Heute sind nur drei von neun da. Doch auch in dieser Kleinbesetzung mangelt es in der Stube von Familie Isler nicht an Leben: Der sechsjährige Mandy flitzt hin und her, redet ohne Unterbrechung und meldet nun, kurz nach dem Mittagessen, bereits wieder Hunger an. Der zehnjährige Sergei sitzt am langen Holztisch, brütet über den Hausaufgaben und bettelt mit grossen Augen um Hilfe. Die 15-jährige Maui möchte vom Papa eine Erklärung zu einer Rechenaufgabe, die sie nicht versteht. Und dazwischen schlängeln sich Hunde und Katzen um die vielen Beine. «Ein ruhiger Tag», stellt Regula Isler auf der Bank vor dem Kachelofen fest, dem einzigen Wärmespender im Siebenzimmerhaus. Es braucht einiges, um die neunfache Mutter aus der Ruhe zu bringen. Als «innere Kraft der Familie» wird sie von ihrem Mann beschrieben.

Regula und Thomas Isler sind Eltern von sieben Kindern im Alter zwischen 15 und 25 Jahren und einem sechs- und einem zehnjährigen Adoptivkind aus Moldawien. «Wir haben es so schön, dass wir zwei weiteren Kindern, denen es nicht so gut geht, eine Chance geben wollten», erklärt Thomas Isler. Ansonsten sind er und seine Frau keine Familienplaner: «Es kam einfach ein Kind nach dem anderen. Und jedes Mal freuten wir uns.» Aus Richtung Ofenbank wird nun angefügt: «Die meisten Menschen denken viel zu weit und viel zu viel. Das macht das Leben unnötig kompliziert.»

Spontan reagieren statt alles im Voraus kalkulieren

Einen Plan zur Ämterverteilung sucht man bei Islers denn auch vergebens. «Es braucht mehr Zeit, solche Pläne aufzustellen und für ihre Umsetzung zu sorgen, als einfach immer zu nehmen, was kommt», sagt Regula Isler. Seit der Geburt des ersten Kindes führt die gelernte Gärtnerin zu Hause das Zepter. Die Böden sind frisch aufgenommen, keine Geschirrstapel in der Küche, in der Stube liegt kaum etwas herum. Und aus der Ferne ertönt das gleichmässige Drehen der Waschtrommel, die bei Islers in Dauerbewegung ist.

Sobald die Kinderschar morgens aus dem Haus ist, räumt Regula Isler jeweils gründlich auf, «damit es bei uns nicht aussieht, als habe eine Bombe eingeschlagen». Einmal in der Woche macht sie Grosseinkauf. Dann schiebt sie zwei Einkaufswagen hintereinanderher, wählt, was ihr gerade zwischen die Finger kommt, ohne fixen Menüplan. «Verhungert ist bei uns noch niemand, und schliesslich lässt sich jedes Essen auch beliebig strecken.» Die beiden Ältesten sind inzwischen zwar ausgezogen, und einige der Nachfolgenden «flattern auf dem Nestrand». Doch noch immer belegt sie morgens Znünibrote für fünf Kinder und bekocht täglich acht bis zehn Personen.

Irgendwie reicht das Geld immer

Es passt zur unkomplizierten Familie, ohne fixes Budget auszukommen. «Wir leben sparsam», sagt Thomas Isler, der zu 75 Prozent als Berufsschullehrer angestellt ist und daneben als Elektroinstallateur arbeitet. «Bisher ist es immer irgendwie aufgegangen – entweder war das Konto leer oder es hat sich ein Türchen aufgetan.» Vieles bekommt die Familie geschenkt, anderes stammt von Kleiderbörsen. «Wir waren uns nie zu schade, alles miteinander zu mixen», sagt Regula Isler. Geschenke sind rar und werden an Grosseltern, Paten und Freunde delegiert, und das Taschengeld ist bescheiden; wer es sich aufbessern möchte, muss mehr helfen. An Aufgaben mangelt es nicht: Neben Arbeiten im Haushalt ist stets Unterstützung in der Werkstatt gefragt, im Garten, beim Heuen, beim Versorgen der Pferde, Esel, Schafe, Ziegen, Hühner, Enten, Hunde, Katzen.

