Was bloss sollte Henry K. Beecher tun? Der US-Militärarzt war hinter der Front in Italien stationiert, im Krieg gegen Nazideutschland. Die Versorgung war ins Stocken geraten, der Morphin-Vorrat zu Ende.

In seiner Not tat der Mediziner Folgendes: Er spritzte den Kriegsverletzten gegen ihre Schmerzen statt des hochwirksamen Morphins Kochsalzlösung in die Venen. Der Erfolg seiner Therapie war erstaunlich: Die Spritze linderte die Schmerzen der Soldaten fast wie Morphin. Beecher wurde neugierig. Er begann zu forschen. Nach dem Krieg veröffentlichte er unter dem Titel «The Powerful Placebo» die Resultate seiner Studien an über 1000 Patienten. Dieses Werk wurde Ausgangspunkt der modernen Placebo-Forschung.

Was ist ein Placebo? Eine Scheintherapie. Placebo-Tabletten enthalten im Gegensatz zu wirklichen Medikamenten keinerlei pharmakologisch wirksame Substanzen:Meist bestehen sie aus simplem Zucker.

Trotzdem tun heute im Kanton Zürich zwei Drittel der Haus- und Kinderärzte gelegentlich das, was Henry K. Beecher vor mehr als 60 Jahren in seinem Lazarett tat: Placebos verabreichen. Das hat eine neue Studie des Instituts für Biomedizinische Ethik der Universität Zürich ergeben. Ausgewertet wurden 233 Fragebogen. «Viele Ärzte gaben an, dass Placebo-Therapien ihren Platz haben können, solange Arzt und Patient partnerschaftlich zusammenarbeiten», sagt Studienleiterin Margrit Fässler. Die Ergebnisse stützen ähnliche Untersuchungen. Auch an der Medizinischen Hochschule Hannover (einer Universitätsklinik) konnte vor wenigen Monaten ein Forscherteam zeigen, dass drei Viertel des medizinischen Personals gelegentlich Scheinmedikamente abgeben. Am häufigsten bei Schmerzen und bei Schlaflosigkeit.

Als Skandal wird mancher traditionelle Schulmediziner diese Umfrageergebnisse beurteilen. Kaum eine Kontroverse polarisiert in der Medizin so stark wie die Frage nach dem richtigen Umgang mit Placebos. Die Haltung reicht von interessierter Reserviertheit bis zu offener Ablehnung. «Die systematische Abgabe von Placebo-Präparaten kann ich auf keinen Fall befürworten. Das ist Täuschung am Patienten», sagt etwa FMH-Präsident Jacques de Haller.

Das breite Spektrum der Reaktionen ist für den Buchautor und Essayisten Eduard Kaeser bezeichnend für den Streit. «Das Wirken des Placebos legt einen Befund nahe, den die Naturwissenschaften als Dorn im Auge empfinden: Bedeutung, also etwas Immaterielles, hat eine Wirkung auf den Organismus, also auf etwas Materielles.» Der Körper reagiert nicht nur auf chemische Substanzen, sondern auch auf Trost, Zuspruch und Hilfeversprechen. Die Placebo-Reaktion sei deshalb ein Phänomen, das in einer unübersichtlichen Grenzzone zwischen den Natur- und den Kulturwissenschaften liegt.

Als europäische Siedler sich in Amerika niederliessen, trafen sie auf Menschen, die Medizin auch mit Trommelschlägen, Gebeten und Tänzen betrieben. Das Spektakel dieser Indianer wurde von westlichen Ärzten als Quacksalberei verspottet. Viele der Siedler aber waren fasziniert vom Wirken der Schamanen. Auch der in England lebende Arzt und Medizinanthropologe Cecil Helman liess sich von den schamanistischen Heilkräften faszinieren. Er machte sie zu seinem bevorzugten Studienobjekt. Dabei stiess er auf einen erstaunlichen, kulturübergreifenden gemeinsamen Nenner. Die Praxis des Doktors, die Hütte des Naturheilers sind wie ein Theater: voll mit Kulissen, Requisiten, Kostümen und mit einem Drehbuch. «Medizin», so Helman, «ist wie ein Bühnenstück.»

Tatsächlich können Zeremonien und Rituale laut Georg Schönbächler vom Collegium Helveticum von ETH und Universität Zürich im therapeutischen Prozess zusätzlich unbewusste gesundheits- und heilungsfördernde Ressourcen aktivieren. Sie sollten nicht als unwissenschaftlich belächelt werden. Schönbächler formuliert es so: «Zu einem Pharmakon gehört immer auch ein bisschen ‹Pharmagie›.»

