«Früher fragten wir uns wenig, woher die Energie kommt»
Zukunftsforscherin Oona Horx Strathern studiert die globalen Trends und leitet daraus ab, wie sie sich auf unser künftiges Wohnumfeld auswirken könnten.
Veröffentlicht am 4. Oktober 2023 - 06:00 Uhr
Frau Horx Strathern, wo und wie werden Sie in 20 Jahren wohnen?
Wir wohnen seit 2010 in unserem Zukunftshaus in Wien, einem Gebäude, das ganz auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, etwa durch eigene Energieversorgung oder wiederverwendbare Materialien. Daher sind wir für die Zukunft gerüstet, und ich gehe davon aus, dass wir auch in 20 Jahren noch darin wohnen werden.
Die Wohnzukunft ist Ihr Spezialgebiet. Wie sieht Ihre Arbeit aus?
Ich analysiere vor allem die weltweiten Megatrends und wie sich diese auf unser Wohnumfeld auswirken könnten – aktuell beispielsweise demografische Veränderungen, Individualisierung oder Urbanisierung. Um diesen Trends auf die Spur zu kommen, werte ich Statistiken und Prognosen aus. Ebenso wichtig wie die Trends sind aber auch die Gegentrends.
Wie ist das zu verstehen?
Jeder Trend verursacht unweigerlich einen Gegentrend. Die Globalisierung etwa hat dazu geführt, dass sich ein Teil der Menschen wieder verstärkt lokal orientiert. Das wirkt sich dann ebenfalls auf das Wohn- und Lebensumfeld aus – etwa in Form von Gartenkooperativen.
Vergleicht man Zukunftsstudien vor und nach der Pandemie, zeigen sich Unterschiede. Hat Corona ein Umdenken eingeläutet?
Ich würde eher sagen, dass die Pandemie ein Beschleuniger war. Zuvor hat man über Trends wie Homeoffice nur gesprochen, mit Corona wurde es konkret umgesetzt. Ebenso hat die Pandemie als Gegentrend zur Urbanisierung das Leben im dörflichen Umfeld wieder in den Fokus gerückt. Dank Homeoffice kann ich die Zeit im städtischen Büro reduzieren und einige Tage pro Woche auf dem Land arbeiten. Ein Resultat dieser Entwicklung sind etwa die Co-Working-Spaces in ländlichen Gemeinden.
«Die Resultate wirken nicht sehr futuristisch, sondern basieren auf Dingen, die es heute schon gibt, die sich aber verstärken könnten.»
Oona Horx Strathern
Könnte der Krieg in der Ukraine ein ähnlicher Beschleuniger sein?
Durchaus. Ein Thema mit Bezug zum Wohnen, das erst mit dem Krieg richtig aufkam, ist die Energieversorgung. Vorher haben sich die Leute wenig gefragt, woher die Energie kommt. Unterdessen geht der Trend hin zur Autarkie, und man möchte, dass die Energie fürs eigene Haus aus einem überschaubaren Umfeld stammt.
In Ihren Publikationen zur Wohnzukunft finden sich kaum futuristische Szenarien. Gibt es die nicht?
Um Zukunftsszenarien aufzustellen, beobachten wir in erster Linie die Gegenwart und leiten daraus ab, wohin die Entwicklung gehen könnte. Daher wirken die Resultate nicht sehr futuristisch, sondern basieren auf Dingen, die es heute schon gibt, die sich aber verstärken könnten. Einzige Ausnahme sind technologische Entwicklungen, etwa bei der Energieversorgung. Da kann man den Spiess umdrehen und schauen, was in einigen Jahrzehnten technisch möglich sein und zur Anwendung kommen könnte. Solche Resultate wirken eher etwas futuristisch.
Im Klartext: Das Wohnen von morgen gibt es eigentlich schon heute?
Ja. Das hängt auch mit der Langlebigkeit von Gebäuden zusammen. Viele Häuser, die heute 50 Jahre alt sind, werden noch lange stehen bleiben. Entsprechend kann sich das Wohnen darin auch in Zukunft nicht so riesig unterscheiden. Diese Langlebigkeit zeigt aber auch, dass Bauten, die wir heute erstellen, eine hohe Flexibilität bei der Nutzung haben sollten. Denn wir können jetzt noch nicht wissen, welche Bedürfnisse die Menschen in 20 oder 30 Jahren haben werden.
Seit 2018 geben Sie jährlich einen Home-Report zur Wohnzukunft heraus. Wie schnelllebig sind die dort gezeigten Trends?
Wenn ich zurückblicke, sehe ich, dass ein Grossteil der Trends, die ich vor fünf Jahren genannt habe, von Dauer sind. Einige davon – etwa das modulare Bauen oder die Individualisierung – haben sich über die Zeit hinweg sogar verstärkt. Andere wiederum – ich denke an die skandinavische Wohngemütlichkeit – heissen heute anders, sind im Kern der Sache aber ebenfalls dieselben geblieben. Dass die Trends Bestand haben, hat wohl vor allem damit zu tun, dass es schlussendlich um Grundbedürfnisse der Menschen geht – und die sind meist nicht schnelllebig.
1 Kommentar
Dieser Satz drückt eine allgemeine Beobachtung darüber aus, wie sich unser Denken über Energie im Laufe der Zeit verändert hat. Früher, in der Vergangenheit, haben sich die Menschen möglicherweise weniger Gedanken darüber gemacht, woher die Energie für ihre Bedürfnisse kam. Diese Nachlässigkeit könnte auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein, einschließlich einer geringeren Sensibilisierung für Umweltfragen, einem geringeren Energieverbrauch und einer weniger komplexe Energieinfrastruktur.
Die Veränderung in der Wahrnehmung und Sensibilität in Bezug auf Energiequellen und -verbrauch ist ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigeren Energiezukunft und einer umweltfreundlicheren Welt.