Antwort von Koni Rohner, Psychotherapeut FSP:

Weder noch! Alle drei Vorschläge sind unfruchtbar und dienen einer Konfliktlösung nicht. Wenn Sie ein langjähriger Freund verletzt hat, gibt es nichts Wirksameres, als ihm dieses schmerzliche Gefühl mitzuteilen. Das könnte so klingen: «Lieber X, ich muss dir unbedingt sagen: Als du gestern Abend YZ gemacht hast – hat mir das wehgetan.»

Es handelt sich dabei um eine sogenannte Ich-Botschaft, die aus zwei zentralen Elementen besteht: Man bezieht sich erstens auf eine konkrete Situation und schildert zweitens die Gefühle, die man dabei gehabt hat.

Das ist zwar ein einfaches Rezept, aber nicht leicht zu befolgen. Man muss es üben. Wenn wir verletzt werden, liegt es uns nämlich näher zurückzuschlagen, um dem andern ebenfalls wehzutun. Das führt aber nicht zu einer Lösung, sondern zur Eskalation. Eine Kränkung folgt dann auf die andere, bis die Beziehung nicht selten völlig in die Brüche geht.

Eine ebenso falsche Reaktion ist es, sich abzuwenden, um zukünftige Schmerzen zu vermeiden oder um den Verletzenden mit Liebesentzug zu bestrafen. Auch das führt in eine Sackgasse. Schliesslich bringt es auch nichts, über eine Verletzung zu diskutieren, denn über ein Gefühl kann man nicht diskutieren, es ist entweder da oder nicht.

Es ist leichter, den andern zu beschimpfen

Die Ich-Botschaft hat zwei grosse Vorteile: Erstens geht es einem besser, wenn man seine Gefühle der Kränkung, Verletzung oder Angst erkannt hat und benennen kann – und es stärkt die Selbstachtung, wenn man vor andern zu seinen Gefühlen steht. Zweitens lässt die Ich-Botschaft dem andern die Freiheit, einen weiter zu verletzen oder sich zu entschuldigen und damit aufzuhören. Das heisst, die Ich-Botschaft provoziert keine Gegenreaktion. Ausserdem wollen Menschen in der Regel nicht böse und verletzend sein und werden deshalb ihr Verhalten ändern, wenn sie sich ihrer schmerzhaften Wirkung bewusst werden.

Wieso reagieren wir dann nicht immer mit Ich-Botschaften, wenn das der fruchtbarste Weg ist, mit Konflikten umzugehen? Erstens haben wir es nicht gelernt. Zurückschlagen und Vorwürfe machen dagegen sehen wir täglich als Reaktion auf Verletzungen. Und zweitens braucht es Mut, zu seinen Gefühlen zu stehen. Es ist leichter, den andern zu beschimpfen, als ihm zu sagen, dass er einem wehgetan hat.

«Es gibt nichts Wirksameres, als ihm dieses schmerzliche Gefühl mitzuteilen.»

Koni Rohner, Psychotherapeut

Die Ich-Botschaft wurde vom US-Psychologen Thomas Gordon beschrieben und gelehrt. Als Pendant dazu hat er das aktive Zuhören vorgestellt. Auch das ist einfach, aber nicht leicht. Wenn man jemandem zuhört, soll man versuchen zu spüren, wie sich die Situation in den Schuhen des Gegenübers anfühlt. Ohne vorerst zu werten, kann man so die Situation eines andern verstehen.Verstehen heisst natürlich nicht, der gleichen Meinung zu sein. Aber wenn zwei Parteien tatsächlich die Sicht der jeweils anderen einnehmen können, finden sie in der Regel eine Kompromisslösung.

Gordons Kommunikationsmodell hilft nicht nur im Fall einer Freundschaft, es hilft bei Paarkonflikten, Auseinandersetzungen in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule und sogar auf dem politischen Parkett.

Thomas Gordon ist neben Carl R. Rogers der wichtigste Vertreter der humanistischen Psychologie, die in der Mitte des letzten Jahrhunderts in Kalifornien als Antwort auf den Behaviorismus und die Psychoanalyse entwickelt wurde.

So sieht Gordons Kommunikationsmodell aus

Ich-Botschaft:

  • sich auf ein konkretes Ereignis beziehen
  • das Gefühl mitteilen
  • keinesfalls über das Gefühl diskutieren

Aktives Zuhören:

  • nicht werten und verurteilen
  • aktiv zurückfragen, um zu überprüfen, ob man alles richtig verstanden hat.

Echtheit:

  • man muss nicht alles sagen, was man denkt und fühlt – aber was man sagt, muss wahr sein.

Haben Sie psychische oder soziale Probleme?

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Koni Rohner
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koni.rohner@beobachter.ch

Buchtipp

  • Thomas Gordon: «Familienkonferenz. Die Lösung von Konflikten zwischen Eltern und Kind»; Verlag Heyne, 2012, 368 Seiten, CHF 14.90.