Der Kunstgriff mit den harten Strafen

Die Sozialbehörde kann den Grundbedarf von Sozialhilfeempfängern stutzen – als Bestrafung. 2016 hat die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) die maximal mögliche Kürzung von 15 auf 30 Prozent erhöht. Das geht gewissen Kantonen noch immer nicht weit genug: Luzern streicht bis 35, Thurgau bis zu 40 Prozent der Unterstützung. Solothurn, Basel-Landschaft, Genf, Wallis und bald auch der Aargau zahlen bei wiederholten schweren Verstössen sogar nur noch Nothilfe. Gemäss Skos ist das eigentlich nur für Menschen ohne Recht auf Verbleib in der Schweiz vorgesehen.
 

Der Dreh mit der Rückzahlpflicht

Unter bestimmten Umständen muss man die Sozialhilfe zurückzahlen. Gemäss Skos-Richtlinien ist das dann der Fall, wenn man aussergewöhnlich zu Vermögen kommt, also eine Erbschaft macht oder beim Lotto gewinnt. Wer einfach den Wiedereinstieg ins Berufsleben schafft und Lohn bezieht, muss nichts zurückgeben. Das sehen heute aber nur noch wenige Kantone so. Wie aber soll man sich aus der Armut befreien, wenn man zuerst die Sozialhilfe zurückzahlen muss?
 

Der Winkelzug mit den Willkürentscheiden

Sozialbehörden ignorieren zunehmend die gesetzlichen Vorgaben und verweigern die Unterstützung, obwohl sie klar dazu verpflichtet wären. Doppelt schwierig ist es für Betroffene, wenn die Behörde ihre Entscheide nicht in Form einer Verfügung mitteilt. Dann kann man sie nicht einmal anfechten.

Labyrinth Sozialhilfe.
Quelle: Pop Creative Services
Sozialämter: Die Sozialhilfe spart ohne Plan

In ihrem Sparfieber hindern die Sozialämter ihre Klienten daran, sich aus der Armut zu befreien. Und geben so langfristig mehr aus. Das erlebt die Stiftung SOS Beobachter jeden Tag.

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Die Mätzchen mit den Verwandten

Wenn Sozialhilfebezüger wohlhabende Eltern oder Kinder haben, können diese dazu verurteilt werden, einen Unterstützungsbeitrag zu leisten. So verlangt es das Zivilgesetzbuch. Auch das Vorgehen ist geregelt: Die Behörde muss zuerst eine Einigung mit den Verwandten suchen. Wenn das nicht geht, muss sie die Unterstützung vor Gericht einfordern. Gewisse Sozialdienste kümmern sich nicht darum. Sie verfügen die Unterstützung eigenmächtig oder fordern sie bei den Verwandten ein. Damit kommen sie oft durch. Denn viele Betroffene kennen die gesetzliche Regelung nicht.
 

Die Methoden gegen die Verjährung

Schulden bei der Sozialhilfe haben ein Ablaufdatum. Sie verjähren – je nach Kanton – nach 5 bis 20 Jahren. Gewisse Sozialbehörden umgehen diese Frist neuerdings mit einem Trick: Sie verlangen von Sozialhilfebezügern eine schriftliche Schuldanerkennung. Diese Forderung verfällt zwar nach zehn Jahren. Aber die Frist beginnt jedes Mal neu zu laufen, sobald man Geld zurückzahlt – eine Endlosschleife.
 

Die Masche mit den Mietzinsrichtlinien

Die Sozialhilfe muss die Miete zahlen, wenn sie im ortsüblichen Rahmen liegt. Viele Gemeinden haben jedoch ihre Mietzinsrichtlinien derart tief angesetzt, dass Fürsorgebezüger kaum eine Wohnung finden, die günstig genug ist. Wer in einer zu teuren Wohnung lebt, dem zwacken die Sozialbehörden die Differenz vom Grundbedarf ab. Die Sozialhilfe muss eigentlich auch für die Nebenkosten aufkommen. Auch hier bezahlen viele Gemeinden nur noch einen Teil.


Die Kniffe gegen Zahnarztkosten

Die Sozialhilfe muss alle medizinischen Behandlungen übernehmen, die nicht von der Krankenkasse bezahlt werden – auch notwendige Zahnbehandlungen. Der Kanton Solothurn fordert aber von Sozialhilfebezügern, dass sie zehn Prozent selber berappen. Und er übernimmt Zahnbehandlungen nur, wenn man schon mindestens sechs Monate Sozialhilfe bezogen hat. In vielen Gemeinden des Kantons St. Gallen müssen sich Sozialhilfebezüger gar mit 30 Prozent an den Kosten beteiligen.

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