Es war die Transferbombe vor der neuen Fussballsaison: Scheinbar aus heiterem Himmel wechselte Trainer Uli Forte von Cupsieger GC zu YB. Von den klammen Zürchern zu den neureichen Bernern – der Kerl will einfach noch mehr Geld, unkten die Fans.

Fortes eigene Erklärung passte nicht so recht ins harte Kickerbusiness: Er habe bei den Hoppers die Wertschätzung vermisst, sagte er treuherzig.

Dafür wurde er sofort mit Hohn und Spott eingedeckt: «Was hat er denn, der Arme? Beleidigt, weil ihm der Präsident nicht permanent auf die Schulter klopfte?»

Nun mag Uli Forte, der sich seinen exponierten Job fürstlich entschädigen liess, tatsächlich auf hohem Niveau jammern. Aber sein Wunsch ist verständlich – und menschlich: Wertschätzung ist ein Grundbedürfnis, gerade in der Arbeitswelt.

Wir alle möchten beachtet werden und mit dem, was wir tun, Wirkung erzielen. Und wenn jemand etwas leistet, erwartet er in der Regel, angemessen gewürdigt zu werden – egal, ob von Vorgesetzten, Kollegen, Kunden oder der Gesellschaft. «Sonst fühlen sich die meisten auch als Personen missachtet», sagt der Luzerner Coach und Unternehmensberater Othmar Fries. Nicht die gewünschte Resonanz zu bekommen kränkt und frustriert. Und kann Engagement und Motivation killen.

Anerkennung ist ein zentraler Motor

Angestellte haben oft das Gefühl, dass ihre wichtigsten Bedürfnisse von den direkten Vorgesetzten teilweise oder gar völlig ignoriert werden. Sie fühlen sich geringgeschätzt und machen nur noch Dienst nach Vorschrift. Laut dem Umfrageinstitut Gallup ist das bei jedem vierten Büroangestellten so. «Menschen erwarten für ihr Engagement am Arbeitsplatz eine Gegenleistung», sagt Beate Schulze, Psychologin und Expertin für Stress in Zürich. Man spreche dabei vom «psychologischen Kontrakt», der über den im Arbeitsvertrag vereinbarten Lohn hinausgehe.

Mitarbeitende möchten beispielsweise sehen, wie ihr Engagement zu einem bestimmten Produkt oder zur Kundenzufriedenheit beiträgt. Das ist heute aber schwierig, weil die Arbeitsprozesse häufig stark zerstückelt sind. «Der Einzelne erkennt oft seinen Beitrag nicht mehr», sagt Schulze. Deshalb werde es immer wichtiger, von Vorgesetzten, Kollegen und Kunden direktes Feedback zu erhalten (siehe «Das sollten Chefs tun»). Ebenso wichtige Zeichen seien, im Team zusammenzuhalten, sollte es nicht nach Plan laufen. Und dass sich Vorgesetzte hinter ihre Leute stellen, wenn es von oben Kritik hagelt, statt ungefiltert in sie einzustimmen.

Studien zeigen: Arbeitnehmer bringen dann gute oder bessere Leistung, wenn gewürdigt wird, was sie tun. Anerkennung ist demnach ein zentraler Leistungsmotor, Wertschätzung trägt zur Wertschöpfung bei. Die Empfehlungen für Vorgesetzte lauten: Interessieren Sie sich für Mitarbeiter, nehmen Sie deren Arbeit wahr, seien Sie freundlich, respektvoll, wohlwollend.

Das sagt sich leicht, klappt in der Praxis aber oft genug nicht, weil dafür im verdichteten Arbeitsalltag wenig Zeit bleibt. Schliesslich steht der Chef selbst unter Druck, und das anberaumte Gespräch mit dem Buchhalter oder der Büroassistentin rutscht auf der Prioritätenliste schnell nach unten oder findet nur noch zwischen Tür und Angel statt. Fachmann Othmar Fries weiss: «Viele wissen heutzutage nur noch der Spur nach, was ihre Mitarbeiter tun.»

Würdigung und Lob sind zwei Dinge

Hinzu kommt, dass Wertschätzung oft mit Lob gleichgesetzt wird. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied: Wertschätzung ist eine Grundhaltung und bedingungslos, Lob ist an etwas Bestimmtes geknüpft, «eine immaterielle Belohnung für eine gute Tat oder Arbeit», wie Fries sagt. Und meist wird Lob von einer höheren, mächtigeren Person erteilt – jemand urteilt, der andere wird beurteilt. Wertschätzen hingegen ist unabhängig von Hierarchien, denn achten und anerkennen können sich Mitarbeiter und Führungskräfte untereinander. Besonders beflügelnd ist das, wenn einem wichtige Bezugspersonen aufrichtige Anerkennung zollen. Das können die fachlich fittesten Kollegen auf gleicher Stufe sein oder die heikelsten Kunden – auch wenn diese manchmal Nerven kosten.

