Veröffentlicht am 10. August 2022 - 12:13 Uhr
«Der Gesetzgeber hat Vorschriften erlassen, wie wir in der Strafverfolgung mit dem Machtmonopol umgehen müssen. Es ist die Sache des Staates, diese Regeln einzuhalten. Wenn der Staat dies nicht macht, verliert er an der grundlegendsten Legitimation und an der Glaubwürdigkeit.
Es ist dem Bürger, in diesem Fall Herrn R., nicht übelzunehmen, wenn er sich gegen ungesetzliches Handeln der Strafverfolgung wehrt. […]
Die heutige Verhandlung, Herr R., soll also auch dazu dienen, dass man Ihnen wieder das Vertrauen in einen funktionierenden Rechtsstaat zurückgibt. Nicht zuletzt deswegen hat die Staatsanwaltschaft die Anklage nicht zurückgezogen.»
Aus dem Parteivortrag der anklagenden Staatsanwältin im Fall gegen Walter Reizel*
Herr R. ist Walter Reizel* (Name geändert), er ist 54, verheiratet und Vater zweier Kinder. Seit über drei Jahrzehnten arbeitet er in der Flugzeugindustrie in einer Vertrauensposition, sein Leumund ist tadellos. Bis auf eine Geschwindigkeitsübertretung ist er nie polizeilich aufgefallen. Er ist ein rundum unbescholtener Bürger. Bis ihn die Zuger Polizei verhaftet.
Am 19. April 2017, morgens kurz nach sechs Uhr, klingelt es an Reizels Wohnungstür. Draussen stehen drei Polizisten, die einen Hausdurchsuchungsbefehl und einen Haftbefehl vorweisen. Der Vorwurf: Er sei am 25. März 2017 mit seinem Motorrad mit mindestens 191 Kilometern pro Stunde auf der Autobahn A4a Richtung Luzern unterwegs gewesen, habe einen Personenwagen bedrängt und dabei den rechten Fuss auf der Sozius-Fussraste platziert gehabt – was im Notfall eine Schnellbremsung verunmöglicht hätte. Danach habe er gegen die Seitentür des Autos getreten.