Nationalrat bremst Aufklärung von Korruption im Ausland
Bestechung ist bei Schweizer Firmen im Ausland stark verbreitet, zeigt eine Studie. Der Nationalrat will indessen Bussen nicht erhöhen.
Veröffentlicht am 28. Februar 2024 - 12:01 Uhr
Mehr als die Hälfte der Schweizer Firmen, die im Ausland tätig sind, wurden schon aufgefordert, Bestechungsgelder zu zahlen. Fast zwei Drittel von ihnen haben das auch getan. Das heisst, dass ein Drittel der Schweizer Unternehmen ausserhalb der Schweiz Korruptionszahlungen leisten. Dies zeigt eine neue Studie der Fachhochschule Graubünden und Transparency International Schweiz, für die mehr als 500 Schweizer Firmen befragt wurden – vom Weltkonzern bis zum KMU.
«Der Befund ist alarmierend», sagt Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International Schweiz. Schweizer Firmen hätten in den letzten Jahren zwar einiges getan, um Korruption zu bekämpfen. «Gleichwohl scheinen sie aktuell gleich häufig oder sogar noch häufiger korrupt zu handeln als vor zehn Jahren.»
Nur elf Verurteilungen in 20 Jahren
Korruption – auch im Ausland – ist durch das Schweizer Gesetz verboten. Wer Bestechungsgelder zahlt, macht sich strafbar. Gleiches gilt, wenn eine Firma zu wenig unternimmt, um sie zu verhindern. Zu Verurteilungen kommt es jedoch äusserst selten. In den 20 Jahren, seit es den Straftatbestand gibt, gerade mal in elf Fällen – obwohl Hunderte Firmen in Korruption verwickelt sind, wie die Studie jetzt zeigt. «Der Vollzug des Strafgesetzes funktioniert eindeutig nicht gut genug. Und wenn Unternehmen wenig zu befürchten haben, schmälert das auch die abschreckende Wirkung», sagt Hilti.
Die Studie fusst auf den Angaben der Unternehmen selbst. Korruption sei nicht nur ein Problem für die betroffenen Länder, sondern auch für die Schweizer Firmen, sagt Hilti. «Sie machen sich erpressbar. Einmal im Teufelskreis drin, kommen sie kaum mehr raus. » Die Korruption falle auf sie zurück.
Die NGO Transparency International Schweiz nennt drei Felder, in denen der Kampf gegen Korruption im Ausland verstärkt werden müsste:
- In den Unternehmen: «Viele müssen die Prävention verbessern», sagt Hilti. Ein Viertel aller befragten Firmen haben gemäss der Studie keinerlei Verhaltensrichtlinien im Umgang mit Korruption und Bestechungsversuchen. Die Hälfte hat keine unabhängige Meldestelle. Bei jedem dritten Unternehmen fehlt zudem ein klares Bekenntnis der obersten Leitung, dass Korruption unter keinen Umständen toleriert wird.
- In der Strafverfolgung: Korruption ist ein Offizialdelikt, das von Amtes wegen verfolgt werden muss. Doch die Verfolgung ist schwierig und aufwendig. «Umso wichtiger sind Selbstanzeigen von Firmen», sagt Martin Hilti. Damit das öfter geschieht, müssten die Straverfolgungsbehörden festlegen, wie sie in solchen Fällen vorgehen, dies den Unternehmen aufzeigen und für sie Rechtssicherheit schaffen. «Ohne diese Klarheit wird kaum eine Firma auf die Behörden zugehen wollen.»
- Im Parlament: Vor allem sei aber auch der Gesetzgeber gefordert. Um Selbstanzeigen von Firmen zu fördern, brauche es «unter sehr engen Bedingungen» die Aussicht auf Straffreiheit. Wie das Länder wie Grossbritannien, die USA oder Frankreich schon länger mit Erfolg tun – oder in der Schweiz die Wettbewerbskommission im Bereich des Kartellrechts. Weiter brauche es einen besseren Schutz von Whistleblowern , sagt Hilti. «Sie sind entscheidend, ob Korruption aufgedeckt werden kann.»
Nationalrat will Whistleblower nicht besser schützen
Was den Schutz von Whistleblowern anbelangt, hat der Nationalrat jedoch entschieden, dass sich an der heutigen Situation nichts ändern soll. In der aktuellen Frühjahrssession lehnte er einen Vorstoss von Ruedi Noser (FDP) ab. Darin forderte der inzwischen zurückgetretene Zürcher Ständerat, dass Whistleblower weniger einfach belangt werden können, wenn sie ihre eigene Firma belasten.
Der Ständerat hatte dem Vorstoss im Herbst noch zugestimmt. Der Nationalrat versenkte jetzt das Anliegen mit 125 zu 60 Stimmen. Es ist somit vom Tisch. Ebenso wie der zweite Punkt des Vorstosses, der die maximal möglichen Bussen für Firmen in einem Strafverfahren erhöhen wollte – zum Beispiel bei Korruption. Heute beträgt sie fünf Millionen Franken.
Martin Hilti von Transparency spricht von einer verpassten Chance: «Solange Whistleblower nicht genügend gesetzlich geschützt sind, darf es nicht erstaunen, dass nur wenige bereit sind, die damit verbundenen Risiken auf sich zu nehmen.» Höhere Bussen hätten für Firmen abschreckende Wirkung gehabt. «Wie nötig das wäre, zeigt unsere neue Studie.»