Sie sind mit sich unzufrieden? Mit Ihrem Beruf, der Beziehung? Sie haben das Gefühl, Ihr Potenzial liege brach? Zeigt Ihre Waage zu viele Pfunde an? Oder macht Ihnen der Umgangston in der Familie zu schaffen? Alles kein Problem. Für jede Lage findet sich ein Coach, der Ihnen zeigt, wie Ihr Leben besser wird. Oder dies zumindest behauptet.

Mit klassischem Coaching hat all das nur mehr wenig zu tun. Dieses richtet sich laut Definition des Berufsverbandes für Coaching, Supervision und Organisationsberatung (BSO) «in erster Linie an Führungskräfte und Personen mit spezieller Projektverantwortung». Der Coach soll – oft im Auftrag und auf Kosten der Firma – seine Klienten fit machen für neue Herausforderungen.

In der Praxis kommt er etwa dann zum Zug, wenn ein Mitarbeiter die Lehrlingsabteilung übernimmt und merkt, dass er den Zugang zu den Jugendlichen nicht findet. Der Coach formt aus Mitarbeitern derselben Abteilung ein Team oder unterstützt die Übergabe eines Familienbetriebs an die nächste Generation. Auch vor dem Schritt in die Selbständigkeit kann Coaching sinnvoll sein.

Eigentlich ist jeder ein «Coach»

Doch die Branche hat ein Problem: Weil die Berufsbezeichnung «Coach» nicht geschützt ist, kann sich heute jeder und jede mit dem Titel schmücken. «Grosse Firmen schützen sich davor, indem sie eigene Leute ausbilden oder auf Pools von Fachleuten zurückgreifen, mit denen sie bereits gute Erfahrungen gemacht haben», sagt Hansjörg Künzli, Coaching-Experte an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Kleineren Betrieben rät der Psychologe und Betriebswissenschaftler, auf der Website eines Berufsverbandes wie dem BSO einen geeigneten Coach zu suchen oder sich im Umfeld nach Erfahrungen zu erkundigen.

Gleichzeitig wurde der Begriff Coaching in den vergangenen Jahren zu einem Synonym für Beratung. «Fast jede Dienstleistung, bei der zwei Menschen miteinander agieren, nennt sich heute Coaching Leistungssteigerung Was bringt Mentaltraining? », bringt es Fachmann Künzli auf den Punkt. Seine Erklärung für dieses Phänomen: «Coaching enthält eine Erlösungskomponente. Man glaubt, mit Coaching werde alles gut.»

Für jeden Lebensbereich ein Coaching

Dennoch staune er manchmal darüber, wie schnell der Begriff sich durchgesetzt habe. Selbst vor Kindern macht er nicht Halt. Neben herkömmlichen Angeboten – früher Erziehungsberatung oder Nachhilfe genannt – gibt es das Versprechen, Kinder von negativen Gefühlen zu befreien und ihnen zu ihrem vollen Potenzial zu verhelfen.

Es gibt Erlebnisse in der Natur (einst Erlebnispädagogik): Fischen mit Coaching oder Coaching mit Wölfen und Pferden. Wem das nicht genügt, der bucht ein Safari-Coaching in Afrika. Auch Esoteriker sind auf den Coaching-Zug aufgesprungen, etwa mit dem «Angel Coaching». Das versteht sich als Lebenshilfe und verspricht eine erfüllte Existenz – dank der Unterstützung von Engeln.

Die Kirche als Lebenshilfe verdrängt

«Selbstverständlich schadet dieser Wildwuchs dem seriösen Teil der Branche», sagt Künzli. Die Chance, dies zu ändern, habe man aber längst verpasst. Für die mögliche Kundschaft stellen sich deshalb vor allem zwei Fragen: Wie soll man sich in diesem Überangebot orientieren und einen seriösen Anbieter finden? Und wann ist es sinnvoll, Hilfe zu holen?