Beispiele für Wertschätzung in der Praxis

Legen Sie den Fokus auf Gutes
Sie finden den Abteilungsleiter oberpingelig, und wenn dieser nörgelnde Kunde schon wieder anruft, könnten Sie die Wände hochgehen? Lenken Sie die Aufmerksamkeit lieber auf positive Aspekte. Sie werden dem anderen wohlwollender begegnen – und dieser im Gegenzug auch Ihnen. Also: Hat der Abteilungsleiter nicht auch einen glasklaren Blick für Ungereimtheiten? Und bringt es der Kunde mit seinen Reklamationen nicht auf den Punkt? Eben.


Akzeptieren Sie Eigenarten

Kollege Meier schätzt Teamarbeit, pflegt das Prinzip der offenen Tür, und Harmonie geht ihm über alles. Kollegin Müller hingegen arbeitet lieber allein, grenzt sich oft ab, und für ihre Unabhängigkeit kämpft sie wie eine Löwin. Ist das eine richtig und das andere falsch? Beides darf sein. Wertschätzung bedeutet, unterschiedliche Persönlichkeiten zu akzeptieren und auf deren Besonderheiten zu setzen, statt sie zu bekämpfen und abzuwerten. Also besser Meiers Stärke nutzen, Konsens zu erzielen. Und von Müller lernen, dass es sich lohnen kann, unpopuläre Standpunkte zu vertreten.


Zeigen Sie sich menschlich

«Mein Chef kennt meine Karrierepläne nicht. Er hat keine Ahnung, was ich leiste und wo meine Stärken liegen», klagen Mitarbeiter. Wissen, was der andere macht und was ihn bewegt, ist wichtig, um ihn wertschätzen zu können. Deshalb: Nehmen Sie sich Ihre Leute vor – im freundlichen Sinn. Seien Sie präsent, stellen Sie Fragen, hören Sie zu. Und machen Sie als Angestellter auch mal den ersten Schritt: Laden Sie den Chef zum Teamausflug ein und erkundigen Sie sich bei ihm, wie es war, in eine andere Branche zu wechseln, und ob es ihm gefällt am neuen Wohnort.


Würdigen Sie den Einsatz

Um einen wichtigen Auftrag zu bekommen, schuftet Ihr Team Tag und Nacht und ist überzeugt: Damit werden wir beim Kunden punkten. Dieser aber entscheidet sich für ein anderes Konzept. Bittere Enttäuschung, beim Chef, aber auch im Team. Falsch wäre jetzt, es mit Vorwürfen zu bombardieren, nur auf das Ergebnis zu schauen. Auch der Einsatz verdient Wertschätzung. Etwa, dass Sie nur im Rennen waren, weil Ihr Team gute Kontakte zu möglichen Auftraggebern pflegt, es alles gab, an die Leistungsgrenzen ging.


Finden Sie den guten Motivator
Bewunderung oder Bonus – was wirkt besser? Das kommt auf die «Motivationsstruktur» an, sagen Experten. Manche brauchen in erster Linie soziale Anerkennung, andere finanzielle Anreize. Letztere können wertschätzend sein und motivationsfördernd wirken, aber nur, wenn sie als gerecht und nachvollziehbar eingestuft werden – also auf tatsächliche Leistungen des Einzelnen zurückzuführen sind.


Seien Sie pünktlich

Zur Teamsitzung zu spät zu kommen oder sich zur Telefonkonferenz nicht pünktlich einzuwählen drückt mangelnde Wertschätzung aus. Man zeigt, dass man das Anliegen des anderen für nichtig hält. Besonders verwerflich ist, wenn Verspätungen System haben, wenn jemand grundsätzlich mit dem Hinweis in die Sitzung platzt, er habe noch schnell etwas Dringendes erledigen müssen.

Das sollten Chefs tun

Fünf Grundregeln, um Wertschätzung auszudrücken

  1. Geben Sie für herausragende Leistungen und bemerkenswerte Ideen konsequent ein positives Feedback.

  2. Suchen Sie aktiv nach diesen Leistungen, aber seien Sie dabei ehrlich: Nur aufrichtige Komplimente zeigen Wirkung.

  3. Loben Sie dosiert, denn die «Droge Lob» kann kontraproduktiv wirken. Mitabeitende, die süchtig danach sind, laufen Gefahr, nur noch gute Leistung zu bringen, wenn sie dafür gehätschelt werden.

  4. Kurze, direkte und persönliche Rückmeldungen sind am wirkungsvollsten.

  5. Resonanz oder Feedback drückt sich auch in der Körpersprache aus. Halten Sie Augenkontakt und seien Sie sich Ihres Gesichtsausdrucks, Ihrer Haltung und Ihrer Gesten bewusst.

Buchtipp

Carsten Bach: «Mehr Wertschätzung und Anerkennung im Job»; Verlag Tredition, 2012, 252 Seiten, CHF 23.90