Sterben 2.0
Facebook, E-Banking oder Spotify – heute ist man auf vielen Internetseiten registriert. Doch was passiert mit all diesen Daten nach dem Tod? Eine Übersicht.
«Früher war alles besser und einfacher.» Diesen Satz hört man praktisch in allen Lebensbereichen. Auch Sterben war vor 30 Jahren anders als heute. Denn neben dem materiellen Erbe («Wer bekommt wie viel vom Nachlass?» ) muss man sich heute auch vermehrt Gedanken über das virtuelle – oder über das digitale – Erbe machen.
Fakt ist, dass immer mehr Leute das Internet und Social-Media-Kanäle nutzen und Dienstleistungen vermehrt online angeboten werden. «SwissID» ist ein Beispiel dafür, wie Nutzer sich digital gegenüber Shopping-Plattformen oder auch Behörden ausweisen können.
Wer einen Umzug hinter sich hat, kennt die Mühen, bei allen Online-Diensten die neue Wohnadresse zu hinterlegen. Noch aufwendiger ist es jedoch, wenn Angehörige die digitale Aktivität des Verstorbenen nachzeichnen müssen. Umso wichtiger ist es deshalb, sich schon zu Lebzeiten Gedanken darüber zu machen, was nach dem Tod mit den eigenen Daten geschehen soll. Und Angehörige sollten wissen, wie sie auch ohne Vorkehrungen des Verstorbenen sich im unüberblickbaren Datendschungel zurechtfinden können.
Über die Mail-Adresse wird so gut wie alles abgewickelt. Wer sich um die Nachlassverwaltung kümmert, hat es um einiges leichter, wenn die Zugangsdaten für das Mail-Konto bekannt sind, weil man dadurch auch Passwörter anderer Online-Dienste zurücksetzen kann. Darum ist es bereits die halbe Miete, wenn man die folgenden Punkte beachtet:
Diese Vorkehrungen können Sie treffen
- Schreiben Sie die Mail-Adresse und das Passwort auf und übergeben es einer Vertrauensperson. Sie können auch eine ausgedruckte Liste mit allen anderen Zugangsdaten erstellen. Die Checkliste «Aufbewahrungsort wichtiger Dokumente» listet auch Versicherungen sowie andere amtliche Dokumente auf, über die der Erblasser Hinweise geben kann.
- Wer nicht ständig daran denken möchte, die Zugangsdaten bei einem Passwortwechsel auf dem Papier zu ändern, verwendet am besten einen Passwort-Manager. Mit solchen Programmen muss man sich nur noch ein Passwort merken, welches die Vertrauensperson kennt. Soll die digitale Nachlassverwaltung in der Familie bleiben, wäre auch die gemeinsame Nutzung eines Familienkontos möglich. Passwort-Manager haben auch den Vorteil, dass über das Mail-Kennwort hinaus alle übrigen Passwörter für Online-Dienste gespeichert werden können.
- Digitale Aufbewahrungsdienste wie etwa SecureSafe bieten die Möglichkeit, dass ein Berechtigter nach dem Tod die Zugangsdaten für das Mail-Konto erbt. Die berechtigte Person ist zu Lebzeiten des Erblassers in Besitz eines Aktivierungscodes, mit dem die Daten nach einer Sperrfrist freigegeben werden. Der Dienst ist zusammen mit einem limitierten Passwort-Manager gratis, wenn bloss eine Person als Begünstigter gelten soll. Zusätzlicher Service kostet.
- Einige Mail-Provider bieten auch eigene Lösungen beim Tod des Kontoinhabers an. Der Inaktivitätsmanager von Google ist hier etwa sehr vorbildlich. Bei diesem kann man für seine Google-Konten (Gmail, Youtube, Drive, etc.) selber eine Zeitspanne für die Inaktivität definieren, nach der eine Reihe von Schutzmassnahmen automatisch ergriffen wird. Der Nutzer kann auch bestimmen, welche Daten für eine Drittperson freigegeben werden oder ob ein inaktives Google-Konto gelöscht werden soll. Bei Microsoft (dazu gehören Outlook, Skype oder OneDrive) lässt sich lediglich ein Familien-Konto erstellen, womit man die Aktivitäten der Kinder sowie die Sicherheit der Geräte kontrollieren, jedoch nicht eine Berechtigung für den Partner definieren kann. Und der Support von Swisscom empfiehlt seinen Kunden, dass man selber eine Vertrauensperson bestimmt, die im Todesfall über die entsprechenden Zugangsdaten verfügt.
