Die Kinder kommen hungrig von der Schule heim, das Notebook steht noch auf dem Küchentisch, die Arbeit ist nur halb gemacht, das Abendessen gar nicht. Also rasch ein paar Ravioli aus dem Beutel ins kochende Wasser flutschen lassen und ein Glas Tomatensauce aufwärmen. Keine Spur von «mehr Zeit zum Leben», wie es uns der Slogan der Convenience-Marke der Migros, «Anna’s Best», jahrelang suggeriert hat. Sondern eher: überleben.

Schade. Denn eigentlich bin ich überzeugt, dass ein mit Liebe gebrutzeltes Essen beinahe jeden Tag retten kann. Und dass nichts Seele und Körper besser nährt als ein Brot, das man eigenhändig aus dem heissen Backofen geholt hat. Aber eben, Kochen besteht, gerade wenn man unter Zeitdruck steht, nicht nur aus der Kür, sondern auch aus einem ausgedehnten Pflichtprogramm. Ohne Tricks kommt da niemand aus; Fertiggerichte erscheinen als verführerische Lösung.

Durchbruch in den 70er-Jahren

Eines der ersten Rezepte für Convenience-Food hat Goethes Grossmutter Anna Margaretha Textor in ihrem 1724 erschienenen Kochbuch beschrieben: die «Postsuppe». Sie kochte eine kräftige Fleischbrühe so lange ein, bis diese sich in erkaltetem Zustand in Würfel schneiden liess. Die Suppenwürfel nahm sie mit auf Reisen, in die Postkutsche, und rührte sie unterwegs mit Wasser zu einer Suppe an. Zum Massenphänomen wurde das bequeme Essen – denn nichts anderes bedeutet der Begriff Convenience-Food – aber erst in den 1970er-Jahren, als Mütter vermehrt ins Berufsleben einstiegen und froh waren um Schnellgerichte wie Knorr-Suppe und Stocki.

Mittlerweile boomt das Geschäft mit industriellem Essen. Das belegen die meterlangen Convenience-Food-Regale im Supermarkt und die unzähligen neuen Coop-Pronto- und Migrolino-Läden, die vor allem Fertig- und Halbfertigprodukte anbieten. Im ansonsten stagnierenden Detailhandel ist Convenience-Food eine Wachstumsnische, in der sich gutes Geld verdienen lässt.

Dabei essen wir gegen unser eigenes Ideal an. Sogenannte Frisch-Convenience-Produkte liegen deshalb im Trend. Sie werden durch schonende Verfahren für einige Tage oder wenige Wochen haltbar gemacht und kommen oft sogar ohne Zusatzstoffe aus. Früher hatten wir Büchsenravioli, gestern gekühlte Pasta im Beutel – und heute greifen wir zu vorgewaschenem Bio-Fertigsalat.

Ein Blick in den eigenen Vorrat

In meinem Vorratsschrank befinden sich derzeit folgende kulinarische Wunderwaffen: tiefgekühlte Erbsen, Fünf-Minuten-Polenta, eine Packung Ravioli mit Steinpilzen, fixfertig ausgewallter Blätterteig, ein Beutel Randensalat und das Puddingpulver, mit dem mein Mann unsere Kinder so gerne beglückt.

Mein Blick bleibt am Mindesthaltbarkeitsdatum des Instantpuddings hängen – noch ganze neun Monate ist er geniessbar! Viele natürliche Zutaten werden da wohl kaum drin sein. Das Pulver besteht aus Zucker, Maisstärke, Geliermittel, Farbstoff und Aroma. Keine Milch, keine Vanille. Mit dem Pudding, den meine Grossmutter für mich kochte, hat dieses lebensmitteltechnische Kunstwerk nichts mehr gemein.

Skeptisch studiere ich die Zutatenliste meiner anderen Convenience-Produkte. Nur gerade beim Tiefkühlgemüse (ohne Zusatzstoffe) und bei der Quick-Polenta (im Dampf vorgekocht) handelt es sich um natürlich belassene Lebensmittel. Die Steinpilzravioli sind nicht nur mit Pilzen, sondern auch mit «Pflanzenfasern» gefüllt. Da erstaunt es nicht, dass man dem Geschmack mit Aromen auf die Sprünge helfen muss. Im Blätterteig befinden sich Konservierungsstoffe, Emulgatoren, Zitronensäure, Aroma und Mehlbehandlungsmittel. Und der so gesund aussehende Randensalat wurde mit Glutamat aufgepeppt.