Für diese Aussage hat die neuere Placebo-Forschung eindrückliche Belege gefunden. Ted Kaptchuk von der Harvard University teilte Patienten mit Reizdarmbeschwerden in drei Gruppen ein. Die erste setzten die Ärzte auf eine Warteliste. Die Patienten der zweiten Gruppe wurden in ein Zimmer geführt. Dann kamen die Ärzte und führten eine Scheinakupunktur durch. Dabei erhalten die Patienten speziell präparierte Nadeln aufgeklebt, die nur einen oberflächlichen Reiz auslösen. Auch die dritte Gruppe erhielt eine Scheinakupunktur, die von den Patienten nicht von der klassischen zu unterscheiden ist. Die vermeintliche Therapie wurde hier aber unterstützt durch die Rituale ärztlicher Zuwendung: Die Mediziner sprachen in freundlichem Ton zu den Patienten, fassten sie aufmunternd an und hörten zu. In dieser Gruppe war der therapeutische Effekt im Durchschnitt am grössten. Am geringsten war er bei jenen Patienten, die auf die Warteliste gesetzt worden waren.

Rund drei Viertel des Personals setzen sie ein Antworten von Angestellten der Medizinischen Hochschule Hannover, in Prozent

Quelle: M. Bernateck «Placebotherapie, Analyse von Umfang und Erwartung in einer Klinik der Maximalversorgung»; Infografik: beo/dr

Quelle: Desirée Good
Homöopathie profitiert vom Placebo-Effekt

Die Studienanlage der US-Forscher entspricht im Grunde der Situation, wie sie sich tagtäglich in den Praxen der Alternativmediziner abspielt. Auch sie verabreichen wie die US-Forscher in ihrem Experiment pharmakologisch wirkungslose Substanzen. Danach verbessert sich der Zustand ihrer Patienten. In beiden Fällen ist dies nur der Placebo-Reaktion geschuldet. Tatsächlich konnten die allermeisten komplementärmedizinischen Heilverfahren bislang keinen Nachweis erbringen, dass ihre Heilwirkung den Placebo-Effekt übersteigt.

Etwa die Homöopathie. In einer grossangelegten Untersuchung prüfte das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern über 100 Homöopathie-Studien. Die Metastudie unter der Leitung von Matthias Egger gilt in Wissenschaftskreisen als eine der seriösesten Untersuchungen. Fazit der Forscher: Eine pharmakologische Wirkung nach wissenschaftlichen Kriterien kann nicht nachgewiesen werden. Wie sollte es auch anders sein, fragt sich der für pointierte Formulierungen bekannte Beda Stadler, Direktor des Instituts für Immunologie der Uni Bern. «Wenn Sie ein Glas Wein in den Bodensee kippen und eine Woche später in Basel wieder ein Glas Wasser aus dem Rhein schöpfen, haben Sie eine wesentlich höhere Konzentration, als sie an Wirkstoffen in den meisten homöopathischen Mitteln enthalten ist.»

Einen weiteren herben Schlag mussten die Komplementärmediziner Anfang März einstecken. Auf den Markt kam «Gesund ohne Pillen». Der Titel klingt in der deutschen Übersetzung harmlos, der Inhalt aber hat Sprengkraft. Das Werk von Edzard Ernst, Professor für Komplementärmedizin im britischen Exeter, und Simon Singh ist eine schonungslose Abrechnung mit alternativmedizinischen Heilverfahren. Von anthroposophischer Medizin («nicht plausibel») über Bachblütentherapie («Blütenmittel sind reine Geldverschwendung») und Ohrkerzen («abstruse Vorstellung») bis zu Shiatsu («Verschwendung von Mühe und Geld») geisseln die Autoren das Scheitern der meisten komplementärmedizinischen Therapien an den Prinzipien der Schulmedizin. Ihre Wirkung übersteige nur sehr selten jene des Placebo-Effekts. Die Kritik wird mitunter sarkastisch formuliert. Das Kapitel über Akupunktur leiten Ernst und Singh ein mit dem Satz: «Es muss etwas dran sein an der Akupunktur – man sieht nie kranke Stachelschweine.»

