Geldwäsche: Die Schweiz als Drehscheibe
Über eine halbe Milliarde Dollar fragwürdiger Herkunft sind über verschlungene Wege aus Russland in die Schweiz gelangt. Das zeigen Recherchen eines Mediennetzwerks, dem der Beobachter angehört.
aktualisiert am 20. März 2017 - 19:00 Uhr
Das Gebäude in Genf ist unscheinbar. Boulevard Emile-Jaques-Dalcroze Nr. 7. Genauso diskret ist die Bank, die hier ihren Hauptsitz hat: die Privatbank Compagnie Bancaire Helvétique.
Was hinter diesen Mauern passiert, erfährt die Öffentlichkeit selten. Der Name Compagnie Bancaire Helvétique taucht fast nie in der Presse auf. Ab und zu, weil die französische Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass der Gründer des rechtsextremen Front National, Jean-Marie Le Pen, hier über eine Treuhandgesellschaft 2,2 Millionen Euro versteckt haben soll. Oder weil die US-Ermittlungsbehörden vermuten, dass hier Gelder stecken aus einem Korruptionsskandal um die staatliche Erdölgesellschaft Petróleos de Venezuela – und deshalb ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz gestellt haben.
In den vergangenen Monaten recherchierten 61 Journalisten in 32 Ländern, darunter Journalisten des Beobachters, zum Thema Geldwäsche. Geldwäsche, die auch über den Finanzplatz Schweiz stattfindet.
Dabei geht es um mehr als 20 Milliarden Dollar russischen Geldes aus teils fragwürdiger Herkunft, mutmasslich erwirtschaftet durch Korruption, Steuerhinterziehung und organisierter Kriminalität. Behandelt wurde es im «Russian Laundromat» (russische Waschmaschine), einem seit 2014 bekannten Geldwäsche-System in Moldawien und Lettland. Das teils schmutzige Geld wurde im Auftrag von mittlerweile gelöschten Briefkastenfirmen über die moldawische Moldindconbank und die lettische Trasta Komercbanka ins europäische Bankensystem transferiert.
Eine anonyme Quelle spielte nun Medienschaffenden Dokumente über Kontenbewegungen und Firmenstrukturen zu, nämlich dem internationalen Reporter-Netzwerk OCCRP («Organized Crime and Corruption Reporting Project») und der regierungskritischen russischen Zeitung «Nowaja Gaseta» (siehe «Die Recherche-Kooperation»). Die Dokumente zeigen: Mehr als 600 Millionen Dollar flossen, gestückelt in über 1000 Transaktionen, in die Schweiz – auf Konten bei insgesamt 45 Banken.
Der Beobachter konnte mehrere Fälle rekonstruieren, in denen die Transaktionen im Zusammenhang mit tatsächlich existierenden Warenlieferungen standen. Es geht um kleine und mittelständische Schweizer Unternehmen, die beispielsweise Armbanduhren, Industrieanlagen oder Zubehör für die Automobilbranche nach Russland lieferten. Scheingeschäfte und reale Geschäfte wurden clever vermischt, um die Herkunft des Geldes zu verschleiern.
Feinwaschgang
Auch Alexei Krapiwin müsste in der Kundenkartei der Compagnie Bancaire Helvétique stehen. Krapiwin ist der wirtschaftlich Berechtigte von Redstone Financial Ltd, einer Firma, die bei der Privatbank ein Konto hat. Zwischen 2011 und 2014 wurden mehr als 270 Millionen Dollar auf Konten der Briefkastenfirma Redstone Financial Ltd., domiziliert im zentralamerikanischen Belize, und der panamaischen Offshore-Gesellschaft Telford Trading S. A. bei der Compagnie Bancaire Helvétique transferiert. Zum Vergleich: Die Privatbank verfügte 2014 über eine Bilanzsumme von umgerechnet 2,3 Milliarden Dollar.
Auf Anfragen des Beobachters reagiert die Bank nicht. Sie müsste eigentlich einiges über ihren russischen Kunden Alexei Krapiwin wissen. Denn die Banken sind schon seit Jahren gesetzlich verpflichtet, bei Aufnahme einer Geschäftsbeziehung den wirtschaftlich Berechtigten hinter einer Vertragspartei zu identifizieren. Für die Beteiligten gilt die Unschuldvermutung.
