Gegen Wind und Wetter geschützt
Schlechtes Wetter ist heute kein Argument mehr gegen Sport im Freien. Mit der richtigen Kleidung kann man bei fast jeder Witterung fast alles machen.
aktualisiert am 14. November 2019 - 15:03 Uhr
Die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer muss sich nicht mehr Wind und Wetter aussetzen, um ihr tägliches Brot zu verdienen. Anderseits strömen Hunderttausende regelmässig in die winterlichen Berge zum Skifahren, Snowboarden, Langlaufen oder Schlitteln. Angefressene Jogger und Biker lassen sich auch bei tiefsten Temperaturen nicht davon abhalten, sich durch Matsch und Kälte zu kämpfen.
Mit gutem Grund: Wenn die Tage kürzer werden, ist Bewegung im Freien die beste Vorsorge gegen Winterdepressionen. Langlaufen, Velofahren, Wandern oder Joggen eignen sich hervorragend, um überflüssige Pfunde wegzuschmelzen. Ausserdem stärkt Ausdauersport das Immunsystem und schützt vor Grippe und anderen Infektionskrankheiten – sofern man sich wirksam vor dem Auskühlen schützt.
Während im Sommer normalerweise ein T-Shirt, Shorts und Turnschuhe als Basisausrüstung reichen, muss die winterliche Sportbekleidung vor allem funktional sein. Vorbei die Zeiten, wo sich nur Profi- und Extremsportler in hochwertige High-Tech-Textilien hüllten. Heute verlangt auch die breite Masse der Fitnesswilligen Sportbekleidung nach dem WWA-Prinzip: winddicht, wasserdicht und atmungsaktiv.
Traditionelle Materialien vereinigen immer nur einige der gewünschten Eigenschaften: Wolle wärmt zwar besser und ist auch atmungsaktiver als die meisten synthetischen Materialien, doch schon bei kleinen Regengüssen und Wind bietet sie keinen Schutz mehr.
Auch Baumwolle ist wärmer und atmungsaktiver als ein Fleecepulli. «Aber bei starkem Schwitzen speichert Baumwolle die Feuchtigkeit», sagt Markus Weder von der Abteilung Textilien der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) in St. Gallen. «Das führt zu unangenehmer und im Extremfall sogar zu gesundheitsschädlicher Auskühlung.» Klassische Regenjacken sind vielleicht hundertprozentig wasser- und winddicht, aber höchstens so atmungsaktiv wie ein Gummistiefel – Hitzestaus bei Anstrengung sind programmiert.
«Ein nasses T-Shirt ist nicht nur unangenehm, sondern führt im Extremfall sogar zu gesundheitsschädlicher Auskühlung.»
Markus Weder, Projektleiter bei der Empa
Entsprechend gross ist das Interesse von Hobbysportlern an funktionellen Textilien. Gemeint sind High-Tech-Materialien, die einerseits wind- und wasserdicht sind, anderseits die Feuchtigkeit, die der Körper abgibt, gut entweichen lassen. Das Fachblatt «Schweizer Sport und Mode» schätzt den Umsatz mit atmungsaktiver Kleidung in der Schweiz auf knapp 120 Millionen Franken pro Jahr – Produkte der spezialisierten Hersteller von Ski- und Snowboardbekleidung nicht mitgerechnet. Die Vielzahl von Anbietern macht es fast unmöglich, seriöse Kaufempfehlungen für einzelne Hersteller oder Produkte zu nennen. Es gibt aber Richtlinien zur Beurteilung von Allwetterkleidern .
Bekleidung, die wasserdicht, winddicht und atmungsaktiv ist, soll es möglich machen, dass der verdampfte Schweiss zwar entweichen, von aussen aber kein Regenwasser eindringen kann. Die besten Eigenschaften haben Textilien aus mehrlagigen Teflon- oder Polyestermembranen. Die Poren der Membranen sind wesentlich kleiner als ein Wassertropfen, aber grösser als ein Dampfmolekül.
Auch wasserabweisende Stoffe aus Polyester sind gemäss Empa zufriedenstellend atmungsaktiv. Allerdings schwankt die Qualität der Beschichtung stark. Ist die Beschichtung zu dick, ist die Jacke kaum atmungsaktiv; ist die Beschichtung zu dünn, kommt Wasser durch. Mikrofaserstoffe wie Polyamid oder Polyester sind zwar nicht sehr wasserdicht, aber ausreichend winddicht und sehr atmungsaktiv.
Wer sich wetterfeste Kleidung zulegen will, sollte neben der Stoffqualität auf die Verarbeitung achten: Ein hochwertiger Stoff bringt nichts, wenn das Regenwasser durch Reissverschlüsse und Nähte sickert. Die Nähte sollten verschweisst oder abgeklebt und die Reissverschlüsse abgedeckt sein. Doch das Versiegeln der Nähte ist nur in aufwändiger Handarbeit möglich und aus diesem Grund entsprechend teuer.
