Im thurgauischen Eschlikon trägt die Post nicht nur Briefe und Pakete, sondern auch Abfall aus. Seit nämlich die «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens über die hier ansässige Innorecycling AG berichtet hat, werden wöchentlich Pakete mit alten CDs an der Hörnlistrasse 1 zugestellt. Die Thurgauer Wertstoffhandelsfirma entsorgt schon seit längerem für die Migros Ostschweiz PET-Flaschen und Kunststoffe aller Art. Inzwischen gehören auch digitale Datenträger dazu. Denn seit März vergangenen Jahres läuft in drei Ostschweizer MM-Filialen der Pilotversuch, ausgediente Scheiben fürs Recycling zu sammeln.

Mit grossem Erfolg: Die Kunden in Wetzikon, Winterthur-Neuwiesen und Frauenfeld haben innerhalb eines Dreivierteljahres 1,2 Tonnen alter Discs zurückgebracht. Das sind rund 80'000 Stück. Auch diese Scheiben landen vorübergehend im Industriequartier von Eschlikon. «Kunststoffabfälle sind ein handelbares Gut», freut sich Innorecycling-Betriebsleiter Robert Streicher. Der Wert einer ausgedienten CD liegt derzeit bei fast einem halben Rappen.

Ohne den privaten Verein Redisc wäre die schweizweit einmalige Sammelaktion allerdings nicht zustande gekommen. Claudia Stocker Suter und drei Studienkolle-gen haben diesen im Nachgang zu einem Umweltstudiengang des WWF gegründet, um das CD-Recycling ökologisch zu verbessern. Eine Semesterarbeit zeigte auch deutlich Handlungsbedarf auf. «Immerhin werden in der Schweiz jährlich mehr als 100 Millionen Discs in Kehrichtverbrennungsanlagen verbrannt», sagt Redisc-Präsidentin Claudia Stocker Suter. Das gilt leider auch für alte CDs, die heute schon dem Elektronikfachhandel zurückgebracht werden können.

Andreas Heller, dessen Entsorgungsfirma Ceren den Elektronikschrott der Interdiscount-Läden entgegennimmt, bestätigt die aktuelle Entsorgungspraxis: «Vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht ist es sehr oft nicht sinnvoll, die kleinen Mengen auszusortieren.» Rechtlich sei das einwandfrei und die Verwertungsvariante den offiziell zugelassenen Entsorgern frei überlassen, ergänzt Paul Brändli, Geschäftsführer des Elektronikfachverbands Swico.

Erfolgsprodukt: Milliardenabsatz von silbrigen Datenträgern

1983 kam die Audio-CD auf den Markt; ein paar hunderttausend Scheiben wurden produziert. 2009 umfasste die CD- und DVD-Produktion laut Schätzungen des deutschen Umweltbundesamtes rund 60 Milliarden Stück.

Rezyklieren statt Verheizen

Besser wäre allerdings, die Scheiben zu rezyklieren: Damit würden die Erdölreserven und das Klima spürbar geschont. So zeigt eine in Deutschland vorgestellte Ökobilanz, dass jede Tonne Kunststoff 1,26 Tonnen Treibhausgase erzeugt, wenn sie verbrannt statt wiederverwertet wird. Das bedeutet, dass in der Schweiz jährlich rund 3000 Tonnen Treibhausgase allein bei der CD-Verbrennung entstehen.

In Deutschland ist die Rücknahme und Wiederverwertung der Glitzerscheiben seit langem etabliert. Die Sammelboxen für CDs sind so bekannt wie die für PET-Flaschen oder Batterien. Vor gut zehn Jahren hat man damit begonnen; inzwischen werden jährlich mehrere tausend Tonnen oder umgerechnet rund 400 Millionen alter CDs und DVDs rezykliert. Zu verdanken ist das vor allem dem Chemieriesen Bayer, einem wichtigen Fabrikanten der Rohlinge und einem führenden CD-Recycler.