Tatsächlich ist Alexei Krapiwin kein Unbekannter. Seine Familie verfügt über ein Firmenimperium in der Baubranche, und hält Beteiligungen an verschiedenen Banken. Auf Facebook bezeichnet er sich als Generaldirektor eines russischen Unternehmens. Er posiert im schwarzen Smoking, mit Dutzenden roter Rosen im Arm. Krapiwins Beziehungsnetzwerk reicht dank seinem Vaters Andrei bis in den Dunstkreis des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Krapiwin senior war bis zu seinem Tod 2015 in der Schweiz ein enger Vertrauter des ehemaligen Chefs der russischen staatlichen Eisenbahngesellschaft, Wladimir Jakunin, und kam, wie Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters zeigen, zu Grossaufträgen der Russian Railways. Alexei Krapiwin war für einen Kommentar nicht zu erreichen.
«Gemäss der vorliegenden Fakten hat die Bank gegen den Tatbestand der Geldwäscherei verstossen.»
Viorel Morari, Leiter der in Moldawien für Geldwäschedelikte zuständigen Staatsanwaltschaft
Die über Lettland und die Moldau gewaschenen Gelder landeten bei einer Reihe von britischen Briefkastenfirmen (siehe Grafik unten). Eine Firma ist die Ronida Invest LLP , eingetragen ins Handelsregister am 6. Februar 2008 in Birmingham. Zwei ukrainische Staatsbürger amtierten als Strohmänner. Die Hausbanken der Firma waren die Moldindconbank und die Trasta Komercbank. Ronida Invest LLP überwies im Schnitt rund eine Million Dollar auf das Konto der Redstone Financial Ltd. bei der Genfer Privatbank Compagnie Bancaire Helvétique, 75-mal mit demselben Zahlungszweck. Fast täglich wurden Überweisungen getätigt, nie aber an russischen Feiertagen, wie zum Beispiel an den Mai-Feiertagen oder am Tag Russlands im Juni. Ein weiteres Indiz, dass die Hintermänner aus Russland kommen.
Auf der Seite des Zahlungsempfängers, Redstone Financial Ltd., vervollständigen Dokumente aus Panama das Puzzle: Gemäss Unterlagen der Kanzlei Mossack Fonseca ist Alexei Krapiwin über die Gordox Corp. der wirtschaftlich Berechtigte von Redstone Financial Ltd. und damit Empfänger des Geldes fragwürdiger Herkunft. Seit über 40 Jahren verkauft Mossack Fonseca anonyme Briefkastenfirmen, meist ausgestattet mit Scheindirektoren, um zu verschleiern, wer sich dahinter verbirgt. Die Dokumente von Mossack Fonseca wurden über Monate von einer anonymen Quelle an die «Süddeutsche Zeitung» weitergegeben.
Der Fall Krapiwin
Die Köpfe hinter der «Russian Laundromat» machten sich die Schwäche des moldawischen Rechtsstaats nach dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der neunziger Jahre zunutze. Über den Weg durch Moldawien haben die Gelder einen legalen Charakter erhalten.
Anfang April sollen die Ermittlungen gegen den Gründer der Moldindconbank beendet sein. «Er hat das Schema initiiert. Gemäss der vorliegenden Fakten hat die Bank gegen den Tatbestand der Geldwäscherei verstossen», sagt Viorel Morari, Leiter der in Moldawien für Geldwäschedelikte zuständigen Staatsanwaltschaft. Die Bank reagierte auf Anfragen nicht. Ebenfalls im Zentrum der Ermittlungen stehen 16 Richter, einer ist zur Fahndung ausgeschrieben, ein anderer inzwischen verstorben. Ermittelt wird zudem gegen vier Gerichtsvollzieher. Bereits abgeschlossen sind Ermittlungen gegen vier leitende Angestellte der moldawischen Nationalbank.
«Das russische Geldwäsche-System kann zum grössten publik gewordenen Fall von Geldwäscherei in Europa werden.»
Daniel Thelesklaf, Vorsitzender des Geldwäscherei-Ausschusses des Europarats und Leiter der Liechtensteiner Finanzermittlungsbehörde
«Kriminelle haben die Schwächen der Moldau gnadenlos ausgenützt», sagt auch Daniel Thelesklaf, Vorsitzender des Geldwäscherei-Ausschusses des Europarats und Leiter der Liechtensteiner Finanzermittlungsbehörde (siehe Interview unten). Er schätzt die Kosten für die Republik Moldau auf umgerechnet eine Milliarde Dollar. Viel Geld für eines der ärmsten Länder Europas mit einem Bruttoinlandprodukt von rund acht Milliarden Dollar.
