Update vom 30.09.2016

Die Kunden der konkursiten Investmentfirma Goldprofessionell AG aus Zürich müssen sich auf einen Totalverlust einstellen. Der Gläubigerbericht dürfte die schlimmsten Befürchtungen der geprellten Anleger übertreffen. Bei ihrer Inventur fanden die Liquidatoren bloss Aktiven in der Höhe von 15'270.64 Franken. Die angemeldeten Forderungen belaufen sich jedoch auf über 15 Millionen Franken. Von den angeblich gekauften Edelmetallen – laut Forderungen handelt es sich um mindestens 287 Kilo Gold und 4800 Kilo Silber – fehlt jede Spur.

Sie dürften auch nicht so schnell auftauchen. Bei ihrer Suche stiessen die Liquidatoren zwar bei einer Zürcher Firma auf ein paar Gold- und Silbermünzen. Ein weiteres angebliches Depot in Dubai hat aber nach heutigem Wissensstand nie existiert. An der angegebenen Adresse
fand sich bloss eine Briefkastenfirma, deren Besitzer verstorben ist. Die Finma wird das Konkursverfahren nun einstellen, wenn kein Gläubiger dagegen Einspruch erhebt. Diese Chance ist jedoch klein: Die Finma verlangt dafür einen Kostenvorschuss von 135'000 Franken.

Für Selbständige sind 15'000 Euro viel Geld. Tennislehrer Christian Sporer aus dem bayrischen Grainau überlegte deshalb zweimal, ob er einen Teil seiner Altersvorsorge bei der Goldprofessionell Austria GmbH in Silber anlegen sollte. Schliesslich überzeugte ihn aber das Angebot. Die Firma, die im österreichischen Salzburg ein Ladenlokal für Edelmetalle führt und Tochterfirmen in Grossbritannien und Serbien hat, sicherte zu, Silberbarren zu kaufen und einzulagern. «Beim Vertragsabschluss versprach man mir, das Silber in einem Depot in der Schweiz aufzubewahren.»

Anlagen in Millionenhöhe

Er war nicht der Einzige, der den Versprechen der Goldprofessionell Austria GmbH glaubte. Rund 2'700 Anleger investierten in den letzten Jahren mindestens zehn Millionen Euro. Viele verführte der «Relaxxbonusplan», ein Fonds, bei dem man grammweise Silber oder Gold kaufen kann. In einer Videobotschaft versprachen die Verantwortlichen, dass die Edelmetalle jederzeit physisch vorhanden seien, gelagert in einem «Hochsicherheitsdepot in der Schweiz». Dazu stellte «Europas grösster vertriebsorientierter Edelmetallhändler» (O-Ton) eine «Bonusprämie von 9,5% auf den mtl. Nettobeitrag» in Aussicht.

«Wir ziehen Ihnen weder Abschluss-, Lager-, Versicherungs-, Transport- noch Verwaltungsgebühren ab. Jeder Cent wird in Gold und Silber umgewandelt», sagt Mathias Lettner im Video. Er gründete die GmbH 2008 mit dem Deutschen Torsten Kaffka.

Zu schön, um wahr zu sein. Und tatsächlich droht die Traumrendite zum Alptraum zu werden. Der Grund ist ein Entscheid der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). Sie verfügte am 6. Juni den Konkurs über die in Zürich ansässige Goldprofessionell AG. Die konkursite Schweizer Aktiengesellschaft wiederum ist alleinige Gesellschafterin der Goldprofessionell Austria GmbH und somit der Vertragspartnerin der Anleger. In beiden Firmen sitzen Lettner und Kaffka im Verwaltungsrat.

Die Finma habe die Unternehmensliquidation verfügt, «weil die Gesellschaft bewilligungspflichtige Finanzdienstleistungen anbot, ohne über eine Bewilligung zu verfügen», so Finma-Sprecher Tobias Lux. Nach heutigem Kenntnisstand würden die bisher aufgefundenen Edelmetallreserven nicht ausreichen, um die Kundenansprüche zu befriedigen. Konkret: Entgegen den Zusicherungen legten die Verantwortlichen vermutlich nur einen Teil der Kundengelder in Edelmetallen an.