- Sind die Verhältnisse komplizierter oder wollen Sie nicht, dass bestimmte Inhalte von den Erben gelesen werden können, lohnt sich die Einsetzung eines digitalen Willensvollstreckers (siehe Box «Digitaler Nachlass: Die erbrechtliche Regelung»). Dieser kann gemäss Anweisung das Postfach im Interesse des Verstorbenen verwalten oder nach einer definierten Zeit löschen.
So gehen Angehörige ohne Vereinbarungen vor
- Google stellt ein Antragsformular für Angehörige zur Verfügung. Mit diesem wird geprüft, ob das Konto des Verstorbenen entweder aufgelöst oder Zugriff auf Inhalte gewährt wird. Bei letzterem wird eine gerichtliche Verfügung in den USA erwirkt und bei beiden Gesuchen müssen ein Personalausweis und die Sterbeurkunde des Verstorbenen auf Englisch übersetzt und notariell beglaubigt werden.
- Auch Microsoft prüft nur dann die Herausgabe von Daten, wenn brieflich eine gerichtliche Verfügung eingeschickt wird. Dafür werden ein Todes- und Erbschein sowie unter Umständen weitere Dokumente verlangt.
- Das gleiche gilt bei der Swisscom, die ohne Dokumente keine Passwörter herausgibt.
- Bei GMX haben sich Angehörige an den Kundenservice zu wenden. Dieser prüft ebenfalls die vorhandenen Dokumente. Ohne Mitteilung wird das Konto nach sechs Monaten Inaktivität deaktiviert und nach weiteren sechs Monaten ganz gelöscht.
Angehörigen kann der Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen unvermittelt ins Bewusstsein gerufen werden, wenn auf dem Profil des Verstorbenen auf einmal Glückwünsche zum Geburtstag eingehen. Um dies zu verhindern, hat Facebook Massnahmen getroffen, die der Nutzer schon zu Lebzeiten treffen kann:
Diese Vorkehrungen können Sie treffen
- Facebook: Ein Mitglied kann sein Profil nach dem Tod entweder dauerhaft löschen, deaktivieren (Profilsperrung) oder es in den Gedenkzustand versetzen lassen (Vorgehensweise für alle Varianten über einen Desktop-Browser: Einstellungen → Konto verwalten → Bearbeiten). Bei der letzten Möglichkeit muss zu Lebzeiten ein Nachlasskontakt bestimmt werden. Der Nachlassverwalter kann beispielsweise das Profil- und Titelbild aktualisieren, auf neue Freundschaftsanfragen reagieren oder einen fixierten Beitrag für das Profil erstellen. Beim Namen des Verstorbenen wird automatisch «in Erinnerung an» vorangestellt. Facebook wird erst dann das Profil in den Gedenkzustand versetzen, wenn ein Freund oder enger Familienangehöriger ein Antragsformular ausfüllt. Besprechen Sie mit dem Nachlassverwalter das Vorgehen sowie Wünsche bei der Profilpflege.
So gehen Angehörige ohne Vereinbarungen vor
- Facebook: Über ein Formular können Angehörige beantragen, dass Facebook das Konto des Verstorbenen in den Gedenkzustand versetzt oder entfernt. Dafür muss der Antragstellende nachweisen, dass er ein direktes Familienmitglied ist bzw. als Nachlassverwalter bestimmt wurde. Facebook verlangt zwingend eine Sterbeurkunde als Scan.
- Twitter: Um ein Konto zu löschen, können enge Familienmitglieder oder eine im Nachlass bevollmächtigte Person einen Antrag stellen. Die Person muss die Beziehung zum Nutzer offenlegen und erhält daraufhin eine Mail, in der man Angaben zum Verstorbenen machen muss und eine Sterbeurkunde beilegt. Der Antragsteller muss zusätzlich eine Kopie des Personalausweises beilegen. Twitter wird, egal aus welchen Gründen, nie Login-Daten herausgeben und beschränkt sich bei einer solchen Meldung auf die Löschung des Accounts.
