«Eigentlich brauche ich das Erbe gar nicht»

«Ich erbe in einigen Jahren ein paar hunderttausend Franken, aber eigentlich brauche ich die gar nicht.» Mario Pelli, der potentielle Erbe, ist typisch für die immer grössere Zahl von bereits recht gut Situierten, die in einem Alter zu einer Erbschaft kommen, in dem entweder die Ausgaben sinken oder die Bedürfnisse nicht mehr zunehmen.

Der 64-jährige Gymnasiallehrer für Englisch wird in einigen Wochen pensioniert. Seine jüngere Ehefrau ist berufstätig, von den zwei Kindern geht eines noch zur Schule. «Auch wenn ich irgendwann dieses Geld bekomme», so Pelli, «wird sich an meinem Lebensstil nichts ändern.» Sparsam musste seine Familie durchkommen, als er noch ein Kind war, Extravaganzen hat er sich auch als anständig bezahlter Lehrer nicht geleistet. So seltsam es töne, meint er, aber ein paar hunderttausend Franken brächten gar nicht viel. Er würde vielleicht die Hypothek auf seiner Wohnung reduzieren, aber um den Lebensstil grundsätzlich zu verändern, reiche es dann doch nicht. Er könnte sich deshalb vorstellen, sein Erbe noch zu Lebzeiten seinen Kindern zu verschenken. «So hätten sie Geld in einer Lebensphase, in der sie es am nötigsten haben, sei das für die Ausbildung, bei der Familiengründung oder wenn sie sich Träume verwirklichen möchten.» Zudem könne er so selber bestimmen, wann und wie er sich von seiner Erbschaft trennen wolle.

Wenig Mühe würde Pelli die Vorstellung machen, wenn er - anders als heute - ein paar tausend Franken Erbschaftssteuer zahlen müsste. «Aus meiner staatspolitischen Überzeugung heraus fände ich das richtig, wenn Erbschaften besteuert würden. Bei einem Lottogewinn ist das schliesslich auch so.»

«Das Haus verkauft, um das Altersheim zu finanzieren»

«Das Haus war das Lebenswerk meiner Eltern», sagt Arno Hasler. Doch dem 40-Jährigen und seinen Geschwistern blieb keine Wahl; sie mussten es verkaufen, um Vater und Mutter den Altersheimaufenthalt zu finanzieren. Ein herber Schlag für den Vater, der als Zimmermann das Haus geplant und gebaut hatte. Alles Ersparte war darin investiert worden, nie hatte man sich Ferien gegönnt.

Eine Geschichte, wie sie viele erleben: 1998 erlitt Haslers Mutter einen Schlaganfall. Sie konnte nach dem Spitalaufenthalt zwar wieder nach Hause, brauchte aber fortan Unterstützung. Seine Schwester habe sie in dieser Zeit fast täglich betreut; manchmal auch nachts. «Nach einer Weile ging das für sie aber an die Belastungsgrenze. Wir hätten bald die Notbremse ziehen müssen.»

So weit kam es nicht. Nach einem zweiten Schlaganfall im Sommer 2005 blieb seine Muttaer linksseitig stark gelähmt. Die heute 80-Jährige konnte nicht mehr allein gehen. «Das Haus hat viele Treppen und ist nicht rollstuhlgängig», sagt Hasler. Da auch sein Vater nicht mehr gut zu Fuss war, konnte das Ehepaar nicht im eigenen Haus bleiben. Natürlich hätten sich seine Eltern zuerst gegen das Heim gesträubt: «Das Ganze war immer ein Reizthema.» Nach Konsultation mit der Spitex war klar, dass die Eltern allein nicht mehr zurechtkommen würden.

«Im November 2005 wurde im Altersheim in Altstätten SG ein Zimmer frei.» Das Heim bot an, die beiden gleichzeitig aufzunehmen - für rund 9000 Franken pro Monat.

Angesichts des bescheidenen Vermögens der Eltern war klar, dass sie ihr Haus verkaufen mussten. Die Kinder übernahmen diese Aufgabe selbst. Einen Käufer zu finden erwies sich aber als schwierig: «In Altstätten wurde damals viel gebaut, die Preise waren im Keller, und am Haus gabs noch Renovationsbedarf.»

Nach einem Jahr war das elterliche Vermögen fast aufgebraucht und das Haus noch immer nicht verkauft. «Ich überlegte mir schon, mit dem Heimleiter Kontakt aufzunehmen», sagt Hasler. «Notfalls hätten wir die Hypothek erhöhen müssen.» Schliesslich fand sich doch noch ein Käufer. Was nach Abzug der Grundstückgewinnsteuer übriggeblieben sei, reiche, um das Altersheim nun noch für zwei weitere Jahre zu bezahlen, sagt Hasler. «Dann müssen wir weitersehen.»

«Dann müsste wohl auch meine Tochter ausziehen»

13-07-bertschi.jpg

Max Bertschi sorgt sich um seine Zukunft. «Es würde mir weh tun, wenn ich wegen des Altersheims das Haus verlieren würde», sagt der 81-Jährige, «denn dann müsste wohl auch meine Tochter ausziehen.» Wollte sie das Haus übernehmen, müsste sie ihre Schwester auszahlen - das werde sie sich kaum leisten können. Schon deshalb möchte Bertschi so lange wie möglich zu Hause im zürcherischen Hüntwangen bleiben.

Seit seine Frau vor sieben Jahren starb, führt der rüstige Rentner seinen eigenen Haushalt - mit etwas Unterstützung. Die Tochter, die bei ihm wohnt, hilft ihm; die andere, die etwas weiter weg lebt, besorgt an den Wochenenden den Garten. Mit seiner Familie habe er ausgemacht, dass er sie für die Betreuung bezahle, wenn sich seine Gesundheit plötzlich massiv verschlechtern und der Aufwand zunehmen sollte.

Aber selbst dann möchte Bertschi mit Hilfe der Spitex noch möglichst lange zu Hause bleiben. Das bisschen Ersparte würde er natürlich dafür einsetzen. Man sei schliesslich verpflichtet, etwas fürs Alter beiseitezulegen. «Aber ich bin dagegen, dass der Staat zur Kostendeckung auf das Haus zurückgreifen kann.» Viele in seiner Generation, die eine Liegenschaft besässen, hätten sie sich vom Mund abgespart, während andere es sich hätten gutgehen lassen und nun ungeniert die hohle Hand machten, betont Bertschi.

Fürs Altersheim habe er sich noch nicht angemeldet, aber sich darüber informiert: Es gebe in Hüntwangen eine private Institution, die je nach Betreuungsaufwand zwischen 4000 und 9000 Franken im Monat koste. «Aber dort leben und zusehen zu müssen, wie jemand in meinem Haus wohnt, wäre schwer zu ertragen.»