Über die Hintergründe der systematischen Geldwäsche will Staatsanwalt Morari nichts sagen. «Die Gelder, die durch das moldawische Bankensystem geflossen sind, stammen von Konten russischer Firmen», bestätigt er aber. Seine Behörde habe drei Rechtshilfegesuche an Russland gestellt. «Bis jetzt wurde erst ein Gesuch beantwortet, allerdings nur teilweise; und die zur Verfügung gestellten Dokumente waren für uns nicht interessant.»
Russland ist im Umgang mit Moldawien wenig zimperlich. Mitte März reiste der Moldauer Vize-Bundesanwalt Iurie Garaba auf Einladung in die russische Hauptstadt. Grenzbeamte stoppten ihn am Flughafen. Er wurde verhört. Die Schikane steht wohl im Zusammenhang mit den Ermittlungsbemühungen zur Aufklärung des russischen Geldwäsche-Systems «Russian Laundromat». Offiziell gibt sich Russland höflich. Das russische Aussenministerium lässt sich von der Nachrichtenagentur Reuters aus einer E-Mail zitieren: «Wir bestätigen unsere Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit mit der moldawischen Seite, um alle komplexen Fragen zu lösen.»
Ins europäische Bankensystem gelangen die Gelder über die lettische Bank Trasta Komercbanka. Lettland ist seit 2004 Mitglied der Europäischen Union. Vor einem Jahr wurde der Trasta Komercbanka auf Antrag der lettischen Aufsichtsbehörde FCMC die Banklizenz entzogen. Das Geldinstitut stand wiederholt in Zusammenhang mit Vorwürfen der Geldwäscherei. Die Bank reagierte auf Anfragen nicht. Trasta Komercbanka wird von einer internationalen Anwaltskanzlei mit Büros in Frankfurt am Main vertreten. Die Kanzlei gibt keine Auskunft.
Der Compagnie Bancaire Helvétique tun es einige der 45 betroffenen Finanzinstitute in der Schweiz gleich, sie schweigen. Die anderen können kaum Angaben machen, verweisen auf das Bankgeheimnis. Immerhin wird klar: Mehrere Banken haben Anfang 2015 wegen verdächtigen Transaktionen eine Meldung bei der Geldwäscherei-Meldestelle MROS in Bern erstattet. Mehrere Wirtschaftsforensiker bestätigen: «Bei den 45 Banken müssten alle Alarmglocken läuten.»
Wenig auskunftsfreudig geben sich die Schweizer Behörden. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft gibt einsilbig Auskunft, dass die Schweiz «weder ein Verfahren führt noch mit Rechtshilfeersuchen befasst ist.» Der zuständige moldawische Staatsanwalt bestätigt, dass es einen Austausch von Informationen mit der MROS gebe. Das Bundesamt für Polizei Fedpol, dem die MROS angeschlossen ist, will den Sachverhalt nicht kommentieren. Die Aufsichtsbehörde Finma antwortet in drei Sätzen vergleichsweise ausführlich: «Wir haben Kenntnis von der Thematik. Wir stehen in dieser Sache im Rahmen unserer Aufsichtstätigkeit mit einigen Banken in Kontakt. Wir äussern uns nicht weiter zu Details oder zu Namen einzelner Banken.»
Die Recherche-Kooperation
Die dieser Recherche zugrundeliegenden Dokumente stammen aus anonymen Quellen. Sie wurden dem Reporter-Netzwerk OCCRP («Organized Crime and Corruption Reporting Project») und der regierungskritischen russischen Zeitung «Nowaja Gaseta» zugespielt. An der aktuellen Recherche zum «Worldwide Laundromat» sind 61 Journalisten in 32 Ländern beteiligt, unter ihnen auch Journalisten des Beobachters. Der «Worldwide Laundromat» vertieft Recherchen des Netzwerks, die im Jahr 2014 unter dem Titel «Russian Laundromat» ein komplexes System zur Geldwäsche aufgedeckt haben.
Lesen Sie dazu auch die Artikel unserer internationalen Kolleginnen und Kollegen:
- OCCRP
- Nowaja Gaseta (Russland)
- Berlingske (Dänemark)
- The Guardian
- Süddeutsche Zeitung
- DOSSIER (Österreich)
- De Correspondent (Niederlande)
- 15min. (Lettland)
- Newsweek Polska (Polen)
- Vice Griechenland
- Delo (Slowenien)
- Investigace (Tschechien)
- RISE (Moldawien)
- Yle Areena (Finnland)
- Korea Center for Investigative Journalism
Ermittler Daniel Thelesklaf sagt: Das russische Geldwäsche-System, bekannt als «Russian Laundromat» oder russische Waschmaschine, kann zum grössten publik gewordenen Fall von Geldwäscherei in Europa werden.
