Laut SBB gibt es «keine Verspätung» am Gotthard
Die SBB wollen Gotthardpendlern keine Rückerstattung aufs Abo gewähren. Die Interessenorganisation Pro Bahn wehrt sich.
Veröffentlicht am 24. August 2023 - 09:13 Uhr
Der Unfall im Gotthardtunnel behindert den Zugverkehr noch immer. Die Fahrt zwischen der Deutschschweiz und dem Tessin geht über die Bergstrecke und dauert rund eine Stunde länger. Kundinnen und Kunden, die vor dem 11. August ein Einzelticket gekauft haben, können bei den SBB eine Entschädigung von 25 Prozent einfordern .
Doch Pendlerinnen und Pendler mit einem Streckenabonnement oder einem GA gucken in die Röhre: Weil die SBB die Züge über die Passstrecke führen und das im Onlinefahrplan entsprechend kommunizieren, gelten die Züge nicht als verspätet. «Infolge des Gotthard-Basistunnel-Unterbruchs gilt ein neues Konzept für Reisezüge. Die Züge sind länger unterwegs, verkehren aber gemäss dem neuen Konzept pünktlich», erklärt Susanna Wittwer Klingler, Sprecherin der ÖV-Tariforganisation Alliance Swisspass.
Abo soll verlängert werden
Das will Pro Bahn Schweiz, die Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden des öffentlichen Verkehrs, nicht einfach hinnehmen. In einem Schreiben an Alliance Swisspass forderte die Organisation am 23. August die SBB auf, den Pendlerinnen und Pendlern auf der Gotthardstrecke entgegenzukommen. «Wer sich wegen der kurzen Basistunnel-Reisezeiten entschieden hat, zum Pendeln den Zug statt das Auto zu nehmen, wird jetzt von den SBB im Stich gelassen», sagt Guido Schoch, Mitglied des Zentralvorstands von Pro Bahn Schweiz. Denn wer jetzt gezwungen sei, wieder aufs Auto umzusteigen, könne sein Streckenabo oder GA maximal einen Monat hinterlegen. «Das genügt nicht», findet Schoch.
Pro Bahn Schweiz fordert, dass das Abo um einen Drittel der Laufzeit verlängert wird für Personen, die im Tessin respektive südlich des Gotthards arbeiten oder wohnen und ein GA oder Streckenabo für die Gotthardstrecke besitzen. Also maximal für die Dauer der Sperrung. Zudem sollen die SBB auch die Hinterlegung des Abos für die gesamte Zeit der Tunnelreparatur ermöglichen.
Beides sei einfach und unbürokratisch umsetzbar. Alternativ wäre eine entsprechende finanzielle Erstattung nötig. «Den betroffenen Kundinnen und Kunden muss man jetzt entgegenkommen. Es kann nicht sein, dass treue Bahnreisende vergrault werden, weil die ÖV-Branche auf ihren Regeln für den Normalfall beharrt», sagt Karin Blättler, Präsidentin von Pro Bahn Schweiz.
Spartickets sollen gültig bleiben
Zudem sollen die SBB kulant sein bei Spartickets, die in Verbindung mit einem internationalen Billett gekauft wurden. Diese sind laut den Bedingungen nicht rückerstattungsfähig. Wenn man aber – um einen internationalen Anschluss zu erwischen – eine frühere Verbindung nehmen müsse, gelte das Sparticket auf diesem Zug nicht. Es soll nach Ansicht von Pro Bahn Schweiz seine Gültigkeit behalten, auch wenn man eine andere Zugverbindung nehmen müsse.
Für Reisende mit Einzeltickets fordert Pro Bahn Schweiz, dass alle Tickets für Verbindungen im In- und Ausland, die durch die geänderten Fahrzeiten ungültig sind, entweder vollständig vergütet werden oder die SBB allfällige Mehrkosten übernehmen. Das gilt für Tickets, die vor dem Unfall gekauft wurden, wie auch für solche, die nach dem Unfall fälschlicherweise ausgegeben wurden.
Eine Stunde zu spät
Wer mehr als 60 Minuten zu spät ankommt, erhält 25 Prozent des Billettpreises erstattet.
Zwei Stunden zu spät
Wenn der Zug mehr als zwei Stunden Verspätung hat, kann man die Hälfte des Billettpreises zurückverlangen.
Alles Weitere zum Thema Zugverspätung und zu den Fahrgastrechten findet sich hier.