Bis vor acht Jahren lebten Islers in Kloten. Doch ihre Wohnung begann aus allen Nähten zu platzen, und die Nachbarn verloren zunehmend die Geduld mit der Familie, die von Jahr zu Jahr grösser und lauter wurde. Dann stiessen Islers ausserhalb von Dättlikon auf ein altes Holzhaus, einsam an der rauschenden Töss gelegen, umgeben von Weiden und Wald. «Wir sind sehr glücklich hier», sagt Thomas Isler, «und verbringen eigentlich Nonstop-Ferien auf dem eigenen Bauernhof.»

In die Ferne zog es die Familie aber trotzdem immer wieder. Früher, als Islers noch kein Auto hatten, reisten sie vorwiegend mit dem Zug, wo stets Platzreservationen für eine halbe Schulklasse nötig waren. Seit einigen Jahren haben sie einen kleinen Bus, der jeweils bis zum letzten Zentimeter gefüllt ist. Eine der letzten gemeinsamen Reisen führte auf Frankreichs Kanäle. Islers wählten das grösstmögliche Hausboot; um aber nicht der Überbelegung bezichtigt zu werden, musste sich bei der Übernahme des Bootes eines der Kinder im Kleiderschrank verstecken, ein anderes im Küchenkasten.

Manchmal fliegen auch die Fetzen

An Enge ist sich der islersche Nachwuchs gewohnt. Morgens und abends kommt es im einzigen Badezimmer regelmässig zu Engpässen. Während die einen die Zähne putzen, müssen die anderen vor dem Spiegel ein Plätzchen zum Schminken finden oder auf die frei werdende Dusche warten. Wasser stammt aus der eigenen Quelle. Vielduscher werden deshalb in den Brunnen im Garten verwiesen – «ansonsten muss das Güllenloch zu häufig geleert werden», so Thomas Isler. Seit kurzem gibt es ein zweites WC im Haus, was zu «grosser Entspannung» geführt habe.Phasenweise schliefen vier Kinder im selben Zimmer. «Das fanden wir sehr gemütlich», sagt die 15-jährige Maui. Niemand musste je allein ins Bett gehen, immer war jemand da zum Schwatzen, Zuhören, Erzählen.

Der Austausch unter den Geschwistern ist bis heute eng. Ihre Freundeskreise überschneiden sich, die Älteren gehen zusammen in den Ausgang und kümmern sich nach Aussage der Eltern «so liebevoll wie Onkel und Tanten» um die Kleineren. Für jedes Spiel sind genügend Personen vorhanden, für manches ist gleich eine komplette Mannschaft gestellt. Thomas Isler lehnt sich am langen Tisch zurück: Natürlich flögen auch bei ihnen manchmal die Fetzen, «aber dass sich unsere Kinder untereinander so gut verstehen und so viel Geduld miteinander haben, war für uns Eltern immer eine grosse Entlastung».

Nun gähnt seine Frau herzhaft. Auch heute hat ihr Wecker um 5.30 Uhr geklingelt – «anders schaffen wir es nicht durch den Alltag». Auch wenn vieles locker und planlos funktioniert: Jemand muss sich um die Berge von Post kümmern, Krankenkassenbeträge für viele Köpfe bezahlen, Lehrergespräche führen, Stundenpläne in- und auswendig kennen, wissen, welches Kind bei welchem Freund ist, wer welchem Hobby nachgeht. Einige Minuten Erholung verschafft sich Regula Isler täglich im Garten. «Dort ist immer Arbeit in einer Ecke fällig, in der ich mich dann für die Familie unsichtbar machen kann.» Und oft ist sie froh, wenn es Abend wird, sich einer nach dem anderen «mehr oder weniger freiwillig» zurückziehe oder, wie ihr Mann nun sagt, wenn «auch mal ein kurzer Stromausfall zu Ruhe verhilft».

Grossfamilien werden immer seltener

Anzahl Personen in Schweizer Privathaushalten: Anfang des 20. Jahrhunderts waren Haushalte mit fünf und mehr Personen üblich, heute ist dies die Ausnahme.

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Quelle: Ursula Meisser