«Früher war die Kirche für die weltliche Lebenshilfe Psychische Krise «Nichts tun ist immer falsch» zuständig, heute ist es der Coach», sagt Künzli. Doch könnte nicht eine Freundin oder ein Freund diese Lücke füllen? «Ein Coach sollte über Problemlösung mehr wissen als ein Freund», betont der Fachmann.

Der gut ausgebildete Coach biete eine «Reflexionshilfe» und traue sich als Aussenstehender, unbequeme Fragen und Wahrheiten auszusprechen. In der Krise könne er herauszufinden helfen, ob diese vorübergehe oder nur durch eine Veränderung überwunden werden könne. Wenn zwei sich nur noch streiten, braucht es in der Regel einen neutralen Dritten, damit man sich wieder mit Respekt begegnet.

Ein Coach ist kein Psychotherapeut

Eine Einschränkung gibt es allerdings: Alles auf einmal sollte ein Coaching nicht lösen müssen. Das Angebot versteht sich als zielgerichtet, das Thema, das man dabei angeht, wird beim ersten Treffen vereinbart. «Merkt der Coach, dass dieses Ziel nicht erreicht werden kann, ohne vorher andere Probleme zu lösen, muss er dies offen ansprechen», sagt Künzli. Und dem Klienten die Wahl lassen, zu gehen.

Coaching grenzt sich deutlich von einer Psychotherapie Psychotherapie Des einen Freud... ab. Ein Coach arbeitet mit psychisch gesunden Frauen und Männern, die ihr Verhalten reflektieren und Veränderungen selbst herbeiführen können. Er zeigt ihnen bloss auf, woran sie scheitern oder wo sie sich selbst im Weg stehen. Man schaut nach vorne; Vergangenheitsbewältigung ist selten ein Thema.

Haben der Klient und sein Coach das angestrebte Ziel erreicht, trennen sich ihre Wege wieder. «Endlose Coachings helfen in der Regel nicht», sagt Hansjörg Künzli. «Wenn jemand vor jeder wichtigen Entscheidung den Coach anruft, läuft etwas schief.»

Persönlichkeitsentwicklung: So finden Sie den richtigen Coach

Die Mitgliedschaft im Berufsverband für Coaching, Supervision und Organisations-beratung (BSO), im European Mentoring and Coaching Council (EMCC) oder in der International Coach Federation (ICF) steht für einen Coach mit seriöser Ausbildung – aber nicht zwingend auch für einen guten Coach. Gleichzeitig ist nicht jeder gute Coach Mitglied in einem dieser Berufsverbände. Mindestens ebenso wichtig ist sein Werdegang und seine (Lebens-)Erfahrung.

Die Chemie zwischen Coach und Klient muss stimmen. Tut sie das nicht, kann er noch so hervorragend sein – in diesem Fall ist er der Falsche. Schon ein Blick auf die Website verrät vieles: Mit welchen Methoden arbeitet der Coach? Beschäftigt er sich mit den Themen, die Sie anpacken wollen? Legt er sein Konzept, seine Methoden offen? Welche Ausbildung hat er absolviert? Wie gut ist er mit anderen Fachleuten vernetzt?

Beim Erstgespräch hört er zu und prüft, ob er die richtige Anlaufstelle ist, um das anvisierte Ziel zu erreichen. Er legt einen ungefähren Zeitrahmen fest und stellt in Grundzügen sein Vorgehen dar.

Vorsicht ist geboten bei Allgemeinplätzen wie «Coaching kann man nicht beschreiben, man muss es erleben». Nach dem Erstgespräch lässt er dem Klienten genügend Bedenkzeit, um sich darüber klar zu werden, ob er sein Angebot annehmen will.

Während des Coachings bleibt er neutral und unvoreingenommen. Seine Feedbacks sind ehrlich und wertschätzend zugleich. Unbequeme Fragen stellt er so, dass er dabei nie herablassend wirkt.

Der Coach fällt keine Entscheidungen für seine Klienten, sondern gibt ihnen die Sicherheit, die richtigen Entscheidungen selbst fällen zu können.

Das Coaching kann jederzeit vorzeitig abgebrochen werden.

Wissen, was dem Körper guttut.
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Chantal Hebeisen, Redaktorin
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