«Ist und Soll stimmen überein»

Die Erkenntnisse der Ermittler stehen in krassem Gegensatz zu einer «Bestandeskontrolle», die der Zürcher Rechtsanwalt Theodor G. Seitz im Oktober 2015 im Auftrag der Goldprofessionell AG erstellt hat und die dem Beobachter vorliegt. Seitz, der als Notar immer wieder Verkäufe von Firmen abwickelt, die kurz darauf liquidiert werden (Beobachter Nr. 8), attestiert darin den Goldhändlern aufgrund von Dokumenten, «dass der Ist-Bestand an Edelmetallen, die im Besitz der Gesellschaft sind, mit dem Soll-Bestand an Edelmetallen übereinstimmt».

Gemäss den von Seitz zitierten Dokumenten lagerten die Gold- und Silberbarren im Zollfreilager in Kloten und in Dubai. Er habe nie den Auftrag gehabt, den physisch vorhandenen Bestand zu kontrollieren, «sondern lediglich das, was sich aus den mir vorgelegten Dokumenten als Tatsache ergibt», erklärt Seitz dazu.

Um welche Mengen Edelmetall und wie viele Kunden es sich dabei handelt, geht aus dem Anwaltsschreiben nicht hervor. Während die Anleger mit derartigen Bestandeskontrollen in Sicherheit gewiegt wurden, zeichneten die Jahresabschlüsse der Goldprofessionell Austria GmbH ein anderes Bild. Weder 2014 noch 2015 wies die Firma in ihren Büchern irgendwelche Edelmetallbestände aus.

Theodor Seitz amtete nicht nur als Prüfinstanz der Goldprofessionell AG, sondern gewährte Lettner und Kaffka an seiner Büroadresse im Zürcher Seefeld und in Herisau auch Domizil für zwei weitere Unternehmen. Eine der beiden Firmen übernahm Seitz 2014 selber und verkaufte sie im Frühjahr weiter, eine andere verkauften Lettner und Kaffka kurz nach dem Konkurs. In den offiziellen Dokumenten für das Handelsregister gab Lettner dabei als Schweizer Wohnsitz jeweils Seitz’ Privatadresse in Zürich an.

Mathias Lettner (r.) gründete 2008 die Goldprofessionell Austria GmbH mit dem Deutschen Torsten Kaffka.

Quelle: Gettyimages
Es läuft ein Strafverfahren

Nun aber scheint den beiden Goldhändlern der Boden in der Schweiz zu heiss geworden zu sein. Aufgrund einer Anzeige der Finma läuft bei der Staatsanwaltschaft Zürich ein Strafverfahren. Die Vorwürfe sind happig: Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung, Veruntreuung. Die Finma hat zudem gegen Lettner und Kaffka eine sogenannte Unterlassungsanweisung erlassen. Sie dürfen in der Schweiz keine Finanztransaktionen mehr durchführen, sonst droht eine Busse von bis zu 100'000 Franken.

Ungemach droht den beiden Goldhändlern auch in Österreich. Ein Wiener Anwalt vertritt rund ein Dutzend ehemalige Kunden. Sollte sich der Verdacht verdichten, dass ihre Gelder nicht wie versprochen in Edelmetallen angelegt wurden, will er Strafanzeige einreichen.

Lettner und Kaffka, für die die Unschuldsvermutung gilt, reagierten nicht auf die Anfragen des Beobachters. Bei der Goldprofessionell Austria GmbH nahe Salzburg meldet sich nur der Beantworter. Eine Frauenstimme verweist auf den Entscheid der Finma und erklärt, man werde die Kundschaft «selbstverständlich informieren», sobald weitere Informationen vorlägen.