Wer sein Geld in Umwelt- und Naturschutz anlegen will, hat es am Kapitalmarkt nicht leicht. Denn jede Bank definiert Nachhaltigkeit anders. Mancher Fonds, der grün aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen eher als schwarz.

Die Frage scheint banal: Was haben die Explosion einer Ölplattform im Golf von Mexiko 2010, die AKW-Katastrophe von Fukushima 2011 und die tödlichen Schüsse auf streikende Minenarbeiter in Südafrika Mitte August mit Nachhaltigkeit zu tun?

Die Antwort müsste lauten: nichts. Und wäre doch falsch. Denn die für die Katastrophen Verantwortlichen – der Ölkonzern BP, der Kernkraftwerksbetreiber Tepco und das Bergbauunternehmen Lonmin – galten bei Bankanalysten lange Jahre als ökosoziale Vorzeigeunternehmen. Ihre Aktien waren prominent in Nachhaltigkeitsfonds vertreten – also grünen Anlageprodukten, die Kapitalgebern ein gutes Gewissen versprechen, weil sie vorgeblich in eine saubere und gerechte Welt investieren. Lonmin ist dort immer noch zu finden.

Verkehrte Welt? Wurden hier schmutzige Kandidaten zum besseren Absatz von Finanzprodukten grüngewaschen? Zumindest waren die Banker zu vertrauensselig; sie glaubten an das Prinzip, dass der Klassenbeste es richten werde. «Best in Class» – so nennen Finanzprofis die Strategie, die jeweils vermeintlich Nachhaltigsten einer Branche in den Klub der saubersten Unternehmen aufzunehmen. Einst galt BP als ebenso vorbildlich wie Tepco oder Lonmin später.

«Es ist im Sinne aller, dass sich gerade die Unternehmen der kontroversen Branchen beim Thema Nachhaltigkeit verbessern», begründet François Vetri von der auf grüne Investments spezialisierten Zürcher Anlagegesellschaft SAM die Best-in-Class-Strategie. Vor allem wenn Branchen mit tendenziell höherer Umweltbelastung auf Ressourcenschutz setzten, habe das einen erheblichen Effekt auf Natur und Umwelt. «Solche Unternehmen in Best-in-Class-Fonds haben zwar keine reinen grünen Westen», sagt Sabine Döbeli, Leiterin Nachhaltigkeit bei der Bank Vontobel und Vizepräsidentin des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG). «Durch die Investition wird aber ein Prozess ausgelöst, der zu einer Veränderung in Richtung Nachhaltigkeit der gesamten Branche führen kann.» Im Fall von BP, Tepco oder Lonmin, die alle glänzende Umwelt- und Sozialberichte vorlegten, war diese Hoffnung allerdings vergebens.

Glaubwürdigkeit statt Rendite

Für Anleger, die sich am Klassenbestenprinzip orientiert haben, ist die Rechnung aufgegangen. Das liegt daran, dass gerade Firmen eher schmutziger Branchen wie Öl und Bergbau in den zurückliegenden Jahren enorme Gewinne und Aktienkurssteigerungen erfahren haben. Je «schwärzer» also ein Nachhaltigkeitsfonds investiert war, desto höher konnte seine Rendite ausfallen. Umgekehrt gilt: Wer auf Ökofonds setzt, die solche Branchen von Investitionen ausschliessen, dem können Gewinne entgehen. «Wir haben die Hausse der Rohstoffe nicht mitgemacht und damit auf Rendite verzichtet», sagt Roman Kappeler von Swisscanto, der Investmentgesellschaft der Kantonalbanken. Aber die extremen Eingriffe in den Naturraum sowie der hohe Wasseraufwand für die Minenerschliessung seien einfach nicht mit dem Gedanken des Naturschutzes und der Bewahrung der Artenvielfalt vereinbar. Statt von Rendite spricht Kappeler deshalb lieber von Glaubwürdigkeit.

Doch wo fangen Umwelt- und Naturschutz an? «Ohne die Platinförderung gäbe es keinen Autokatalysator», sagt Erol Bilecen, Leiter Nachhaltigkeit bei der Bank Sarasin. Sollte man deshalb nicht konsequenterweise einen möglichst sauberen Platinproduzenten fürs nachhaltige Investment aussuchen? Weniger strittig sind weitere Ausschlusskriterien, die viele Anbieter von Nachhaltigkeitsfonds anwenden. Swisscantos Ökofinanzmanager investieren zum Beispiel nie in die Produktion von Waffen oder Tabak, in Gentechnik oder Kernenergie. Sarasin-Manager Bilecen nennt Kinderarbeit als weiteres Tabu. Zudem wird auch das Verhalten der Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeitern bewertet. Wer nicht für gleiche Rechte von Mann und Frau oder für ethnische Gleichbehandlung eintritt, ist in der Nachhaltigkeitswelt vieler Fondsanbieter unerwünscht.