Ich greife zum Telefon und rufe den deutschen Autor Hans-Ulrich Grimm an. Er hat zahlreiche Bücher zum Thema Ernährung geschrieben, darunter den Bestseller «Die Suppe lügt». Sind die Stoffe, die einen eher an eine Chemiefabrik als an eine Küche denken lassen, wirklich unbedenklich? «Kein einziger von diesen Zusatzstoffen ist unproblematisch», sagt Grimm. «Ich könnte zu jedem einzelnen einen 30-minütigen Vortrag halten.» Die Kurzfassung: Der Geschmacksverstärker Glutamat steht im Verdacht, bei empfindlichen Menschen das sogenannte China-Restaurant-Syndrom zu verursachen, das sich unter anderem in Kopfschmerzen und Herzklopfen äussert. Glutamat soll zudem eine Rolle spielen bei der Übergewichtsepidemie in den Industrienationen.

Seit der Geschmacksverstärker in Verruf geraten ist, setzen Hersteller auf Hefeextrakt. Das klingt zwar nach Natur, enthält aber ebenfalls Glutamat, das mit dem industriell gefertigten Zusatzstoff chemisch identisch ist. Für ebenso tückisch hält Grimm künstliche Aromen: «Sie täuschen den Körper. Wir essen nicht mehr das, wonach er eigentlich verlangt. Das kann zu einem Mangel an Nährstoffen führen.»

Zitronensäure: Der gefährlich gewordene Zusatzstoff

Auch bei den Zusatzstoffen macht erst die Dosis das Gift. Dumm nur, dass niemand so genau weiss, wo die Grenze zwischen «noch harmlos» und «gesundheitsgefährdend» liegt, gerade wenn es um die Ernährung von Kindern geht. Der Zusatzstoff Zitronensäure ist dafür ein gutes Beispiel: Eigentlich handelt es sich um einen harmlosen Konservierungsstoff, der wie die natürliche Zitronensäure aus Zitrusfrüchten wirkt. Problematisch ist er nur, weil er mittlerweile sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt wird und wir ihn in hohen Dosen konsumieren. Er kann die Zähne angreifen und Aluminium und Blei ins Hirn transportieren. Letzteres ist bei Kindern besonders heikel, weil deren Hirn-Blut-Schranke noch nicht voll ausgebildet ist. «Das kann zu Lern- und Gedächtnisstörungen führen», sagt Grimm.

Als ich am nächsten Tag die Begriffe «Convenience-Food» und «Vitamine» google, stelle ich fest, dass Fertiggerichte besser sind als ihr Ruf: Tiefkühlgemüse ist oft vitaminreicher als frisches Gemüse, das einige Tage im Kühlschrank gelegen hat. Das liegt daran, dass die Ware nach der Ernte innert Stunden schockgefroren wird. Noch erstaunlicher ist das Ergebnis eines Tests des renommierten Analyseinstituts Nehring in Braunschweig, das den Vitamin- und Nährstoffgehalt von selbstgekochten Menüs und Fertiggerichten verglichen hat. Resultat: Die Unterschiede sind minimal; die selbstgekochte Hühnersuppe schneidet nicht besser ab als die aus der Dose. Auf Zusatzstoffe sind die Fertiggerichte allerdings nicht geprüft worden. Zu ihnen haben die meisten Lebensmittelchemiker ein unverkrampftes Verhältnis: Was von staatlichen Stellen geprüft und zugelassen sei, könne kaum schädlich sein. Ein Glaubenskrieg.

Warum selber zubereiten nicht umweltfreundlicher ist

Fertiggerichte überraschen auch in einer weiteren Hinsicht. Eine Untersuchung des Öko-Instituts in Freiburg im Breisgau zeigt: Die Energiebilanz eines selbstgekochten Menüs ist nicht besser als diejenige eines tiefgekühlten Fertiggerichts. Wobei bei Letzterem der Transport der Rohstoffe in die Fabrik, die Verpackung der Pizzen, die gekühlte Auslieferung und die Lagerung in der privaten Tiefkühltruhe mitberücksichtigt sind. Die Forscher haben herausgefunden, dass eine selbstzubereitete Pizza ungefähr gleich viel Treibhausgasemissionen verursacht wie eine Tiefkühlpizza oder eine Fertigpizza aus dem Kühlregal. Immer fällt die Herstellung der Zutaten, etwa von Käse und Salami, am meisten ins Gewicht. Weil bei der industriellen Zubereitung grosse Mengen verarbeitet werden und modernste Geräte zum Einsatz kommen, ist der Kochprozess in der Fabrik energieeffizienter als das Kochen in den eigenen vier Wänden.

