Rezept: Pain de Riz à l'Orange
Auswärts essen, gemütlich und genüsslich: zuerst einige Vorspeisen, dann ein Gang mit Fisch, ein vegetarisches Zwischenspiel, daraufhin ein Stück Fleisch und schliesslich ein bisschen Käse. Wunderbar! Aber dann folgt jener Gang, den ich mittlerweile fast schon fürchte: das Dessert! Nichts hat sich seit der Nouvelle Cuisine mittlerweile eine vergangene Ära so sehr und so negativ verändert wie das Dessert. Heutzutage kommt es zwar meistens grossartig daher, bietet kulinarisch aber wenig.
Ein Blick in die Kochgeschichte soll zeigen, wie es dazu kam. Bis weit in unser Jahrhundert hinein dominierte die Küche des 19. Jahrhunderts mit ihren prachtvollen Aufbauten und der kunstvollen Auslage der Zutaten. Zu Beginn der siebziger Jahre setzte der grosse Wandel ein: Fast schon puristische Klarheit war angesagt. Die grosse Küchenrevolution präsentierte sich dem Gast folgendermassen: Auf dem Teller lag eine perfekt gekochte Speise und daneben eine genauso perfekt gekochte Beilage.
Vorbei waren die Zeiten, da die zahlreichen Beilagen im Voraus zubereitet und gekocht vor dem Servieren nur noch aufgewärmt wurden. Vorbei die Zeiten, da Grundsaucen Wochen vorher hergestellt wurden und dann an der Herdseite im Wasserbad auf ihren Einsatz warteten. Frisch so hiess das Wort der Stunde. Frisch vom Markt wollten die Köche ihre Produkte und Zutaten haben, und frisch zubereitet sollte das Gericht vor den Gast kommen.
Dies verlangte klares Denken und eine klare Infrastruktur von Küche und Service. Hier liegen die grossen Verdienste der Nouvelle Cuisine und der «neuen Köche» wie Paul Bocuse, Jean und Pierre Troisgros und Alain Chapel, die sie entwickelten und damit fast 15 Jahre lang Massstäbe setzten.
Was den Köchen der Nouvelle Cuisine Ruhm bescherte, rief jedoch auch zahlreiche weniger begabte Berufskollegen auf den Plan. Was bei den Grossen des Metiers vor die Gäste kam, wurde von ihnen notiert; bald standen diese Gerichte auch in anderen Restaurants auf der Karte. Allerdings in minderer Qualität.
Lachsstücke etwa: Was beim Meisterkoch perfekt auf den rosa Punkt gegart war, lag andernorts entweder viel zu trocken oder noch fast roh auf dem Teller. Und die Sauce: ein Trauerspiel aus leimig eingekochtem Fischfond, etwas Bechamelsauce und viel zu lange gegartem Sauerampfer. Nichts war geblieben vom pikanten Aroma des frischen Sauerampfers, der sich so wunderbar zur sämigen Sahnesauce bindet und damit einen fabelhaften Kontrast zum markig-saftigen Lachsfleisch bildet.
Was die grossen Restaurants der Gründerväter der Nouvelle Cuisine jedoch ganz besonders auszeichnete, war das gewaltige, fahrbare Dessertbuffet, das zum Ende einer Mahlzeit jeweils an die Tische der Geniesser gekarrt wurde. Der Gast liess sich auf den Teller laden, was sein Herz begehrte. Diese Desserts waren genauso frisch zubereitet wie die anderen Speisen.
Schokolade als Gaumenschocker
Auch hier wurden Nachahmer aktiv. Weil diese nicht zweimal am Tag so zahlreiche Desserts frisch herrichten wollten, begannen sie eine Auswahl von Süssspeisen zu Desserttellern zusammenzustellen. Tagelang warteten diese dann in Kühlschränken auf ihren Einsatz. Die Misere wurde von Küchenlyrik überglänzt etwa mit «La sinfonie des douceurs» oder vielleicht auch «La douce surprise du chef».
Leider ist dies bis heute so geblieben. Selbst «grosse Häuser» erleichtern sich mittlerweile die Küchenarbeit auf diese Weise. So servieren sie «Les trois variations sur le chocolat» und vergessen völlig, dass es genügen würde, allein den besten Schokoladekuchen oder die beste Schokoladenmousse zu servieren. Und dass der Gaumen des Gastes bereits nach dem ersten Schokoladedesserts für jedes weitere unempfindlich geworden ist.
Aus vergangenen grossen Küchenzeiten ist mir ein Dessert ganz speziell in Erinnerung geblieben: «Le pain de riz à lorange». Kreiert hat es Jean Troisgros. Er war es, der es mir einst in seinem Lokal empfahl, obwohl ich es eigentlich nicht hatte wählen wollen. Selbstverständlich hatte er sich nicht getäuscht.
Pain de Riz à lOrange
Zutaten für 6 bis 8 Personen:
1 Liter Milch
2 Prisen Salz
50 Gramm Butter
4 bis 5 ungespritzte
Bioorangen
200 Gramm Zucker
1 Deziliter Rum
Zubereitung
Konfierte Orangenschalen
150 bis 200 Gramm Zucker
Die Schalen ohne weisse Unterhaut von den Früchten entfernen und in Streifchen schneiden. Diese in einem Pfännchen mit Wasser übergiessen und alles zum Kochen bringen. Dann abgiessen und in kaltem Wasser «erfrischen». Zwei bis drei Deziliter Wasser aufkochen, den Zucker auflösen und die Zesten in 30 bis 45 Minuten garen. Trocknen lassen und über die Küchlein streuen.
Die Tricks
Wasserbad stellen. Anderseits genügt auch das Ausspülen mit kaltem Wasser.