- LinkedIn: Auch beim beruflichen Netzwerk funktioniert das Entfernen eines Profils mittels Formular. Neben den Angaben zum verstorbenen Mitglied verlangt LinkedIn ein Todesdatum, einen Link zur Todesanzeige oder zu einem Zeitungsartikel, der den Tod bescheinigt, sowie den Namen der Firma, bei der der Verstorbene zuletzt tätig war. Nach dem Ausfüllen kontaktiert das soziale Netzwerk den Antragsteller.
- Instagram: Ein direktes Familienmitglied hat zwei Möglichkeiten, wie mit einem Konto umgegangen werden soll. Wird gewünscht, dass die Inhalte ganz verschwinden, kann man per Formular eine Kontoentfernung beantragen. Hierzu benötigt Instagram eine Geburts- und Sterbeurkunde des Verstorbenen sowie einen Nachweis, dass der Antragsteller als rechtmässiger Vertreter zu dieser Aktion befähigt ist, zum Beispiel mittels Erbschein. Bei der zweiten Option kann das bestehende Konto in den Gedenkzustand via Antrag gesetzt werden. Der Unterschied zwischen einem Konto im Gedenkzustand und einem normalen Konto besteht einzig darin, dass keine Änderungen mehr vorgenommen werden können. Geteilte Beiträge bleiben verfügbar und für die Zielgruppe weiterhin sichtbar, ebenso «Gefällt mir»-Angaben, Markierungen, Kommentare und Abonnenten. Aussenstehende erkennen Konten im Gedenkzustand nicht. Sie werden jedoch nicht im Abschnitt «Entdecken» angezeigt. Instagram weist auf seine Richtlinien hin, dass ein inaktives Konto nicht einfach durch einen Angehörigen übernommen werden darf.
Im Verlaufe des Lebens hinterlässt man viele Spuren , die über die Suchmaschine immer noch gefunden werden. Das kann unter Umständen unangenehm sein, wenn die Witwe noch Jahre nach dem Tod des Ehemanns wegen dessen ehrenamtlicher Tätigkeit als Vereinspräsident kontaktiert wird. Oder wenn aufgrund eines alten Online-Artikels angefragt wird, ob der Verstorbene immer noch Aufträge als Selbständiger entgegennimmt. Hier ist die erste Anlaufstelle für Löschungsanträge sicherlich der Seitenbetreiber. Hat der Verstorbene selber eine Webseite unterhalten, sollte der Hosting-Provider kontaktiert werden. Ist dieser nicht bekannt, kann man auf www.nic.ch herausfinden, bei welchem Anbieter (Registrar) die Seite eingetragen wurde. Der Registrar wird im Normalfall auch der Hosting-Provider sein.
Ab einem gewissen Punkt kommt man an Google aber nicht vorbei. Angehörige machen die Probe aufs Exempel, indem sie den Namen des Verstorbenen in die Suchmaschine (ebenfalls auf Yahoo und Bing) eingeben und alle unerwünschten Treffer auflisten. Google bietet für die Löschung von Einträgen ein eigenes Datenschutz-Formular an. Dort muss der Antragsteller sich mithilfe eines Dokuments ausweisen, damit für Google ersichtlich wird, in welcher Beziehung man zum Verstorbenen steht (Familienangehöriger, Willensvollstrecker, Anwalt, etc.). Beim Entfernungsgrund kann man neben dem Ableben des Betroffenen weitere Gründe angeben.
In einem Todesfall sperrt die Bank meist das Konto . Damit die Bank das Konto schneller freigibt, kann man zu Lebzeiten gewisse Vorkehrungen treffen. Auch beim Online-Banking wird das Konto im Erbfall gesperrt – zumindest bis die Erben sich mit einem Erbschein ausweisen können und alle mit der Aufhebung der Sperrung einverstanden sind. Um Einblick in die Kreditkartenabrechnungen zu erhalten, können die Erben sich auf ihr umfassendes Auskunftsrecht berufen. Letztendlich ist aber auch bei der Kreditkarte ein Erbschein nötig, um wirklich handlungsfähig zu werden und den Vertrag mit dem Kreditinstitut zu beenden.
