Beobachter: Im Beobachter-Test schneiden die Apotheken
schlecht ab. Was ist los mit Ihren Berufskollegen?
Max Brentano:
Ich bin sehr unzufrieden mit dem Ergebnis. Aber man muss das
Ganze betrachten und darf das Verhältnis zwischen dem
Beratungsaufwand und dem effektiven Verdienst des Apothekers
nicht ausser Acht lassen.
Beobachter: Das relativiert die mangelhafte Beratung
nicht. Warum ist sie so schlecht?
Brentano: Das hat sehr wohl einen Zusammenhang. Es
kann sein, dass ein Kunde in die Apotheke kommt, sich zehn
Minuten beraten lässt und nichts kauft. Wir können
es uns nicht leisten, mit jedem Kunden 15 Minuten zu verbringen
und am Schluss nichts einzunehmen.
Beobachter: Es geht also nur ums Geld?
Brentano: Nicht nur. Aber es ist sicher ein Bestandteil,
denn die fachliche Kompetenz ist vorhanden.
Beobachter: Wirklich? Die Apotheker sind offensichtlich
nicht bereit, eine gute Beratungsleistung zu erbringen, obwohl
diese ab 1. Juli vergütet wird.
Brentano: Doch, die Bereitschaft ist grundsätzlich
da. Mit Weiterbildung will unser Verband die Beratungsqualität
verbessern. Zudem führen wir ein Qualitätslabel
ein und werden die beteiligten Apotheken viermal jährlich
durch Testkäufer überprüfen lassen. Vieles
hat sich bereits verbessert. Ich bin sicher, dass das Resultat
des Beobachter-Tests vor drei Jahren noch schlechter ausgefallen
wäre.
Beobachter: Sie heben bereits seit Jahren hervor,
wie gut die Beratung in den Apotheken sei. Offensichtlich
ist es mit der Kompetenz doch nicht so weit her.
Brentano: Da bin ich nicht einverstanden. Das Fachwissen
ist da. In jeder Apotheke könnte man Ihnen die korrekten
Antworten geben. Aber bisher gab es dafür kein Geld.
Nennen Sie mir einen Betrieb in der Schweiz, der Ihnen systematisch
Gratisauskünfte erteilt.
Beobachter: Es kann doch nicht sein, dass Apotheker
ihr Wissen erst dann weitergeben, wenn sie dafür Geld
erhalten. Es geht hier ja nicht um die Produktion von Schrauben.
Brentano: Das stimmt. Aber auch die Betriebe im Gesundheitswesen
sind Unternehmen, die etwas verdienen wollen.
Beobachter: Der Beobachter-Test mit dem Generikum
zeigt, dass viele Apotheker schlicht keine Ahnung haben.
Brentano: Das ist schlecht, eine Katastrophe. Offenbar
haben viele nicht gemerkt, dass sie seit dem 1. Januar Originalpräparate
durch Generika ersetzen dürfen. Aber Sie können
nicht einen ganzen Berufsstand von einem Tag auf den anderen
auf eine neue Situation einstellen.
Beobachter: Sie kämpfen dagegen, dass sich
Grossverteiler und Internetfirmen im Medikamentengeschäft
engagieren. Warum?
Brentano: Gehen Sie mal in eine Manor-Apotheke. Dort
erhalten Sie gar keine Antwort auf Ihre Fragen. Ich bin auch
gegen den Versandhandel im Internet. Denn der persönliche
Kontakt zu den Patienten ist wichtig. Das ist unser Vorteil.
Beobachter: Dieser persönliche Kontakt brachte
unseren Testpersonen aber wenig.
Brentano: Manche Apotheker haben zwar eine ungenügende
Leistung erbracht, aber nicht alle haben versagt und
der persönliche Kontakt hat stattgefunden.
Beobachter: Nicht alle Apotheker kennen ihre Kundinnen
und Kunden persönlich. Sind Apotheken in der heutigen
Form nicht überholt?
Brentano: Im Gegenteil. Die Apotheken werden in Zukunft
noch verstärkt die Rolle von Informations- und Beratungsbrokern
übernehmen. Zwar werden die Gesundheitsinformationen
übers Internet an Bedeutung gewinnen. Aber es braucht
weiterhin die Möglichkeit, sich in einer Apotheke an
Fachleute zu wenden.