Im Wiederverwertungsprozess entfernt eine Lauge zuerst die Aluminiumschicht. Das Leichtmetall kann in einem eigenen Prozess ebenfalls zurückgewonnen werden. Der Restkunststoff, das Polycarbonat, wird zerhackt und wieder einem Herstellungsprozess zugeführt. Geschredderte CDs und DVDs sind ein begehrter Rohstoff, geeignet für die Herstellung von Motorrad-und Velohelmen, von Gehäusen für Computer, Fernseher und medizinische Geräte, von CD-Hüllen und Kunststoffkomponenten für Autos. Nur eines entsteht aus dem Schrott aus qualitativen Gründen nicht: neue Datenträger.

Dem gleichen Recyclingvorgang werden nun auch die Abfall-CDs aus der Ostschweiz zugeführt. Nur findet dieser nicht in Deutschland, sondern in China statt, wohin der wertvolle Abfall via Basel und Rotterdam verschifft wird.

Wie sauber der Prozess in China abläuft, ist schwer kontrollierbar. Darum ist dies für Innorecycling-Chef Streicher nur eine Zwischenlösung. Immerhin kann er mit den CDs «bereits gebuchte Schiffscontainer vorläufig besser auslasten». Sollten künftig grössere Mengen anfallen, ist auch eine Entsorgung in Deutschland denkbar.

Bedauern über den weiten Weg zum Recycling äussert auch die Entsorgungsspezialistin Christine Wiederkehr-Luther vom Migros-Genossenschafts-Bund. Trotzdem wolle sich der orange Riese stärker für die CD-Wiederverwertung engagieren. Noch im Verlauf dieses Jahres sollen die Kunden mehr Möglichkeiten zur Rückgabe der gebrauchten Datenträger erhalten. Grössere Filialen im Raum Zürich, Luzern und Aaregebiet werden ihre Sammelstationen mit CD-Boxen ergänzen. In Basel werden die Möglichkeiten zurzeit geprüft.

Die Erfahrungen mit dem Pilotversuch lassen vermuten, dass die Kundschaft die CD-Rücknahme schätzt. Und obwohl nur ein Teil der Kosten direkt finanziert werden kann, nimmt sich der Grossverteiler selber in die Pflicht. Schliesslich ist die Migros am Absatz neuer Scheiben nicht unerheblich beteiligt. Und die Umsätze zeigen, dass die Polycarbonatscheiben noch lange keine Auslaufmodelle sind.

Engagement nach Umsatz

Die initiativen Redisc-Mitglieder haben aber nicht nur bei der Migros ein Umdenken angeregt. Auch Entsorger beginnen, Alternativen zur Verbrennung zu entwickeln. Ceren-CEO Andreas Heller kündigt die baldige Umstellung auf Wiederverwertung an. Swico-Geschäftsführer Brändli will zudem die Sammellogistik in den angeschlossenen 400 Sammelstellen verfeinern und versucht, weitere Detailhändler einzubinden, «um ein flächendeckendes Sammelnetz anbieten» zu können.

Brändli hat Coop und Volg im Visier. Coop zeigt Interesse und gibt an, bereits Sammelmöglichkeiten zu prüfen. Volg dagegen winkt schon im Vorfeld ab. «Wir verkaufen selber keine CDs», begründet Volg-Mediensprecher Reinhard Wolfensberger den ablehnenden Bescheid.

CD-Produktion: Riesiger Verbrauch von Ressourcen

275'000 CDs oder DVDs landen in der Schweiz täglich in der Abfallverbrennung – 100 Millionen pro Jahr. Dabei geht der wertvolle und in der Herstellung teure Rohstoff Polycarbonat (CD-Plastik) verloren.

60 Milliarden Silberscheiben wurden 2009 weltweit hergestellt. Die Produktion verbrauchte

  • 181 Milliarden Liter Wasser
  • 950 Millionen Liter Rohöl
  • 17 Milliarden Kubikmeter Erdgas


Allein mit der verbrauchten Erdgasmenge könnte man die Schweiz sechs Jahre lang versorgen. Der Wasserverbrauch entspricht dem der Stadt Zürich während vier Jahren.