Grundsätzlich ist es eine gute Sache, wenn man seine Schulden so rasch wie möglich begleicht. Aber nicht, wenn man seine Festhypothek vor der Fälligkeit zurückzahlt. Oft geht das aber nicht anders. Etwa wenn man gezwungen ist, sein Haus zu verkaufen.

Bei vorzeitiger Rückzahlung einer Festhypothek wird eine Strafe fällig. Die Gläubigerin (Bank, Versicherung oder Pensionskasse) will sich so schadlos halten. Diese Strafzahlung nennt sich denn auch Vorfälligkeitsentschädigung oder Reueprämie.

Je länger die Restlaufzeit, je höher der vereinbarte und je tiefer der aktuelle Zins, desto teurer wird es für den Schuldner, wenn er die Hypothek vorzeitig zurückzahlt. Denn er muss die vertraglich vereinbarten Zinsen für die ganze Restlaufzeit auf einen Schlag vergüten. Reduziert wird die Reueprämie allenfalls durch den Wiederanlagesatz. Das ist der aktuelle Zinssatz, den die Bank erzielt, wenn sie das zurückgezahlte Geld erneut anlegt.

Kostenfalle Hausverkauf

In «normalen» Zeiten mit positiven Zinsen funktioniert das so: Jemand kündigt vorzeitig eine Hypothek über 600'000 Franken mit drei Prozent Zins und einem Jahr Restlaufzeit. Wenn der Wiederanlagesatz bei zwei Prozent liegt, schuldet der Kreditnehmer nun die Zinsdifferenz von einem Prozent auf 600'000 Franken für das verbleibende Jahr, also 6000 Franken.

Aber: Weil die Zinsen heute im negativen Bereich sind, rechnen einige Banken auch mit einem negativen Wiederanlagesatz. Bei der Berechnung der Reueprämie verrechnen sie bei einer Restlaufzeit bis zu einem Jahr auch den Negativzins, den Libor. Bei einem Zwölfmonatslibor von minus 0,5 Prozent muss der Rückzahlungswillige nicht nur die ursprünglich vereinbarten 3 Prozent bis zum Ende der Laufzeit zahlen, sondern 3,5 Prozent, also happige 21'000 Franken.

«Von der Sache her leuchtet die Berücksichtigung eines negativen Zinssatzes ein», sagt Thomas Koller, Professor für Privatrecht an der Universität Bern. «Mit einer Festhypothek ist der Kunde gegen steigende Zinsen abgesichert, die Banken gegen sinkende Zinsen.»

Allerdings: Kaum eine Bank platziert das zurückgezahlte Geld am Geldmarkt oder kauft damit negativ rentierende Staatsanleihen. Vielmehr vergibt sie neue Kredite oder findet andere Anlagemöglichkeiten.

Im Härtefall zum Ombudsmann

Nur ein Teil der Banken verwende bei der Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen einen negativen Wiederanlagesatz, sagen Marco Franchetti und Rolf Wüest von der Stiftung Schweizerischer Bankenombudsmann. Diese Banken sind der Auffassung, sie müssten nicht beweisen, dass sie bei der Wiederanlage eine negative Rendite erzielen. Allerdings finden die Schlichter für Bankfragen, dass das vorzeitige Zurückzahlen mit dem ursprünglich vereinbarten Zinssatz genügt und der negative Zins nicht draufgeschlagen werden darf.

Zumindest in Härtefällen ist es ihnen gelungen, diese Berechnungsmethode zugunsten des Kunden durchzusetzen – selbst wenn der Vertrag die Bank zur Belastung eines negativen Wiederanlagesatzes allenfalls berechtigt hätte.

Grundsätzlich gelte immer die konkrete Handhabe gemäss Vertrag, soweit dieser klar ist, betont Rolf Wüest. So hält zum Beispiel die Credit Suisse fest: «Abgerechnet wird immer mit einem am Markt erzielbaren Wiederanlagesatz für die Restlaufzeit gemäss Rahmenvertrag. Wenn am Markt negative Anlagesätze gestellt werden, dann werden diese verwendet.»

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Wer Wohneigentum erwerben will, ist in der Regel auf fremde Mittel angewiesen. Verschiedene Institute gewähren entsprechende Kredite in Form von Hypotheken. Beobachter-Abonnenten erfahren nicht nur, welche es gibt, sondern worauf man generell bei der Finanzierung von Wohneigentum achten sollte.

Selbst Experten sind sich nicht einig

Die Credit Suisse gibt sich noch zusätzlichen Spielraum und spricht vom «nach Ermessen der Bank erzielbaren Zinssatz für eine Ersatzanlage am Geld- und Kapitalmarkt». Der Kreditnehmer dürfte eine schlechte Argumentationsbasis haben, wenn er nur zu einer günstigeren Hypothek wechseln will.

Der Bankenombudsmann verweist jedoch darauf, dass unter Experten kontrovers diskutiert wird, ob man bei einer derart berechneten Vorfälligkeitsentschädigung nicht einen Anspruch auf Herabsetzung geltend machen kann. Wenn der Vertrag nicht zweifelsfrei formuliert ist, müsste er eigentlich zugunsten des Schwächeren ausgelegt werden, also zugunsten des Kunden.

Ob geschlichtet wird, hängt auch von der Situation des Schuldners und seinem Motiv ab. Wenn ein Millionär seine Hypothek vorzeitig kündigen will, weil er es nicht erträgt, dass der Nachbar die günstigere Hypothek hat, interveniert der Ombudsmann nicht. Falls aber die Alleinerziehende vor dem Zwangsverkauf der Immobilie steht, versuchen Franchetti und seine Kollegen die Bank dazu zu bewegen, keinen negativen Wiederanlagesatz geltend zu machen.

Lange Laufzeiten sind riskant

Obwohl es derzeit attraktiv erscheinen mag, die historisch tiefen Zinssätze für möglichst viele Jahre festzulegen, müssen sich Hypothekarnehmer bewusst sein, dass eine fixe Laufzeit ein Risiko ist. Auch wer für Jahrzehnte im Eigenheim wohnen will, kann von Jobverlust, Krankheit, Unfall oder Scheidung getroffen werden.

Wer das Risiko der riesigen Reueprämie vermindern möchte, wählt entweder eine kürzere Laufzeit, wofür die Zinsen ebenfalls historisch günstig sind. Oder er teilt die Hypothek in verschiedene Tranchen mit unterschiedlichen Laufzeiten. Eine weitere Möglichkeit ist das Beimischen einer Geldmarkthypothek, aktuell die günstigste Variante – zumindest bis sich die Zinssituation normalisiert. Wann das der Fall sein wird, weiss zum heutigen Zeitpunkt jedoch niemand.

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