So klappt die Suche nach dem leiblichen Vater
Bei einer anonymen Spende ist die Suche nach dem Erzeuger schwierig. Aber nicht unmöglich.
Veröffentlicht am 16. November 2023 - 06:00 Uhr
Die Suche nach einem anonymen Spendervater kann mit DNA-Tests und Ahnenforschung gelingen. Acht Halbgeschwister haben so nach einer vierjährigen Recherche ihren Erzeuger gefunden. Mit diesen zehn Schritten gelangten sie zum Ziel.
1. DNA einsenden
Wer einen unbekannten Elternteil sucht, kommt an einem DNA-Test nicht vorbei. Dieser muss bei einem Anbieter wie Myheritage.ch, 23andme.com oder Familytreedna.com gemacht werden. Dafür braucht es Speichel, den man in ein Röhrchen spuckt. Dieses geht danach mit der Post an ein Labor im Ausland, das aus dem Speichel die DNA extrahiert. Die Datenschutzbestimmungen
der Anbieter sollten vorgängig studiert werden.
2. Die neuen Verwandten
Die Anbieter betreiben Datenbanken, die Treffer anzeigen. Das sind DNA-Verwandte, die sich ebenfalls bei diesem Anbieter mit ihrer DNA registriert haben. Das kann beispielsweise eine Cousine sein oder ein unbekannter Halbbruder. Per DNA kann der Verwandtschaftsgrad annähernd bestimmt werden: Je mehr autosomale DNA man mit jemandem teilt, desto näher ist man verwandt. Websites wie Dnapainter.com helfen, die Resultate einzuordnen.
3. Die Zweiteilung der Verwandten
Nun müssen aus Hunderten von Treffern die Verwandten väterlicherseits bestimmt werden. Dadurch kann man alle Verwandten mütterlicherseits, die bei der Vatersuche unwichtig sind, aussortieren und den Fokus auf das Umfeld des Spendervaters legen. Mithilfe der Datenbank können die gefundenen DNA-Verwandten nach mütterlicher oder väterlicher Abstammung sortiert werden. Um diese zwei Gruppen zu bilden, benötigt man idealerweise einen DNA-Test einer nahen Verwandten, die nicht mit dem Spendervater verwandt ist, etwa von der biologischen Mutter oder einem Geschwister der Mutter. Falls man ein Halbgeschwister hat, ermöglicht dessen DNA-Test ebenfalls eine Zweiteilung der Verwandten. Nach der Zweiteilung sollte man sich auf die 10 bis 15 nächsten Verwandten väterlicherseits konzentrieren. Sie sind für die weitere Suche relevant.
4. Der Chat mit den neuen Verwandten
Unter den nächsten väterlichen DNA-Verwandten in der Datenbank muss man die ansprechbaren herauspicken. Oft sind das diejenigen, die einen eigenen Stammbaum auf die Plattform hochgeladen haben. Solche DNA-Verwandten antworten eher, wenn sie über die Chat-Funktion der Datenbank angeschrieben werden. Man kann sich mit ihnen austauschen und nach deren Eltern, Grosseltern und Urgrosseltern fragen.
Auf diese Chat-Auskünfte ist man angewiesen. Denn bei der Vatersuche gibt es ein Datenschutzproblem : Die Zivilstandsämter sperren ihre Daten bis zu 120 Jahre lang aufgrund einer Verordnung des Bundes. Die Geburtenregister sind beispielsweise nur bis zum Stichtag 1.1.1900 öffentlich zugänglich. Biologische Nachkommen erhalten trotzdem Auskunft über ihre Vorfahren. Für Spenderkinder mit unbekanntem Vater gilt das aber nicht. Sie haben bei der Suche keinen Anspruch auf Auskunft über geschützte Daten möglicher Väter. Deshalb müssen Suchende auf die Grosseltern- und die Urgrosseltern-Generation ausweichen, um mit den Angaben aus der digitalen DNA-Datenbank in den gedruckten Kirchenbüchern und Unterlagen der Gemeindearchive weiterzuforschen.