Beobachter: Mit Hilfe der «Russian Laundromat» wurde über mehrere Jahre hinweg grosse Summen Geld unklarer Herkunft auf undurchsichtigen Wegen verschoben – auch in die Schweiz. Was steckt dahinter?
Daniel Thelesklaf: Zunächst einmal: In Russland ist es normal, dass grössere Summen Geld verschoben werden. Nach dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der neunziger Jahre entstand ein neuer Wirtschaftsraum. Innerhalb von 25 Jahren wuchs das Privatvermögen von null auf ein Milliardenvolumen. Überall, wo der Rechtsstaat nicht robust ist, haben gerade Vermögende das Bedürfnis, ihr Geld in Sicherheit zu bringen. Dafür werden auch ungewöhnliche Wege genutzt. Das Problem für uns Ermittler ist: Wo ist die Grenze zwischen dem Ungewöhnlichen und dem Illegalen? Im Fall des «Russian Laundromat» sieht es danach aus, dass kriminelle Absichten dahinterstecken.
Beobachter: Gemäss unseren Informationen flossen zwischen 2011 und 2014 mehr als 600 Millionen Dollar fragwürdiger Gelder über eine lettische und eine moldawische Bank in die Schweiz. So wurde das schmutzige Geld in den regulären Geldkreislauf geschleust.
Thelesklaf: Wir haben in den letzten Jahren die gesetzlichen Regelungen verdichtet. Die Anforderungen an eine Bank, um Gelder entgegenzunehmen, sind gestiegen. Das Problem ist nur: Die Kriminellen stellen sich auf diese Neuerungen ein. Bevor sie mit Geld zur Bank kommen, wissen sie längst, wonach sich eine Bank erkundigen wird. Inzwischen gibt es eine ganze Branche, die die erforderlichen Dokumente und Bestätigungen verkauft. Sie können im Internet entsprechende Unterlagen einfach herunterladen.
«Zu schnelles Fahren auf der Autobahn bringt einem mehr Probleme ein, als wenn man gegen die Geldwäschereiverordnung verstösst.»
Daniel Thelesklaf, Ermittler
Beobachter: Ist also die Schweizer Gesetzgebung, die neu auf politisch exponierte Personen fokussiert, bereits veraltet?
Thelesklaf: Heute eröffnet doch kein ausländischer korrupter Politiker mehr ein Konto in der Schweiz. Er schickt Personen aus seinem Umfeld vor – seine Familie, seine Geschäftsfreunde. Die Frage ist, wie das Gesetz durchgesetzt wird. Welche Anreize haben Bankgestellte? Jede Schweizer Bank hat heute Mitarbeiter im Bereich Compliance. Ihre Aufgabe ist es, vor fragwürdigen Geschäften zu warnen und allenfalls davon abzuraten. Aber können sie sich intern auch durchsetzen? Oder setzt sich das Management über sie hinweg?
Beobachter: Der Kundenberater einer Bank hat wohl kaum ein Interesse, Gelder aus rechtlichen oder ethischen Gründen abzulehnen. Sein Bonus hängt meist vom akquirierten Geldvolumen ab.
Thelesklaf: Zu schnelles Fahren auf der Autobahn bringt einem mehr Probleme ein, als wenn man gegen die Geldwäschereiverordnung verstösst. Die Bankenaufsicht war jahrelang mit der Bewältigung der Bankenkrise beschäftigt, die Prioritäten lagen nicht bei der Geldwäschereibekämpfung.
Beobachter: Heisst das, die Banken kennen das Risiko und reagieren nicht?
Thelesklaf: Die Banken wissen um Korruption in den fraglichen Ländern. Dazu gibt es genügend Berichte und Studien. Doch manchmal ist es dennoch schwierig, die Herkunft der Gelder abzuklären. Und manchmal befürchten Banken, dass ihre Konkurrenz einen Kunden übernimmt, den sie wegen der unklaren Herkunft des Geldes abgelehnt haben. Bei vielen Banken ist der Risikoappetit noch immer hoch. Das verleitet sie dazu, auch kritische Kunden anzunehmen.
Beobachter: Muss eine Bank in jedem Fall klären, wie ein Geschäftsmann zu seinem Geld kam?
Thelesklaf: Ja, aber: Die Abklärungen müssen verhältnismässig sein. Wenn es um 100'000 Franken geht, kann eine Bank nicht Abklärungen mit Kosten von 200'000 Franken treffen. Die Bank muss das Risiko einer Geschäftsbeziehung anhand einer Reihe von Faktoren einordnen. Je höher das Risiko, desto aufwändigere Abklärungen muss sie treffen.