Laut Markus Weder ist für Laien kaum erkennbar, ob eine Naht sauber abgedichtet ist. Immerhin: «Die teuren Produkte renommierter Marken weisen eine durchwegs gute Qualität auf. Bei No-name-Produkten hingegen weiss man nie, wie gut sie sind.» Neben Material und Verarbeitung sind weitere Qualitätsfaktoren von Bedeutung:
- Je nach Einsatzbereich können abnehmbare oder fest montierte Kapuzen, verschliessbare Belüftungsschlitze unter den Armen, am Rücken oder an der Seite von grossem Nutzen sein.
- Jacken mit herausnehmbaren Innenwesten sind auch bei grössten Temperaturschwankungen flexibel einsetzbar.
- Kevlar- oder Corduraverstärkungen an besonders beanspruchten Stellen garantieren eine längere Lebensdauer der kostbaren Outdoor-Textilien.
Das wichtigste Kriterium für eine Outdoor-Jacke ist laut Empa-Experte Weder, wie gut sie gegen Wind schützt. «Die Wärmeisolation nimmt bei luftdurchlässigen Materialien rapide ab: Bei Faserpelzen zum Beispiel reduziert sie sich von Windstille zu starkem Wind – etwa 50 Kilometer pro Stunde – auf einen Fünftel!»
Das bedeutet: Viele Fitnesswillige sind mit einer preisgünstigen Windjacke aus Mikrofasern gut bedient – denn bei Schneestürmen und andern Unwettern gehen wirklich nur die Abgebrühtesten nach draussen.
Die einfachste Methode, die Kleidung wechselnden Bedingungen anzupassen, ist zugleich die älteste: das Zwiebelschalenprinzip. Vor Urzeiten bereits von nordischen Nomaden angewendet, kam die Kombination von Transportschicht, variablen Wärmeschichten und einer Isolationsschicht in den dreissiger Jahren bei US-Militäreinheiten zum Einsatz. In der Nachkriegszeit fasste das Prinzip Schritt für Schritt in der Arbeits- und Sportbekleidungsbranche Fuss. Je nach Temperatur und Belastung können Schichten weggelassen oder hinzugefügt werden.
Selbst wenn es heute Jacken mit einer so genannten hydrophilen Innenschicht für schweisstreibende Tätigkeiten gibt: Fliesst der Schweiss wirklich in Strömen, hilft nur ein Rucksack mit trockener Kleidung (mindestens Unterhemd und Pulli).
Den grössten Teil unserer Körperwärme geben wir über den Kopf ab. Deshalb sollte man im Winter in jedem Fall eine Kopfbedeckung tragen. Bei schnellen Sportarten wie Biken, Skifahren oder Snowboarden sind zudem winddichte Mützen ratsam. Und nicht vergessen: Beim Wintersport sollte man immer eine trockene Mütze als Reserve dabei haben.
Velobrille und Skibrillen schützen die Augen vor Fahrtwind, Verletzungen und Entzündungen. Bei diffusem Licht oder Nebel sorgen gelbe oder rote Gläser für deutlich bessere Sicht. Entsprechend ist das Unfallrisiko kleiner und der Fahrspass grösser.
Für die Hände empfehlen sich grundsätzlich Fäustlinge mit wärmendem Innenhandschuh; gerade beim Schneesport sollten die Handschuhe wasserdicht sein. Wer jedoch auf die Bewegungsfreiheit des Fingerhandschuhs nicht verzichten will, kann bei extremen Temperaturen zusätzlich Seidenfingerlinge aus dem Motorradfachhandel unter den Handschuhen tragen. Der Effekt ist erstaunlich.
- Transportschicht:
Direkt auf die Haut gehört eine Transportschicht aus schnell trocknendem Material. Ziel: Sie soll den Schweiss von der Haut wegleiten und ein Auskühlen der Körperoberfläche verhindern. Für Allwettersportler empfiehlt sich funktionale Wäsche aus Polypropylen, Polyester oder PVC, da Naturfasern Feuchtigkeit aufsaugen wie ein Schwamm. Lediglich Materialien aus Seide bieten ähnlich hohe Funktionalität – aber zu noch höheren Preisen. - Wärmeschicht:
Über die Transportschicht gehört eine Wärmeschicht, die die Körperwärme speichert. Dafür eignen sich Fleece-, Woll- oder Flanellpullis. Auch hier ist bei schweisstreibender Tätigkeit eine transportfähige und schnell trocknende Kunstfaser vorzuziehen. Für Velofahrer gibt es spezielle Fleecekleider, die auf der Vorderseite und an den Armen gegen Wind abgedichtet und in der Rückenpartie besser belüftet sind. - Isolationsschicht:
Vor Wind, Regen und Schnee schützt die Isolationsschicht. Empfehlenswert sind winddichte, wasserabweisende und atmungsaktive Jacken mit abgedeckten Reissverschlüssen. Die Ärmelöffnungen sollten durch Gummizüge oder Klettverschlüsse abgedichtet sein. Die besten Eigenschaften weisen Membranen auf. Aber auch in den Sportabteilungen von Grossverteilern und Warenhäusern finden sich zu günstigen Preisen brauchbare Jacken aus Materialien wie Aquaguard, Thintech oder MPC-Tension.