Schwierigkeiten können beim Online-Bezahldienst Paypal oder ähnlichen Angeboten auftreten. Denn die Erben wissen unter Umständen gar nicht, dass ein Paypal-Konto existiert. Wer Zugang zur registrierten Mail-Adresse hat, kann dies jedoch herausfinden, da Paypal monatlich ein Mail verschickt, wenn ein Guthaben auf dem Konto vorhanden ist.
Viele Dienste wie Spotify oder Netflix laufen über ein monatliches Abo, die meistens über eine hinterlegte Kreditkarte abgerechnet werden. Sind die Zugangsdaten bekannt, kann man den Service einfach kündigen. Wenn nicht, wird der Kundendienst weiterhelfen können.
Abonnemente mit jährlicher Abrechnung sind für Angehörige weitaus schwieriger aufspürbar. Dazu gehört etwa eine wiederkehrende Lizenzgebühr für die Office 365-Anwendungen. Um die Zahlung zu deaktivieren, ist es auch wieder von Vorteil, wenn das Microsoft-Passwort des Verstorbenen bekannt ist. Eine Anleitung von Microsoft erklärt, wie man in diesem Fall vorgehen kann.
Der Erblasser kann darüber verfügen, was mit seinen online gespeicherten Fotos, Videos oder Blogs passieren soll. So könnte er bestimmen, dass sein Blog weiterhin öffentlich zugänglich bleiben soll, die Videos auf Youtube jedoch gelöscht werden müssen (siehe Inaktivitätsmanager von Google unter «Mail-Konto» oben) und seine Tochter alle Fotos erhält.
Damit diese Anweisungen auch befolgt werden, ist es empfehlenswert, einen Willensvollstrecker damit zu beauftragen. Wenn der Erblasser nichts vorkehrt, fallen all diese Dateien an seine Erben, die darüber verfügen können. Hier stellen sich wiederum die Probleme mit den Zugangsdaten. Mit einem Erbschein sollte es allerdings auch bei Cloud-Diensten möglich sein, Zugriff zu erlangen.
Digitale Daten, die auf einem lokalen Datenträger gespeichert sind, fallen zusammen mit anderen Vermögenswerten in die Erbmasse. Gemäss Erbrecht wird eine Erbschaft als Ganzes auf die Erben übertragen. Soll beispielsweise der Ehepartner den Laptop erben, muss der Erblasser zusätzlich Anweisungen mitgeben, wenn er über den Tod hinaus die Verwendung der darauf gespeicherten Daten bestimmen will. Der Auftrag, wer sich wie um die Daten kümmert, muss in das Testament integriert werden. Dieses muss handschriftlich verfasst sein oder öffentlich beurkundet werden. Einen digitalen Willensvollstrecker sollte man dann einsetzen, wenn die Erben nur zu einem Teil der Daten Zugang erhalten sollen. Eine Musterformulierung, wie man den Willensvollstrecker beauftragen kann, das Mail-Postfach zu verwalten, findet man bei Guider.
Bei digitalen Daten, die nicht lokal, sondern im Internet gespeichert sind, reichen die rechtlichen Regelungen oft nicht aus. Denn wie so oft hinkt das Gesetz den tatsächlichen Verhältnissen hinterher. Hinzu kommt, dass viele Anbieter ihren Sitz im Ausland haben und unklar ist, welches Recht überhaupt anwendbar ist. Gerade bei Daten zu Mail-Konten verweisen viele Provider auf den Persönlichkeits- und Datenschutz. Zu Unrecht, denn juristisch gesehen endet die Persönlichkeit mit dem Tod, und auch der Datenschutz verliert seine Wirkung. Entsprechend können nicht die Interessen des Toten selber eine Ablehnung des Auskunftsgesuchs rechtfertigen, sondern nur die Interessen Dritter, wozu auch die Angehörigen selber zählen.
Im ZGB steht, welche Hinterbliebenen wie viel erben. Das Gesetz lässt aber auch Raum für eine Abänderung dieser Regeln via Testament, Ehe- und Erbvertrag zu. Erhalten Sie als Beobachter-Mitglied hilfreiche Mustervorlagen und praktische Merkblätter, die Ihnen die gesetzlichen Pflichtteile beim Erben einfach aufzeigen.