«Der beste Weg, Geld zu waschen, ist, selber eine Bank zu besitzen.»
Daniel Thelesklaf, Ermittler
Beobachter: Wenn eine Bank sich auf eine Geschäftsbeziehung mit einer Firma einlässt, an der zum Beispiel ein staatlicher Rüstungsbetrieb in Russland beteiligt ist, dann…
Thelesklaf: …ist klar: Das fällt in die höchste Risikokategorie.
Beobachter: Die Überprüfung mag für eine Bank einfach sein, für ein kleines oder mittelständisches Unternehmen ist sie fast unmöglich.
Thelesklaf: Solche Betriebe müssen sich im Klaren sein, auf welche Geschäftspartner sie sich einlassen. Und natürlich ist auch die Hausbank der Firma gefordert. Wenn aber eine Firma einem russischen Geschäftspartner Uhren verkauft, ist das noch keine Geldwäscherei. Eine Kioskfrau macht sich auch nicht strafbar, wenn sie einem Kriminellen eine Zeitung verkauft. Wenn der Kriminelle aber Kunst kauft, die er dann wieder weiterverkaufen möchte, dann ist die Situation schon eine ganz andere.
Beobachter: Wenn Sie als KMU Maschinen nach Russland liefern, und das Geld trifft einmal von einer Firma aus Panama ein, ein anderes Mal aus Lettland oder aus Irland: Muss sich da ein Unternehmer keine Sorgen machen?
Thelesklaf: Das ist eher eine Frage der Ethik. Darf ich einem Drogenhändler einen Teppich verkaufen? Warum nicht? Dadurch wird kein Mensch zusätzlich drogenabhängig. Anders ist es, wenn man das Geld des Drogenhändlers annimmt, um es zu verwalten.
Beobachter: Viele russische Firmen oder Geschäftsleute besitzen eine eigene Bank und verwalten ihr Geld selbst.
Thelesklaf: Ja, grosse Firmen haben ihre eigene Bank. Aber auch Kriminelle haben eigene Banken. Wie heisst es so schön? Der beste Weg, Geld zu waschen, ist, selber eine Bank zu besitzen. Der «Russian Laundromat» ist ein Beispiel dafür, wie man illegal erworbene Gelder durch einen Kreislauf schleusen kann und sie dann beim Empfänger nicht mehr als illegal erkannt werden. Mit einer eigenen Bank muss ich niemanden davon überzeugen, eine Dienstleistung für mich zu erbringen. Idealerweise befindet sich diese Bank in einem Land mit einer schwachen Bankenaufsicht. In vielen ehemaligen Sowjetrepubliken ist die Missbrauchsbekämpfung aufgrund fehlender staatlicher Strukturen sehr schwierig.
Beobachter: Im russischen Geldwäschesystem spielt Moldawien eine wichtige Rolle. Wie steht es dort um die Korruptionsbekämpfung?
Thelesklaf: Moldawien ist eines der ärmsten Länder Europas. Das ist eine schwierige Ausgangslage für Geschäfte mit hohem Risiko. Kriminelle haben die Schwächen dieses Landes gnadenlos ausgenützt. Seit der von Ihnen beschriebene Fall 2014 aufgeflogen ist, hat sich Moldawien in der Bekämpfung der Geldwäscherei sehr engagiert. Das hat den Staat wahrscheinlich etwa eine Milliarde Franken gekostet.
Beobachter: Wie läuft die Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden mit Ländern wie Russland, Lettland oder Moldawien?
Thelesklaf: Mit den Ländern, die heute zur EU gehören, läuft die Zusammenarbeit kaum schlechter als in Westeuropa. Rumänien beispielsweise arbeitet im Korruptionsbereich hervorragend. Aber in anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion ist das Interesse der Behörden sehr unterschiedlich. Wenn es um Terrorismus oder den Drogenhandel geht, dann ziehen wir am gleichen Strick. Im Bereich Korruption ist es schwieriger.
Der Zürcher Daniel Thelesklaf, 52, ist Leiter der Financial Intelligence Unit, der Geldwäscherei-Meldestelle in Liechtenstein, und Vorsitzender des Geldwäscherei-Ausschusses des Europarats.
Mitarbeit: Elio Bucher; Katrin Moser; Roman Anin, «Nowaja Gaseta»; Olesja Shmagun, OCCRP; Mika Velikovskij, OCCRP
Infografiken: Beobachter / Anne Seeger und Andrea Klaiber