Für Peter Christen, Allgemeinpraktiker und Homöopath, ist die grassierende Kritik an der Komplementärmedizin haltlos. Dass die homöopathischen Methoden ihre spezifische Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Kriterien nicht unter Beweis stellen können, erklärt er – mit dem Ungenügen der Wissenschaft. Die homöopathische Behandlung sei stark individualisiert und gehe genau auf das besondere Problem des Patienten ein. Ihre Wirksamkeit könne deshalb nicht mit gängigen wissenschaftlichen Methoden geprüft werden. «In einer praxisinternen Umfrage sagten zwei von drei Patienten, sie seien mit der homöopathischen Therapie zufrieden.»

Schöner Schein: Auf die Farbe kommt es an

Scheinmedikationen sind unterschiedlich erfolgreich – Spritzen und Infusionen sind wirksamer als oral verabreichte Mittel. Bei den Pillen spielt die Farbe eine wichtige Rolle (siehe Beispiele rechts): Blaue Placebos eignen sich etwa gut zur Beruhigung. Übrigens: Unangenehmer Geschmack verstärkt immer die Wirkung.


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Körper produziert Schmerzmittel selbst

Komplementärmedizin wirkt nicht, aber sie heilt. Das muss kein Widerspruch sein. Das Zauberwort heisst: Placebo. Der Begriff ist lateinisch und heisst wörtlich: «Ich werde gefallen.» «Placebo Domino in regione vivorum» – «Ich werde dem Herrn gefallen im Lande der Lebenden», wurde in der mittelalterlichen Totenliteratur gesungen. Im England des 14. Jahrhunderts ging der Begriff in den Volksmund ein. «Sing a placebo», zuerst für gekaufte Gesänge am Grab verwendet, entwickelte sich zum Synonym von «schmeicheln». «Es meint in seiner historischen Wortbedeutung die Gefälligkeit, die ein Arzt einem Patienten auf dessen Wunsch hin erweist, dessen Beschwerden er für untherapierbar oder eingebildet hält», sagt Georg Schönbächler.

Lange interpretierte die Forschung Placebo-Effekte als «reine Einbildung», Pharmakologen sprachen davon, etwas sei «nur Placebo». Auch im öffentlichen Bewusstsein klingt der Begriff abwertend. So kritisierte SP-Präsident Christian Levrat den Bundesrat, weil diesem zur Wirtschaftskrise nur Alibiprogramme «mit Placebo-Effekten» einfielen. Mit neuen bildgebenden Verfahren wie Positronen-Emissions-Tomographie (PET) oder Magnetresonanz-Tomographie (MRT) begann ein Umdenken. Mit diesen Methoden kann nachgewiesen werden, dass Placebos nicht nur im «Geist» wirken, sondern physiologische Veränderungen im Hirn auslösen.

Der Körper verfügt über ein eigenes, sehr effektives System zur Schmerzabwehr. Morphin und ähnliche Substanzen haben deshalb eine so starke Wirkung, weil sie Ähnlichkeit haben mit Stoffen, die der Körper selbst zur Schmerzreduktion einsetzt. Diese Endorphine werden in Notfallsituationen zur Schmerzunterdrückung oder auch bei beglückenden Tätigkeiten ausgeschüttet, etwa einem Marathonlauf (das sogenannte «Runner’s High»), beim Sex oder beim Genuss von Schokolade.

Diesen Umstand machte sich Placebo-Forscher Jon-Kar Zubieta von der University of Michigan zunutze. Er erzeugte bei 14 gesunden Freiwilligen Schmerzen, indem er ihnen eine Kochsalzlösung in die Kiefermuskeln injizierte. Dann verabreichte er eine Spritze mit angeblich schmerzlindernder Wirkung. Bald vermeldeten die Probanden ein Nachlassen ihrer Schmerzen. Gleichzeitig liessen die PET-Bilder erkennen, dass in bestimmten Regionen ihres Gehirns Endorphin-Bindungsstellen aktiviert wurden (siehe nachfolgende Grafik). Die hirneigene Schmerzabwehr war in Aktion getreten. «Dies versetzt der Idee, dass der Placebo-Effekt ein rein psychologisches statt physikalisches Phänomen sei, einen weiteren schweren Schlag. Die Verbindung zwischen Geist und Körper ist ziemlich klar», sagt Zubieta.