Beruhigende Nachrichten. Wenn da nicht zwei schlagende Argumente wären, die gegen Convenience-Food sprechen: Preis und Geschmack. Bei der Migros kostet ein Kilogramm Karotten Fr. 2.60, für die gleiche Menge Rüeblisalat muss ich 10 Franken hinblättern. Was den Geschmack angeht, gilt die Regel: Je stärker ein Lebensmittel verarbeitet ist, desto langweiliger ist sein Geschmack. Es erstaunt nicht, dass eine Expertenrunde, die für «K-Tipp» 20 Fertigmenüs verkostet hat, zu einem ernüchternden Resultat gekommen ist: Nur acht Produkte erhielten die Note «genügend».

Wer auch dann gut und gesund essen will, wenn die Zeit knapp ist, der muss sich auf die Suche nach einer Alternative machen. Doch wie könnte die aussehen?

Take-away vom Nachbar

Glücklich dürfen sich diejenigen schätzen, die ihre Fertiggerichte bei einem leidenschaftlich kochenden Nachbarn beziehen können. So wie die Bewohner der Zürcher Riedtli-Siedlung, die bei Ko Siriwetchaphan jeweils an zwei Wochentagen auf Vorbestellung ein original thailändisches Menü abholen können. Das ungewöhnliche Angebot hat ein hungriger Nachbar initiiert, der oft spät von der Arbeit nach Hause kam und die herrlichen Düfte aus Siriwetchaphans Küche im Treppenhaus erschnupperte. Eines Tages fasste er sich ein Herz und fragte den Thailänder, ob er gegen Bezahlung auch für ihn, den Nachbarn, kochen würde.

Mittlerweile gehen bis zu 30 Menüs über die Gasse. Siriwetchaphans kleine Wohnung hat sich zu einem lebhaften Treffpunkt entwickelt, die meisten Kunden kommen aus dem Quartier. Ehefrau Claudia füllt die mitgebrachten Tupperware-Behälter und macht die Buchhaltung. Sohn Sam, 8, öffnet den Gästen die Tür, Tochter Lili, 10, kassiert 16 bis 20 Franken pro Menü mit Schweizer Fleisch und Biogemüse. Eine Win-win-Situation für die Nachbarschaft und den Hausmann Ko Siriwetchaphan, der seinen Traumnebenjob gefunden hat.

In der Genossenschaft Kalkbreite in Zürich hat man eine andere Lösung für das Keine-Zeit-zum-Kochen-Problem gefunden: Rund 50 Menschen leben seit Mai 2014 in einem sogenannten Grosshaushalt zusammen und teilen sich eine Köchin. Die Genossenschafter verfügen in ihren Wohnungen über eine Küche, haben aber die Möglichkeit, am Abend auf Voranmeldung in einem gemeinsamen Ess- und Aufenthaltsraum zu speisen. Das Biogemüse wird gemeinsam mit der Hofgenossenschaft Vision Birchhof produziert. Das Abendessen kostet neun Franken, hinzu kommen ein monatlicher Fixbeitrag für die Infrastruktur und der Lohn des Küchenpersonals.

Rezept und Zutaten zustellen lassen: Ja oder nein?

Wer wie ich in einer ganz normalen Reihenhaussiedlung lebt, hat die Möglichkeit, sich wenigstens den Einkauf und die Rezeptplanung von einem Lebensmittel- und Rezeptlieferanten abnehmen zu lassen. Ich bestelle bei der Firma Kochpost für 135 Franken ein Paket, das Zutaten für drei Familienmahlzeiten und die entsprechenden Rezepte enthält. Das mit der Post zugestellte Paket überzeugt: Das Hackfleisch hat wie viele andere Zutaten Bio-Knospe-Qualität und wird gut gekühlt geliefert, das Gemüse ist knackig und sparsam verpackt. Das Rezept für die Spaghetti mit Hackbällchen in mediterraner Sauce fällt am Familientisch allerdings durch: Vier Esslöffel getrocknete Provence-Kräuter lassen das Essen nach Apotheke schmecken. Wir sind nicht sicher, ob wir uns die Zubereitung des Gerichts wirklich von der Kochpost diktieren lassen möchten.

Am Selberkochen führt – zumindest in meiner Wohnsituation – kein Weg vorbei. Lässt sich wenigstens der Einkauf einfacher gestalten? In Winterthur bietet der Verein «Läbesruum» ein Gemüseabo an: Von April bis Weihnachten beliefert er die Abonnenten jede Woche mit einer Kiste saisonalem Biogemüse aus der Region. Das Gemüse muss nicht in einem Depot abgeholt werden, wie das bei anderen Abos der Fall ist, sondern wird mir – fast ökologisch korrekt – mit dem E-Bike direkt vor die Tür geliefert. So kann ich mir den Einkauf auf dem Wochenmarkt sparen. Wobei die Preise nicht höher sind als dort: Ein Abo für drei bis vier Personen kostet 35 Franken pro Woche.

