Der Auftrag von Swissmedic ist so klar wie edel: der Schutz der Konsumenten. Deshalb prüft die Arzneimittel-behörde sämtliche Medikamente, bevor diese auf den Schweizer Markt kommen. Ein wichtiger Auftrag, denn Pillen und Pulver können bekanntlich tödliche Nebenwirkungen haben. Absolut unabhängig muss die Behörde deshalb bei ihren oft heiklen Entscheiden sein.

Doch gerade um die Unabhängigkeit ist es schlecht bestellt, wie Kenner der Pharmaszene kritisieren. Die oberste Kontrollbehörde für Arzneimittel werde zunehmend von der Pharmaindustrie unterwandert. Und der ehemalige Berner Kantonsapotheker und Swissmedic-Kenner Professor Niklaus Tüller nimmt kein Blatt vor den Mund: «Die Unabhängigkeit von Swissmedic ist in Gefahr.»

Die Verbandelung mit der Pharmabranche, deren Produkte diese Behörde eigentlich kontrollieren soll, ist tatsächlich kaum von der Hand zu weisen. Seit 1. April ist Franz Schneller der neue Direktor von Swissmedic. Schneller stand über 30 Jahre lang im Sold der Pharmaindustrie. Zuletzt als Chef der Schweizer Niederlassung des dänischen Pharmakonzerns Lundbeck.

Schneller soll als Swissmedic-Chef neue Arzneimittel kritisch begutachten. Ausgerechnet er, der es gewohnt ist, sich für Medikamente ins Zeug zu legen. Mit Ex-Novartis-Kadermann Hans-Beat Jenny ist auch der Posten des stellvertretenden Direktors in Pharmahand. Und erst vor vier Monaten ist Peter Kleist zu Swissmedic gestossen, der bei Novartis Pharma Schweiz medizinischer Direktor war. Dort leitete er die klinischen Versuche mit Medikamenten – bis hin zur Zulassung.

Die Aufgaben bleiben unklar
Kleist könnte jetzt bei Swissmedic möglicherweise Medikamente prüfen, die er bei Novartis mit einem rund 30-köpfigen Team selbst entwickelt hat. Noch bei Novartis machte er keinen Hehl daraus, was ihm an seinem zukünftigen Arbeitgeber gefällt: die schnellen Zulassungsverfahren. «Dank Swissmedic können Firmen mit einem Medikament bis zu sechs Monate früher auf den Markt kommen als in Ländern der EU», sagte er 2002 dem «Tages-Anzeiger».

Genau in diesem Bereich wird Kleist bei Swissmedic eingesetzt: zum Überprüfen der internen Prozesse der Zulassung. Seine genauen Aufgaben bleiben unklar. Er ist laut Organigramm für «besondere Projekte» verantwortlich. Welche das sind, ist nicht zu eruieren. Zum Fall Kleist nimmt Swissmedic nicht Stellung. «Wir sind auf qualifizierte Fachleute aus der Heilmittelindustrie angewiesen», sagt die Sprecherin Monique Helfer. Die Unabhängigkeit sei aber gewährleistet. «Für Direktor, stellvertretenden Direktor und das ganze Personal gelten klare Ausstandsregeln.»

Das mag fürs Personal zutreffen, für den einflussreichen Institutsrat von Swissmedic gilt das nicht. Selbst manche Mitglieder dieses Aufsichtsorgans sind mit der Pharmaindustrie liiert. Carlo Conti, Basler Regierungsrat, war vormals oberster Jurist bei Roche und rechte Hand von Roche-CEO Franz B. Humer. Äusserst brisant ist die Pharmaverflechtung von Swissmedic-Institutsrat Reinhold Hotz. Er schreibt Gutachten für Firmen und Verbände, amtet als Rechtsberater der Vereinigung der Pharmafirmen in der Schweiz (VIPS). Dass er ausserdem Götti des Sohnes von Dieter Grauer, stellvertretender Direktor der Schweizerischen Gesellschaft für chemische Industrie (SGCI), ist, mag Zufall sein. Aus deren Reihen kam aber der Vorschlag, Hotz in den Institutsrat zu holen.

