Die Beobachter-Recherche zur Zwangsarbeit für Emil Bührle hat Folgen: Die Stadt Zürich will Millionen an die Opfer ihrer damaligen Sozialpolitik auszahlen. Nach dem Artikel über die «Versorgten» des Bührle-Fabrikheims hat die Zürcher SP-Stadtparlamentarierin Christine Seidler per Vorstoss eine Aufarbeitung gefordert. Darauf entschied die Stadtregierung: Jedes Zürcher Opfer von Zwangsarbeit oder anderen Zwangsmassnahmen soll 25'000 Franken erhalten.

«Die fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 sind eines der dunkelsten Kapitel der Schweizer Sozialgeschichte», schreibt der Zürcher Stadtrat. Alle, denen die Behörden der Stadt Zürich in diesem Zusammenhang Unrecht angetan haben, sollen die Zahlung erhalten. Der «kommunale Solidaritätsbeitrag» ergänzt die Einmalzahlungen des Bundes in gleicher Höhe.

Das Zürcher Stadtparlament soll nun eine Verordnung dazu erlassen. Die Stadt rechnet mit einer Ausschüttung von rund acht Millionen Franken an 320 betroffene Frauen und Männer.

«Der Entscheid der Stadt Zürich freut mich besonders für die Betroffenen sehr», sagt SP-Politikerin Seidler. Sie machte hinter den Kulissen erheblich Druck auf die Stadtregierung. «Die Betroffenen sind mittlerweile sehr alt. Ich sagte der Stadt Zürich, dass es wirklich eilt mit einer finanziellen Zahlung.» Seidler hofft, dass auch weitere Städte ihren Zwangsarbeitsopfern eine Geldsumme zusprechen. «Das muss der Anfang einer gesamtschweizerischen Entwicklung und Aufarbeitung sein.»

«Gemeinden in der Pflicht»

Der Zürcher alt Regierungsrat Markus Notter war Präsident der Unabhängigen Expertenkommission Administrative Versorgungen. Er sagt: «Der ‹kommunale Solidaritätsbeitrag› Zürichs muss den Gemeinden einen Anstoss geben, ihren eigenen Betroffenen ebenfalls Geldbeiträge zuzusprechen. Der Gemeindeverband und der Städteverband sollten sich verpflichten, das Thema gesamtschweizerisch anzugehen.»

Andere Gemeinden sollten ihre Rolle bei den fürsorgerischen Zwangsmassnahmen ebenfalls aufarbeiten und dafür die Verantwortung übernehmen.

Beim Städteverband heisst es, das sei Sache der einzelnen Städte. Gemeindeverbandspräsident Hannes Germann sagt, wenn jemand auf den Verband zukomme, würde man das prüfen. Unbestritten sei, dass grosses Unrecht geschehen sei.

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