Mit der Ankündigung, die Spritze werde die Schmerzen lindern, schürten Zubieta und sein Team bei den Testpersonen eine Erwartung. Viele Forscher sehen in diesem Mechanismus eine mögliche Erklärung des Phänomens. Gemäss der Erwartungstheorie entsteht die Placebo-Reaktion dadurch, dass eine Person sich vorstellt, wie eine Intervention wirken wird. Dabei kann die Erwartung mitunter sogar die pharmakologische Wirkung einer Behandlung in ihr Gegenteil verkehren. So machten Ärzte schwangeren Frauen in einer Studie weis, sie erhielten ein Mittel, das ihre Übelkeit unterdrücken sollte. Die Wirkung war fabelhaft, die meisten Frauen fühlten sich deutlich besser, ihr Magen beruhigte sich. Was sie nicht wussten: Sie hatten ein Brechmittel geschluckt.

Wird bei einer Transplantation ein fremdes Organ in einen Körper eingepflanzt, reagiert das Immunsystem mit einer Abstossungsreaktion. Transplantationspatienten müssen deshalb ein Leben lang Medikamente nehmen, sogenannte Immunsuppressiva, die diese Abstossungsreaktion verhindern. Es ist denkbar, dass die Dosis dieser Immunsuppressiva in Zukunft mit Hilfe von Placebos reduziert werden kann. Verschiedenen Forschern ist es bereits gelungen, so das Immunsystem von Ratten zu unterdrücken: Die Immunsuppressiva wurden den Tieren immer gemeinsam mit einer Zuckerlösung verabreicht. Nach einer Gewöhnungsphase hatte die Zuckerlösung allein eine immunsuppressive Wirkung: Ein implantiertes Herz überlebte allein durch ihren konditionierten Reiz 100 Tage im Körper der Tiere.

Konditionierung ist neben der Erwartungstheorie der zweite Mechanismus, der dem Placebo zugrunde liegen könnte. So funktioniert die Konditionierung: Ein gegebener Reiz löst eine bestimmte Reaktion aus. Wenn nun dieser Reiz stets zusammen mit einem zweiten auftritt, so kann nach einer gewissen Zeit auch dieser zweite Reiz allein die Reaktion auslösen. Diesen nennt man den konditionierten Reiz. Bei der Placebo-Reaktion wird der gesamte Kontext der Medikamentenabgabe (das ärztliche Ritual) als konditionierter Reiz aufgefasst.

Quelle: Desirée Good

Quelle: University of Michigan

Quelle: Desirée Good

Mehr als nur psychologische Wirkung: Die Bilder oben zeigen Hirnareale während Schmerzerfahrung. Unten nach Verabreichung eines Placebos: Farbige Flächen zeigen Regionen, in denen das Gehirn selbständig schmerzunterdrückende Stoffe ausschüttete.

Sogar der Preis der Medikamente wirkt

Liegt in der Heilkunde ein ungeheures Potential brach, bloss weil die Schulmedizin nicht vom strikt mechanistischen Ursache-Wirkung-Denken abkommen will? Ja, sagt Dan Ariely von der US-Eliteuni Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Ariely konnte zeigen, dass selbst der Preis der Medikamente einen Einfluss hat auf ihre Wirksamkeit: Teure Medikamente wirken stärker als günstigere. «Unsere Erwartungen haben eine unheimliche Macht, die Wirklichkeit zu formen. Der Placebo-Effekt ist eine der faszinierendsten und am wenigsten genutzten Kräfte im Universum.»

Es mehren sich die Stimmen, die für das ungeliebte Phänomen eine bedeutendere Rolle in der Heilkunst verlangen. «Im klinischen Einsatz muss die Placebo-Reaktion als unterstützende Massnahme besser genutzt werden. Wenn wir das nicht tun, verschenken wir 20 bis 50 Prozent des Wirkungspotentials unserer Therapien», sagt einer der führenden Placebo-Forscher in Europa, Manfred Schedlowski.

Margrit Fässler, Autorin der Zürcher Placebo-Umfrage, hält den Einsatz von Therapien, die nur über Placebo-Reaktionen wirken, in bestimmten Situationen auch ethisch für vertretbar. Sie schlägt vor, die Placebo-Therapie mit den Worten zu begleiten: «Das ist eine Therapie, die Selbstheilungskräfte unterstützen kann.» Nur auf Nachfrage soll erläutert werden, dass eine strikt pharmakologische Wirkung kaum zu erwarten sei. «Wenn es so gemacht wird, könnte man einem Arzt keine Täuschung des Patienten vorwerfen.»

Was Ärzte diskutieren, nutzen Laien schon lange. Sei es die Mutter, die ihrem Kind «die böse Beule» wegstreichelt und mit dem frechen Tischbein schimpft. Oder jener Pfadiführer, der sich im Sommerlager mit dem akuten Heimweh eines jungen Zöglings konfrontiert sah. Mit pseudoärztlichem Brimborium verabreichte er dem Buben eine «Anti-Heimweh-Tablette». Der Erfolg war höchst nachhaltig: «Das weisse Läkerol wirkte zwei Wochen lang.»

