Vielleicht hat ein kleiner Junge beim Herumrennen die Keramikschale mit Ziegentalg umgestossen. Oder es geschah, als die Erwachsenen ums Feuer sassen und mit ausladenden Armbewegungen über das Leben in der Gemeinschaft diskutierten. Jedenfalls kam damals, vor über 4000 Jahren, das Ziegenfett irgendwie mit Asche in Berührung. Und irgendwer bemerkte daraufhin, dass es diese Mischung in sich hatte. Das Fett und die Asche gingen eine magische Verbindung ein: Die erste Seife war entstanden. Ihre Entdecker, die Sumerer, benutzten die besondere Mixtur fortan zur Versorgung von Wunden. Seife war für sie ein Heilmittel.

Seife, die Allergikern guttun kann

So ähnlich sieht dies vier Jahrtausende später auch Astrid Nigg. «Natürlich hergestellte Seifen pflegen die Haut», sagt die 53-jährige Toggenburgerin und widerspricht damit der landläufigen Meinung, Seife würde der Haut schaden und diese austrocknen. Naturseifen ohne Konservierungsstoffe könnten sogar Allergikern helfen, sagt sie.

Die Art, wie Nigg ihre Seifen herstellt, gleicht jener der Sumerer allerdings kaum mehr. Die meiste Zeit hantiert sie in ihrem Atelier in Lichtensteig mit Schutzbrille und Gummihandschuhen. Zuerst giesst sie nach und nach Olivenöl mit eingelegten Lavendelblüten, Mandel-, Raps-, Rizinus-, Weizenkeim- und Sonnenblumenöl sowie geschmolzenes Kokosfett und Kakaobutter in einen grossen Topf. Dann folgt der gefährliche Teil: Zu den exakt abgewogenen Zutaten kommt jetzt eine zuvor angesetzte Lauge aus Natriumhydroxid und kaltem Lavendeltee.

Es ist ein ätzendes Gemisch, das brennt, wenn es die Haut berührt, und niemals in die Augen geraten sollte. Bei 40 Grad reagiert die Lauge mit den Fetten und Ölen und bildet Alkalisalze, die eigentliche Seife.

Eine Seife von Astrid Nigg.

Quelle: Tanja Demarmels

Jetzt fehlt nur noch der richtige Duft. Dafür sorgt eine Mischung ätherischer Öle. «Sie wirken auf Körper und Geist», ist Astrid Nigg überzeugt. In der Lavendelseife, die sie gerade herstellt, spielt natürlich Lavendel die Hauptrolle. Hinzu kommen Grapefruit, Rosenholz und Patschuli. «Mindestens drei Düfte für Kopf-, Herz- und Basisnote sollten dabei sein», sagt Nigg. Ihr «Arsenal» an möglichen Kombinationen ist riesig. Alphabetisch geordnet, füllen die Fläschchen mit den wertvollen Tropfen ein Regal. Daneben, auf einer goldgerahmten Tafel, hat sie die Wirkung der Stoffe notiert. Blutorange soll gelassene Heiterkeit auslösen, Basilikum das Vertrauen in die eigene Kraft stärken. Lavendel wirkt beruhigend, Zitrone erfrischt das Gemüt.

Zuletzt gibt Nigg der Masse im Topf einen Schuss Schafsmilch bei. «Für die Cremigkeit», erklärt sie. Unter stetigem Rühren, mal von Hand, mal mit dem Stabmixer, entsteht ein Brei, der Seifenleim. Diesen beäugt die Seifenmacherin aufmerksam.

Der richtige Zeitpunkt ist entscheidend, dann muss der Brei in die lange rechteckige Kunststoffform gegossen werden, wo er aushärtet.

Im Bild: Öl mit eingelegten Blüten

Quelle: Tanja Demarmels

Fett und Lauge müssen präzis abgestimmt sein, sonst kann es sein, dass sich die Seife später wieder in ihre Bestandteile aufspaltet. Im Internet gibt es dafür Seifenrechner: Man gibt das Gewicht aller Fette und Öle ein und erhält die nötige Menge Lauge angezeigt. Doch Öl ist nicht gleich Öl, auch darauf ist zu achten. «Zu viel Sonnenblumenöl lässt die Seife nicht richtig hart werden, Olivenöl ergibt sehr harte Seifen, Kokosfett lässt sie schäumen», erklärt Nigg.

