Wie eine gute Werbebotschaft funktioniert? Wenn sie Emotionen auslöst. Wie sie nicht wirklich funktioniert? Wenn diese Emotionen negativ sind. Wie zuletzt bei der SBB.

«Ich fühle mich versecklet». «Diese Aktion ist ein Hohn». «Eine Frechheit». «Das ist sehr unfair». Dies eine kleine Auswahl der Feedbacks, die in diesen Tagen bei ihr eingegangen sind. Allesamt ausgelöst durch die Rabattaktion, die die SBB zum Black Friday bei Interdiscount lanciert hat. Für Neukunden das Halbtax-Abo zum halben Preis: 92.50 statt 185 Franken – ein Schnäppchen!

Und ein Erfolg für die SBB: «Wir rechnen mit einigen Tausend Neukunden», so die Zwischenbilanz. Zum Feedback ihrer Kunden meint die Medienstelle einzig: «Aus dem grossen Interesse schliessen wir, dass das Halbtax ein sehr beliebtes Produkt ist.» Dabei gibt es mehrere Gründe, dass sich die SBB mit ihrer jüngsten Aktion eben auch unbeliebt gemacht hat.

Natürlich ist man verärgert

Dass Neukunden bei Marketingaktionen von grösseren Rabatten profitieren als bestehende, ist kein neues Phänomen. Dass sich bisherige Kunden daran stören auch nicht. Experten sprechen von sogenannten kognitiven Dissonanzen, die dabei ausgelöst werden.

«Die Tatsache, dass man den regulären Preis bezahlt hat und jemand anderes deutlich weniger, muss psychologisch ausgeglichen werden», sagte Marketingprofessor Stefan Michel der SonntagsZeitung. «Die einen nehmen sich vor, niemals mehr den vollen Preis zu bezahlen, die anderen werden den entsprechenden Händler meiden.»

Wie kann das Halbtax plötzlich so günstig sein?

Das ist bei der SBB zwar schwierig. Logisch ist aber, dass die Frage aufkommt, wie die SBB das Halbtax-Abo urplötzlich zum halben Preis anbieten kann. Ist der übliche Preis etwa zu hoch angesetzt, dass ein solcher Rabatt möglich ist? Oder wer deckt die Unkosten? Vor allem, wenn Interdiscount verlauten lässt, bei der Aktion nicht draufgezahlt zu haben? Dazu will sich die SBB nicht äussern. Nur so viel: «Wir haben im Auftrag der ganzen ÖV-Branche Schweiz den Vermarktungsauftrag für das Halbtaxabo.»

Zudem hat die SBB bei ihrer Aktion kaum Teilnahmebedingungen festgelegt. Für den Erwerb der Gutscheine, die zum vergünstigten Bezug des Halbtax-Abos berechtigen, galten keinerlei Einschränkungen – ausser dass sie bis am 30. November 2017 eingelöst werden müssen. Also keine limitierte Stückzahl pro Person, keine Personalisierung.

Die Folge: Innert kürzester Zeit landeten etliche Angebote auf Online-Plattformen wie Ricardo. Von Weiterverkäufern, die die Gutscheine für bis zu 150 Franken verkauften. Rund 60 Franken Gewinn – ein gutes Geschäft.

Fragt doch den Datenschützer...

Warum wurde dies nicht mit einer simplen Personalisierung der Gutscheine zu verhindern versucht? Die Reaktion der SBB auf diesen Vorschlag – süffisant: «Fragen Sie bitte den Datenschützer, ob es konform wäre, den Namen der SBB-Kunden von Interdiscount erheben zu lassen.»

Das Büro des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) weist darauf hin, dass die SBB ihn nicht zu dieser Möglichkeit konsultiert hatten. Es hält fest: «Den SBB steht es frei, personalisierte Rabattgutscheine über Interdiscount und andere Dritte abzugeben.» Interdiscount hätte also zum Beispiel Vor- und Nachname – für eine eindeutigere Personalisierung zusätzlich das Geburtsdatum – erfassen können. Anschliessend hätte man damit am SBB-Schalter das Halbtax beziehen können.

Einzige Bedingung: «Die SBB stellen als Auftraggeber sicher, dass Interdiscount die Daten dieser Kunden nicht anders bearbeitet.» Heisst: Hätte Interdiscount die erfassten Daten für eigene Zwecke nutzen wollen, hätte es dafür die explizite Einwilligung des Kunden benötigt.

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Elio Bucher, Online-Produzent
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