Glücklich, wer den Juni auf dem Jungfraujoch verbringen konnte. Während des ganzen Monats wurde dort der Grenzwert für Ozon nicht ein einziges Mal überschritten. Weniger gesund war die Luft im Flachland. Kaum ein Tag, an dem nicht in weiten Teilen der Schweiz alarmierend hohe Ozonwerte gemessen wurden. Das Südtessin registrierte mit 244 Mikrogramm pro Kubikmeter gar mehr als das Doppelte des Grenzwerts (120 Mikrogramm). Bereits diese Sättigung mit dem aggressiven Reizgas kann bei empfindlichen Personen und Kindern Kratzen im Hals, tränende Augen, Schmerzen beim Einatmen und Druck auf der Brust hervorrufen.

Trotz diesen alarmierenden Messergebnissen blieb das Echo in Presse und Öffentlichkeit gering. Das einstige Top-Umweltthema ist ein Nonvaleur geworden: Angesichts der seit Jahren immer wieder auftretenden Grenzwertüberschreitungen hat sich Ernüchterung breit gemacht. «Tatsächlich macht sich eine gewisse Ozonmüdigkeit bemerkbar», sagt Bernhard Aufdereggen, Präsident der Vereinigung Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz. Immerhin sei Ozon seit über zehn Jahren ein Dauerthema, erklärt der Walliser Allgemeinmediziner.

Auch den Umweltschützern von Greenpeace, die 1999 eigens eine Ozon-kampagne lancierten, liegt die Angelegenheit nicht mehr so sehr am Herzen wie noch vor wenigen Jahren. «Wir haben jetzt andere Prioritäten, etwa die Klimaerwärmung», erklärt Cyrill Studer, Verantwortlicher für Klima und Verkehr. «Uns fehlen schlichtweg Geld und Mitarbeiter, um weiterhin gegen zu hohe Ozonwerte zu kämpfen. Zudem kümmern sich jetzt die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz um dieses Thema», sagt Studer.

Den Verkehr massiv reduzieren

Auch für den WWF Schweiz sind die hohen Ozonwerte vom Juni kein Thema. «Wir kämpfen nicht mehr gegen Teilaspekte der Luftverschmutzung wie zum Beispiel Ozon. Vielmehr wollen wir generell klimapolitisch vorwärts machen. Deshalb werden wir uns im Herbst mit einer Kampagne für die Einführung der CO2-Lenkungsabgabe einsetzen», begründet Adrian Stiefel, Leiter der WWF-Abteilung Klima und Energie, die Zurückhaltung der Umweltschutzorganisation.

Das allgemeine Desinteresse rührt wohl auch daher, dass sich in Sachen Ozon keine konkreten Sofortmassnahmen fordern, geschweige denn pfannenfertige Lösungen präsentieren lassen. Zwar konnten die Emissionen der Vorläufersubstanzen, die für die Ozonbildung verantwortlich sind, in den letzten zehn Jahren um rund 40 Prozent gesenkt werden. Die Überschreitungen des Ozongrenzwerts hätten dennoch eher zugenommen, sagt Peter Straehl vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft.

Eine Verbesserung der Situation kann gemäss Experten nur langfristig und durch eine weitere Reduktion der Vorläuferschadstoffe erreicht werden. Dazu müsste der Verkehr, der vorwiegend für die Emissionen verantwortlich ist, massiv reduziert werden. Sofortmassnahmen nach deutschem Vorbild etwa ein tageweises Fahrverbot bei Überschreitung bestimmter Alarmwerte taugen allenfalls dazu, die Allgemeinheit zu beruhigen. «Wird zum Beispiel im Tessin die Marke 240 erreicht, wäre die Reduktion des Ozonwerts auf 120 Mikrogramm nicht einmal dann garantiert, wenn der Schweizer Personenverkehr während dreier Wochen auf die Hälfte reduziert würde», erklärt Straehl.

Auch von den in der EU eingeführten Alarm- und Informationswerten 240 respektive 180 Mikrogramm hält Straehl nichts: «Solche Werte sind eher ein Beruhigungspflaster für die Öffentlichkeit.»

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