Sofort sorgenfrei» werden falsche Hoffnungen geschürt. «Wer das verspricht, lügt. Denn weder zahlen Sanierer fremde Schulden, noch gibt es eine problemlose Sanierung», ärgert sich Charly Gmür von der Luzerner Fachstelle für Schuldenfragen.
Nicht nur bei den Versprechungen gleicht sich das Vorgehen der fünf schwarzen Schafe der Branche. Ein Gespräch, in dem neben der finanziellen auch die private Situation des Schuldners und seines Umfelds abgeklärt wird, findet nicht statt. «Das ist fahrlässig», hält Mario Roncoroni vom Verein Schuldensanierung Bern fest. «Denn die Sanierung kann nur gelingen, wenn sich der Schuldner beruflich wie privat in einer stabilen Situation befindet.»
Zudem wird weder ein taugliches Budget erstellt, in dem auch die Steuern und ein Betrag für Unvorhergesehenes enthalten sind, noch werden Nachlässe mit den Gläubigern ausgehandelt. «Die Sanierung wird an irgendeinem Zipfel begonnen, ohne dass die Gesamtverschuldung feststeht», sagt Cornelia Egli-Angele von der Fachstelle für Schuldenfragen in Schaffhausen. Dem Sanierer genügt bereits eine Liste der Ausstände, die der Schuldner selber zusammengestellt hat. Ob die Aufzählung vollständig ist und ob alle Forderungen berechtigt sind, klärt er nicht ab.
Dann legt er in einem «Schuldensanierungsvertrag» die monatliche Rate und das Honorar fest, das neun bis zwölf Prozent der Schuldensumme beträgt. «Bei den Verträgen fällt auf, wie schwer verständlich diese zum Teil sind. Das Tarifsystem ist undurchsichtig, das Honorar zu hoch. Und dem Schuldner wird auch der Kontakt zu seinen Gläubigern untersagt», meint Christoph Räber von der Schwyzer Fachstelle für Schuldenfragen.
Hat der Schuldner den Vertrag einmal unterzeichnet, nimmt die Sanierung regelmässig ihren unguten Verlauf. Mit den ersten vom Schuldner bezahlten Raten deckt der Sanierer sein Honorar. Erst danach werden kleine Beträge an die Gläubiger weitergeleitet. Da die monatliche Rate häufig unrealistisch hoch ist, kann der Schuldner in vielen Fällen früher oder später nicht mehr zahlen.
Ist die Sanierung gescheitert, tritt der Anbieter sofort vom Vertrag zurück und stellt seine saftige Schlussrechnung. Wird diese nicht beglichen, leitet er sogleich das Betreibungsverfahren ein. In dieser Situation sollte der Schuldner sofort Rechtsvorschlag erheben und sich an die Schuldenberatungsstelle in seinem Kanton wenden. «Denn vor uns haben die Sanierer noch Respekt. Häufig genügt ein Schreiben, dass wir uns für den Schuldner wehren würden. In der Regel ist dann Ruhe», sagt Susanne Johannsen, Leiterin der Fachstelle für Schuldenfragen im Kanton Zürich.
«Haltlose Unterstellungen»Vom Beobachter zur Stellungnahme aufgefordert, weisen alle fünf Schuldensanierungsfirmen die Vorwürfe von sich: «Die Unterstellungen der Schuldenberatungsstellen sind haltlos und unwahr», erklärt etwa die FTK. «Der grösste Teil unserer Kunden», so MF Consulting und Profimag, «ist zufrieden mit unserer Dienstleistung.» Oder Real-Treuhand: «80 Prozent der Sanierungen können erfolgreich abgeschlossen werden.»
Dass eine Schuldensanierung erfolgreich sein kann, wenn sie von einem seriösen Sanierer oder einer Fachstelle durchgeführt wird, zeigt das Beispiel von Anna Wenk. Nachdem sie sich aus den Fängen der Awag befreit hatte, holte sie bei der Zürcher Fachstelle Hilfe. In mehreren Gesprächen wurde die Überschuldung abgeklärt und ein Budget erstellt. Die Fachstelle setzte sich mit Gläubigern in Verbindung und konnte Schuldenerlasse von rund 2000 Franken erwirken. Dann stand fest, dass eine Sanierung möglich war. Ausgerüstet mit dem von der Fachstelle erstellten Sanierungsplan, zahlte Anna Wenk die verbliebenen 8000 Franken in Raten zurück. Heute ist sie schuldenfrei und führt ihre eigene Reinigungsfirma.
- Informationen zur Schuldensanierung und die Adressen der Fachstellen für Schuldenberatung: www.schulden.ch