Diese Verbindungen zur Pharmabranche hält Professor Niklaus Tüller für «hochproblematisch». Damit habe die Industrie «einen direkten Draht» in die oberste Etage der Heilmittelbehörde. Obwohl die Doppeltätigkeit von Hotz schon mehrfach kritisiert wurde, sitzt er nach wie vor fest im Sattel und schreibt als Institutsrat weiter Gutachten für die Heilmittelbranche. Swissmedic nimmt auch zum Fall Hotz konkret keine Stellung, hält aber fest, Institutsräte besässen kein fachliches Weisungsrecht in einzelnen Sachfragen.

Doch Pharmafirmen benutzen Gutachten von Hotz zur Verteidigung in Strafverfahren, die Swissmedic eingeleitet hat. Zum Beispiel im Fall des Generikaherstellers Mepha. Reinhold Hotz riet dieser Firma, bei der Einführung des Medikaments Omezol Warenboni von über 20 Prozent zu gewähren. Aber genau wegen dieser Warenboni hat Swissmedic gegen Mepha letztes Jahr ein Strafverfahren eröffnet. Der hauseigene Strafverfolger von Swissmedic stösst also im Laufe eines Strafverfahrens plötzlich auf ein Gutachten des eigenen Aufsichtsorgans, mit dem sich die verdächtige Firma reinwaschen will. Eine unhaltbare Situation.

Zudem: Institutsräte und ihre Nebentätigkeiten werden nicht kontrolliert. Während der Dauer ihres Mandats können sie nicht abgesetzt werden, es fehlt ein Register der Nebenbeschäftigungen und gesetzlichen Ausstandsregeln – denn diese greifen nur für das Swissmedic-Personal. Pharmanahe Institutsräte wie Hotz können selbst dann mitreden, wenn Swissmedic Sanktionen gegen eine von ihnen betreute Firma prüft.

Der Institutsrat hat sogar direkten Einfluss auf die Rechtsetzung, denn die Leute um Schneller, Jenny, Conti und Hotz können selbst Verordnungen erlassen. Swissmedic kann nicht nur Strafverfahren einleiten und über Einsprachen zu Gericht sitzen, sondern entscheidendes Recht selber setzen – an Parlament und Bundesrat vorbei. Zwar sollten sich die Institutsverordnungen nach Ansicht des Gesetzgebers auf technische Fragen beschränken. Dokumente, die dem Beobachter vorliegen, zeigen aber: Der Institutsrat hält sich nicht daran und stellt entscheidende Regeln in politisch hochsensiblen Bereichen auf, die laut Preisüberwacher Rudolf Strahm dem Heilmittelgesetz widersprechen.

So geschehen bei den Parallelimporten, die das Parlament ermöglichen wollte, weil die Prämienzahler damit jährlich rund 20 Millionen Franken sparen könnten. Bis heute hat Swissmedic keinen einzigen Parallelimport bewilligt. Kein Wunder: Er scheitert oft bereits an einem einzigen Absatz in einer Swissmedic-Verordnung. Der Institutsrat verlangt dort nämlich, dass importierte Medikamente in der Schweiz genau gleich heissen wie im Ausland.

Der kleine Trick mit dem Vokal
Damit genügt ein einziger Vokal, um einen billigeren Parallelimport zu verunmöglichen. So könnten etwa das Magenmittel Zantic und das Antibiotikum Augmentin grundsätzlich importiert werden. Doch Zantic heisst im Ausland Zantac, und Augmentin heisst Augmentan. «Mit diesem simplen Trick halten Pharmafirmen dank den Vorschriften von Swissmedic in der Schweiz die Preise hoch und schotten den Markt gegen aussen ab», sagt Strahm.

Er hält diese Bestimmung in der Swissmedic-Verordnung für «spitzfindig und bürokratisch» und «sicher nicht im Sinne des Heilmittelgesetzes». Dieses verlange nur, dass die eingeführten Produkte von ihrer Zusammensetzung her identisch sind. Den gleichen Namen brauchen sie nicht zu haben.

Der Gesetzgeber habe das so gewollt, sagt Swissmedic-Sprecherin Helfer. «Heissen Medikamente unterschiedlich, so nährt dies den Verdacht, dass sie auch therapeutisch relevante Unterschiede haben.»

Jetzt wird die kritisierte Swissmedic-Verordnung revidiert. Doch die Bundesverwaltung will alles beim Alten lassen. In der Ämterkonsultation gab es keine Kritik. Nur von Preisüberwacher Strahm: «Dieses Hindernis für Parallelimporte muss ersatzlos gestrichen werden.»