Seifen, die ohne Palmöl auskommen

Weil sie ihre Seifen nicht siedet, wie dies bei der industriellen Herstellung der Fall ist, bleibt das natürliche, bei der Verseifung entstehende Glyzerin erhalten. «Zusammen mit dem überschüssigen Fett pflegt das Glyzerin die Haut und laugt sie nicht aus wie herkömmliche Seifen», sagt sie. Das Duschen mit einer ihrer Seifen ist tatsächlich ein Genuss: Die Haut fühlt sich samtweich an, die Shampooseife schäumt gut und trocknet das Haar nicht aus. Die Flasche mit der Pflegespülung bleibt ungenutzt.

Mit dem, was man im Detailhandel unter «Seife» findet, haben Niggs Produkte wenig zu tun. Der Markt wird von Flüssigseifen dominiert. Und die festen Seifen, die noch erhältlich sind, sind in der Regel synthetische Produkte.

Astrid Nigg dagegen legt Wert auf rein natürliche und pflanzliche Zutaten, möglichst in Lebensmittel- und Bioqualität. Künstliche Farben verwendet sie nicht, und auch Palmöl kommt ihr nicht ins Atelier.

Die Seife wird in Blöcke gegossen.

Quelle: Tanja Demarmels

Pro Jahr produziert sie rund 400 Kilogramm, die sie auf Märkten und übers Internet verkauft. Daneben bietet sie Kurse an. Seit etwa zwei Jahren kann sie vom Seifenmachen leben.

«Meine Seifen sind zum Brauchen da»

Das Handwerk hat Astrid Nigg bei einer österreichischen Seifenmacherin gelernt. Auf einem Markt in Wien hatte sie vor vielen Jahren zum ersten Mal eine Naturseife gekauft. «Das Duscherlebnis war sagenhaft, da hat es mich gepackt», erzählt sie. Doch es dauerte, bis sie sich ans Werk wagte. Frisch angerührt, erhitzt sich die Lauge am Anfang sehr stark, ein Schuss zu viel Natriumhydroxid führt zu wildem Spritzen. «Davor hatte ich Respekt», sagt Nigg. Also besuchte sie einen Kurs. Seither haben die Seifen sie nicht mehr losgelassen.

«Klack, klack, klack», tönt es, während sie einen Seifenblock, den sie vor einigen Tagen gegossen hat, mit dem Käsemesser in Stücke von 100 Gramm schneidet. Niggs Seifen sind schlichte, rechteckige Blöcke.

Einziger Schmuck sind die charakteristischen Rillen, die das Messer auf der nicht vollständig ausgehärteten Seife hinterlässt. Formen wie Schmetterlinge, Muscheln oder geometrische Varianten mag Astrid Nigg nicht. «Meine Seifen sind nicht zum Anschauen da, sondern zum Brauchen», sagt sie.

Die Blöcke werden zerteilt.

Quelle: Tanja Demarmels

Über 20 Seifen bietet Nigg an, manche enthalten Haferflocken als sanftes Peeling oder Toggenburger Kräuter aus dem eigenen Garten, wieder andere rührt sie mit Kaffee an, dem eine besonders reinigende Wirkung zugesprochen wird. Ein speziell edles Stück ist die Eselsmilchseife für alle, die sich einmal wie Kleopatra fühlen wollen. Sie ist allerdings nicht immer erhältlich: «Ich bekomme die Milch nur, wenn der Esel einer Bekannten Junge hat», erklärt Nigg. Den Esel durchzumelken nur für die Seife – das wäre dann schon ein bisschen zu viel des Guten, findet sie.

Ätherische Öle sind stark riechende, flüchtige Pflanzeninhaltsstoffe. Ihnen werden vielseitige Wirkungen auf Körper und Geist nachgesagt. Die meisten ätherischen Öle reizen die Haut und die Schleimhäute und dürfen daher nur stark verdünnt angewendet werden.

Quelle: Tanja Demarmels
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Hersteller von Naturseifen (Auswahl)

  • www.toggenburger-naturseifen.ch Website von Astrid Nigg
  • www.duschmoedeli.ch Wohlriechendes aus dem aargauischen Zufikon
  • www.seifenmacher.ch Seifen aus Arosa
  • www.seifenmanufaktur.ch Gutes für die Haut aus Esslingen
  • www.pflegeseife.ch Naturseifen aus dem luzernischen Buchrain