Transparenz trotz Unübersichtlichkeit

Eine weitere Möglichkeit für grüne Anlagen sind Renten, also Anleihen von Unternehmen und Staaten, die als nachhaltig eingestuft werden. Das ist für Anleger interessant, die ihr Geld eher sicher anlegen wollen, da die Wertentwicklung von Staatsobligationen in der Regel weit geringeren Schwankungen unterliegt als diejenige von Aktien. Staaten werden neben rein ökologischen Kriterien wie dem Umgang mit Ressourcen auch nach politisch-sozialen und ethischen Faktoren bewertet wie Korruption, Demokratie, Bildung, Gesundheits- und Sozialsystem. Bei Sarasin liegen Japan, die Niederlande, Deutschland, Schweden und die Schweiz auf den vorderen Plätzen. Trotzdem sollten Kapitalgeber genau auf die Kandidaten schauen. Wem die mit hohen Umweltschäden einhergehende Aufbereitung von Ölsanden in Kanada ein Dorn im Auge ist, der möchte vielleicht kein Wertpapier aus dem ansonsten als vorbildlich geltenden Land in seinem Depot.

Der Vielfalt des grünen Börseninvests sind keine Grenzen gesetzt, der Unübersichtlichkeit aber auch nicht. Jeder Anbieter definiert seine eigenen Ausschlusskriterien. Weil es keine einheitlichen Standards gibt, kommen Anleger nicht umhin, ihren eigenen Wertvorstellungen zu folgen und zu entscheiden, ob zum Beispiel der beste aller Autohersteller noch als nachhaltig gilt oder doch eher nicht. Wer es risikoreicher mag, setzt auf Aktien, der Vorsichtige sucht Fonds mit Rentenpapieren. Allzu viel sollten sie dabei nicht von ihrem Bankberater erwarten. Denn eine qualifizierte Ausbildung als Ecoanlageberater, wie sie etwa vom WWF Schweiz angeboten wird, haben die wenigsten. Dafür bieten die meisten Fonds eine hohe Transparenz. Interessierte Käufer können genau nachschauen, wer alles zur Fondsfamilie gehört, etwa über Finanzberichte, die auf den Internetseiten der Anbieter abrufbar sind.

Deutlich enger wird die Auswahl für Schweizer, die ihr Kapital auf Fonds konzentrieren wollen, die in einheimischer Währung abrechnen. Doch wegen der faktischen Parität mit dem Euro drohen bei einer Anlage in der europäischen Gemeinschaftswährung praktisch keine Nachteile. Der Schweizer Markt für nachhaltige Fonds ist nach Auskunft des FNG insgesamt rund 22,5 Milliarden Franken (2011) schwer.

Langfristig sind Gewinne realistisch

Bleibt die Frage nach der Rendite. Grünes Investment ist eine Wette, dass sich der Einsatz für Ressourcenschutz, Energieeffizienz, demokratische Mitsprache und Bildungschancen auszahlen wird. Es ist also eine langfristige Investition, die angesichts steigender Preise für knapper werdende Ressourcen sinnvoll ist. Allerdings zeigt sich in der aktuellen Wirtschaftskrise auch, dass den sauberen Lösungen kurz- bis mittelfristig ein kräftiger Wind ins Gesicht wehen kann. So stehen die noch von staatlicher Förderung abhängigen Produzenten regenerativer Energien wie der Solarkraft wegen schrumpfender öffentlicher Mittel reihenweise vor dem Aus und belasten damit die Depots grüner Investoren.

Unter dem Strich aber zieht FNG-Vizepräsidentin Sabine Döbeli ein positives Fazit: «Die Mehrheit der Studien zeigt, dass Anleger bei nachhaltigen Investments im Vergleich zu konventionellen Produkten nicht auf Rendite verzichten müssen.» Für ökologisch motivierte Investoren eine gute Nachricht – zumindest wenn sie weder BP- noch Tepco-Titel im Depot hatten.