5. Die Suche nach den unbekannten Grosseltern
Der Spendervater hat wie alle Menschen zwei Vorfahren: Mutter und Vater . Deshalb lassen sich die väterlichen DNA-Verwandten ( Schritt 3) ebenfalls in zwei Gruppen aufteilen: in die Familie der Grossmutter väterlicherseits und in die Familie des Grossvaters väterlicherseits. Diese Aufteilung in zwei Gruppen gelingt durch DNA-Vergleiche mithilfe der Datenbank. Welche Gruppe die Grossmutterseite abbildet und welche die Grossvaterseite, bleibt bis Schritt 8 unklar. Klar ist aber, dass es zwei Gruppen sind.
6. Der Stammbaum
Die Genetik (DNA) muss nun mit der Genealogie (Ahnenforschung) verknüpft werden. Dabei helfen die Daten aus Schritt 4. Es folgt eine langwierige Kleinarbeit am Stammbaum nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum, die lange dauern kann. Sachverständige können dabei unterstützen, was allerdings schnell über 1000 Franken kostet.
Yvonne Hausheer von Myswisspast.ch ist eine der wenigen in der Schweiz, die solche Dienste anbieten. Zuerst müssen die grossväterlichen und grossmütterlichen DNA-Vorfahren des Spendervaters in den Zivilstandsregistern gefunden werden. Die Papierspuren aller Vorfahren müssen mittels Stammbaum in Verbindung zueinander gesetzt und mit der Internetsuche abgeglichen werden. Die Namen der DNA-Verwandten eines Zweigs können mit Onlinesuchmaschinen wie Myheritage.com recherchiert werden. Für diese Onlineahnensuche-Portale wurden Kirchenbücher gescannt und Namensverzeichnisse angelegt.
7. Die Verifikation
Die klassische Ahnenforschung kann mithilfe von DNA-Tests überprüft werden. Wer von noch lebenden Verwandten seines Spendervaters erfährt, kann versuchen, sie über Facebook, Instagram oder Telefon zu kontaktieren. Allenfalls hilft einer dieser Stammbaum-Verwandten bei der Vatersuche und schickt seinen Speichel ebenfalls ein. Der Stammbaum-Verwandte wird so zu einem DNA-Verwandten, was Irrtümer aufdecken oder Vermutungen bestätigen kann.
8. Der Treffer
Wer lange recherchiert, wird mit etwas Glück herausfinden, durch welche Personen die beiden Familienzweige von Grossmutter und Grossvater miteinander verbunden sind. Diese Vorfahren sind vielleicht selbst nicht in der Datenbank. Aber: Das ist der Treffer. Nur er sichert, dass der gesuchte Spendervater aus der Verbindung dieser zwei Personen und ihren Verwandten stammt. Die Familie des Spendervaters ist gefunden.
9. Das Profiling
In der gefundenen Familie gibt es möglicherweise mehrere Personen, die als Spendervater in Frage kommen. Brüder, Onkel oder der Vater des Spendervaters. Jetzt muss man Ausschlusskriterien definieren. Etwa anhand des Jahrgangs: Der Samenspender muss zum Zeitpunkt der Zeugung ungefähr zwischen 20 und 40 Jahre alt gewesen sein. Alle älteren und jüngeren Männer fallen weg. Es bleiben idealerweise nur wenige mögliche Spender übrig. Ihre Namen muss man – sofern möglich – mit weiteren biografischen Angaben wie dem Wohnort verknüpfen. Häufig helfen Todesanzeigen dabei weiter. Digitalisierte Todesanzeigen finden sich, je nach Kanton, etwa bei E-newspaperarchives.ch oder bei Zeitungsarchiv.nzz.ch/archive. War in der Spenderfamilie jemand selbständig erwerbstätig, findet man seine Spuren möglicherweise im digitalisierten Handelsregister bei E-periodica.ch.
10. Die Kontaktaufnahme
Es bleiben eventuell mehrere Männer übrig, die der Vater sein könnten. Bevor aber jemand aus der Spenderfamilie kontaktiert wird, müssen zwingend die eigenen Erwartungen geklärt werden. Die Kontaktaufnahme mit dem Vater selbst, seinen offiziellen Kindern oder anderen Familienangehörigen muss gut überlegt sein. Die Botschaft des Spenderkindes kann in der Spenderfamilie viel auslösen, dessen muss man sich bewusst sein.
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