Der Placebo-Effekt

Ein Placebo ist eine Scheintherapie. Pillen, Tabletten oder Kapseln, die als Placebos verabreicht werden, enthalten meist nur Zucker. Sie haben keinerlei pharmakologische Wirkung. Auch ein chirurgischer Scheineingriff ohne bekannte Wirkung auf den Körper oder Stoffwechsel kann ein Placebo sein.

Der Placebo-Effekt ist die Differenz in der Wirkung zweier Behandlungsformen zwischen Gruppen, wobei die eine Gruppe ein Placebo, die andere Gruppe keine Behandlung erhalten hat.

Die Placebo-Reaktion ist die Besserung eines Symptoms bei einem Patienten, der eine Scheinbehandlung erhalten hat und eine Wirkung erwartet.

Konditionierung bezeichnet einen biologischen Lernprozess, bei dem Verhaltensweisen oder Reaktionen durch Training mit einem bestimmten Reiz verknüpft werden. Die entscheidenden Prozesse im Gehirn laufen unterbewusst ab. Die klassische Konditionierung wurde von Iwan Pawlow entdeckt und experimentell erforscht («Pawlowscher-Hund-Versuch»).

Endorphine (Kurzform von «Endogene Morphine») sind vom Körper selbst produzierte Morphine, die schmerzlindernd beziehungsweise schmerzunterdrückend (analgetisch) wirken.

Der erste Placebo-Versuch

Der bedeutende Naturwissenschaftler und Staatsmann Benjamin Franklin (1706–1790) hat den Blitzableiter erfunden – und wohl als Erster die Wirkung eines Placebos dokumentiert. Damals behauptete Franz Anton Mesmer die Existenz eines «Fluidums», eines «thierischen Magnetismus», den er mit Hilfe von Metallstäben und mittels heilender Kräfte durch die Körper seiner Patienten strömen lassen könne.

Das konnte ein durch und durch rational denkender Mensch wie Franklin nicht nachvollziehen. Im Garten seines Hauses in Passy bei Paris liess er einen Mesmer-Doppelgänger auftreten und Patienten an «magnetisierte» Gegenstände fassen. Mehrere äusserten körperliche Beglückung, als sie sich des Magnetismus teilhaftig glaubten. Einem Jungen wurde erzählt, ein Baum sei «mesmerisiert». Man verband ihm die Augen, er musste den Baum finden. Bei einem der Bäume verfiel der Junge in Zuckungen, vermeinte das Fluidum zu verspüren und fiel in Ohnmacht – natürlich war der Baum in keiner Weise behandelt worden.

Wegen der vermeintlichen Erfolge Mesmers rief der französische König Ludwig XVI. ein Komitee zusammen, das Mesmer auf sein Wirken überprüfen sollte. Das Komitee führte einige Versuche durch. So liessen sich Frauen in einem Raum «mesmerisieren». Sie glaubten, der Ausführende sitze hinter einem Vorhang im Nebenzimmer, wobei die Information richtig oder falsch sein konnte. Franklin konnte nachweisen, dass der Erfolg der Behandlung nur davon abhing, ob die Frauen glaubten, der Mesmerist sei da. So widerlegte er die der neuen Mode zugesprochene Wirkungsweise.

Franklins Urteil war nüchtern: «Dies ist ein Effekt, der keine äussere, physikalische Ursache hat, sondern der nur von der Einbildung hervorgerufen sein kann.»

Benjamin Franklin. Das Ölgemälde wurde um 1785 Joseph-Siffred Duplessis geschaffen; es diente als Vorlage für die neu gestaltete 100-US-Dollar-Banknote. Quelle: National Portrait Gallery, Smithsonian Institution

Quelle: Desirée Good

Trotz fehlendem Wirkungsnachweis ist die Komplementärmedizin beliebt. Viele schätzen sie als «sanftere» Alternative zur Schulmedizin. Am 17. Mai entscheidet der Schweizer Souverän über die Verankerung der Komplementärmedizin in der Verfassung: Worum es bei der Abstimmung genau geht lesen Sie hier.

Buchtipp

Simon Singh, Edzard Ernst: «Gesund ohne Pillen – was kann die Alternativmedizin?». Übersetzt von Klaus Fritz; Hanser, Carl GmbH + Co., 2009, 408 Seiten, Fr. 39.90