Rekord-Geldsegen für Ärzte und Spitäler
Spesen und Sponsoring: 2021 bezahlten über 60 Pharmafirmen so viel Geld wie noch nie an Ärztinnen und Ärzte, Spitäler und andere Organisationen des Gesundheitswesens. Das zeigt eine Auswertung von Beobachter, «Handelszeitung» und «Blick».
Veröffentlicht am 15. September 2022 - 05:54 Uhr
196 Millionen Franken bezahlten 66 Pharmafirmen in der Schweiz an Ärztinnen und Ärzte, Spitäler, Ärztenetzwerke, Fachgesellschaften, Patientengruppen und andere Institutionen (Vorjahr: 182 Millionen Franken). Deklariert sind diese Zahlungen als Spesen für Ärztekongresse, Referenten- und Beratungshonorare, Sponsoring und für die klinische Forschung. Seit sich die Pharmaunternehmen 2015 branchenintern zur Offenlegung dieser Zahlungen verpflichtet haben, steigen die jährlichen Summen stetig an. 2015 waren es noch 141 Millionen gewesen.
Bei der Zahlungsfreudigkeit liegt Novartis mit 30,5 Millionen Franken klar an der Spitze. Auf Platz zwei befindet sich Roche mit 25,5 Millionen, gefolgt von Pfizer mit 17,4 Millionen Franken.
Black Box Forschung
Seit die brancheninternen Transparenzregeln eingeführt wurden, ist die Zahl der Ärztinnen und Ärzte zurückgegangen, die Gelder der Pharmaindustrie erhalten. 2015 liessen sich noch 4131 Ärztinnen und Ärzte Kongressgebühren, Übernachtungsspesen oder Beratungshonorare auszahlen, jetzt sind es noch 3289. Rückläufig ist auch die Gesamtsumme dieser Gelder: 2015 waren es noch über 16 Millionen Franken, 2021 sind es noch knapp sieben Millionen. Gestiegen sind dagegen die Zuwendungen an Spitäler und andere Organisationen des Gesundheitswesens: Diese meist als Sponsoring deklarierten Gelder stiegen innerhalb von sieben Jahren von 76 auf 107 Millionen.
Fast verdoppelt – auf 82,4 Millionen Franken – haben sich seit 2015 die Gelder, die die Pharmafirmen Spitälern für klinische Forschung überweisen (Forschung und Entwicklung). Im Gegensatz zur Ärzteschaft, wo die allermeisten Empfänger transparent offen gelegt werden, ist dies eine Black-Box. Welche Universitätsspitäler wie hohe Gelder für Forschungsprojekte erhalten, bleibt unter Verschluss.
* Pharmagelder.ch ist ein Projekt des Ringier Axel Springer Research Networks, die Analyse erfolgte durch Beobachter, Handelszeitung und Blick. Die Daten stammen von 66 Pharmafirmen, die sie aufgrund des Pharma Kooperations-Kodex offen legen.
7 Kommentare
wer sind nun diese 5 Professoren?
Sind in diesen Zahlen die Boni-Lieferungen enthalten? Also: Bestelle und bezahle 5, erhalte 6. Oder: Bezahle 5 erhalte 10. Erinnert an Konfetti- oder Sugus-Kanonen.
Die effektiven Vergütungen, auch für geleistete Arbeit zu Gunsten von Ärzten, dürften noch wesentlich höher sein. Nur ein Beispiel: Eröffnet ein Arzt eine Praxis, so übernimmt eine Firma eventuell den Versand der Einladungen, sponsert Essen und Getränke, delegiert einen Aussendienstmitarbeiter ab, der den Anlass managt. Solche Dienstleistungen sind in den oben erwähnten Millionen nicht enthalten. Das Vorgehen dient der Kundenpflege à la kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Ob das die Anwendung der besten Medikamente sicherstellt ?
Vermutlich haben Sie recht, belegen lässt sich dies nur schwer. Falls Sie aber Beispiele kennen, die sich dokumentieren lassen, bin ich für Hinweise dankbar!
es wäre interessant, wenn der Artikel nicht so oberflächig daher käme. Bei dem Aufreisser Titel habe ich erwartet, das gesagt wird, welche Medikamente besonders gefördert werden. Meistens sind es Blutdruckmittel, Colesterin Senker, Blutverdünnungsmittel, die schnell von Ärzten an Patienten verkauft werden, die Werbung macht da auch mit, aber vielleicht auch anderes. Manches ist vielleicht auch gut. Bitte beim nächsten Mal besser recherieren. Vielen Dank.
Danke für Ihr Feedback. Wir haben Datenblätter von 66 Pharmafirmen ausgewertet, hunderte von pdf-Seiten durchgearbeitet. So konnten wir zusammentragen, wohin das Geld der Pharma fliesst. Das ist natürlich alles andere als oberflächlich, sondern ein riesiger Aufwand, den wir über Wochen hinweg geleistet haben. Nun kann jedermann prüfen, ob seine Ärztin oder sein Arzt Geld einer Pharmafirma erhalten hat. Sehr gerne würden wir auch darüber berichten, welche Medikamente besonders gefördert werden bzw. inwiefern finanzielle Entschädigungen mit konkreten Medikamenten oder Anwendungen zusammenhängen. Das lässt sich allerdings nicht belegen, man könnte nur mutmassen. Einsicht in die Verträge zwischen Unternehmen und Ärzten/Spitäler gibt uns natürlich niemand.
Es geht um 66 Firmen, oben erwähnt. Die werden allerdings nicht alle aufgelistet, nur die spendabelsten drei. Wir können davon ausgehen, dass fast jede in der Schweiz vertretene Pharmafirma auf irgend eine Weise ihre guten Kunden "unterstützt". Genau das ist eine der Hauptaufgaben des Aussendienstes. Besondres im Fokus sind da die selbstdispensierenden Ärzte und die grossen Spitäler. Deren Medikamentenabgabe strahlt aus in die Praxen.