Weil das Gemüse im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms von Erwerbslosen angebaut und geerntet wird, unterstütze ich dabei erst noch eine soziale Institution. Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt: Ein Biogemüse-Abo verpflichtet mich dazu, erstklassige frische Zutaten zu verwenden. So ist gesunde Ernährung garantiert.

Jetzt müsste sich nur noch das Kochen effizienter gestalten lassen. Vor mehr als 20 Jahren machte der englische Kochbuchautor Nigel Slater mit seinem Bestseller «Real Fast Food» vor, wie man sich aus frischen Zutaten fix etwas Leckeres kocht. In der Folge sind unzählige Kochbücher für schnelle Alltagsgerichte erschienen – bis hin zu «Jamies 15-Minuten-Küche».

Mehr davon!

Warum aber sollten wir heute nicht einen Schritt weitergehen und unseren Kühl- und Gefrierschrank mit selbstzubereitetem Convenience-Food füllen? Jeder kann Suppe oder hausgemachte Kartoffelgnocchi tiefkühlen. Es ist sinnvoll, so viel Pasta in den Kochtopf zu geben, dass es am nächsten Tag auch noch für einen Auflauf reicht. Und den Sonntagsbraten so zu berechnen, dass ein Teil davon im Handumdrehen zu einem leckeren Vitello tonnato weiterverarbeitet werden kann.

Ich beschliesse, fortan auf Vorrat zu kochen, so wie das meine Grossmutter auch getan hat. Und realisiere bald: Erstens habe ich nach der Arbeit keinen Last-Minute-Einkaufsstress mehr. Zweitens brauche ich weniger Zeit zum Kochen. Drittens verringert sich das Chaos in der Küche spürbar. Viertens verbrauche ich weniger Strom, wenn ich drei Brote gleichzeitig backe.

Diese Art des Kochens ist immer noch aufwendiger, als einen Beutel Ravioli zu erwärmen, da wollen wir uns gar nichts vormachen. Und ja, man kommt nicht darum herum, wenigstens in groben Zügen einen Menüplan zu erstellen. Aber ist es das nicht wert? Immerhin kommt so jeden Tag gesundes Essen auf den Tisch, das ebenso gut schmeckt, wie es guttut.

Biogemüse-Abo und Take-Away

Bioabi, Bern
Biogemüse, auf Wunsch auch Biokäse und -eier, von Biohöfen, Die Lieferung erfolgt alle zwei Wochen, bis vor die Haustür. Besonderes: Geschenkabos.
www.bioabi.ch

Birsmattehof, Basel
Biogemüse, auf Wunsch auch Most, Eier, Quark oder Fleisch. Im Sommer wird wöchentlich geliefert, im Winter alle zwei Wochen. Das Gemüse kann in 48 Depots abgeholt werden. Besonderes: Abo für stillende Mütter.
www.birsmattehof.ch

Brüederhof, Dällikon ZH
Biogemüse-, Biokarotten-, Biokartoffel- oder Eier-Abo. KAG-Fleisch-Bestellung möglich. Lieferung wöchentlich, alle zwei Wochen oder jeden Monat in ein Quartierdepot. Besonderes: Wer möchte, kann sich seinen Gemüsekorb stets neu zusammenstellen.
www.bruederhof.ch

Gmüeschorb, Luzern
Das Biogemüse wird alle zwei Wochen in ein Quartierdepot geliefert. Besonderes: Die Konsumenten können Wünsche für die Produktion anbringen.
www.gmüeschorb-luzern.ch

Was tun, wenn Sie zu Hause ein Take-away eröffnen möchten?

  • Falls Sie zur Miete wohnen, muss der Vermieter mit Ihrem Vorhaben einverstanden sein.

  • Wenn Sie in Ihrer Wohnung ein Gewerbe betreiben, nutzen Sie die Wohnung um. Das Bauamt gibt Auskunft, ob dafür eine Bewilligung notwendig ist.

  • Erkundigen Sie sich beim zuständigen Amt (Gewerbepolizei, Lebensmittelinspektorat) oder bei einem Gastroverband über die gesetzlichen Auflagen.

  • Mittelfristig könnten Sie die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) erwägen. Das kann rechtliche und betriebliche Vorteile bringen.