Macht sich eine Frau strafbar, wenn sie heimlich die Mails ihres Partners liest? Diese Frage hatte das Bezirksgericht Bremgarten AG zu klären.

Ein verheiratetes Paar aus dem Kanton Aargau teilte nicht nur das Leben, die Wohnung und das Bett – sondern auch den Computer und die dazugehörigen Passwörter. Eines Tages aber entdeckte die Frau ein geheimes Mail-Konto ihres Partners. Da er für dieses Geheimkonto dasselbe Passwort verwendete wie für das gemeinsam genutzte E-Mail-Konto, konnte sie sich problemlos anmelden.

Mehrere Affären aufgespürt

Was sie im dortigen Posteingang vorfand, war ein Schock für sie: «Er stand bereits über längere Zeit mit mehreren Frauen in Kontakt. Ich habe ihn mit seinen Affären konfrontiert, worauf er relativ rasch aus unserer gemeinsamen Wohnung auszog», sagte die Frau gemäss einem Bericht der Aargauer Zeitung vor Gericht. Sie las die Mails aber nicht nur, sondern sie kopierte sie auch zusammen mit Bildern und Dateien auf eine externe Festplatte. Inzwischen leben die beiden schon längere Zeit getrennt, sind aber noch immer verheiratet.

Der Mann seinerseits akzeptierte zwar die Trennung, er liess sich die Bespitzelung aber nicht gefallen und erstattete Anzeige wegen unbefugten Eindringens in ein Datenverarbeitungssystem (Artikel 143bis Strafgesetzbuch). Denn wer ohne Erlaubnis in ein fremdes, gegen seinen Zugriff gesichertes System eindringt, kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verurteilt werden. Daraufhin sprach die Staatsanwaltschaft gegen die Frau einen Strafbefehl aus und auferlegte ihr eine Geldstrafe von 9900 Franken (bedingt) plus Gebühren. Das Bezirksgericht in Bremgarten senkte die Geldstrafe nun auf 1500 Franken, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren.

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In seiner Begründung wies der Gerichtspräsident darauf hin, dass auch normal gesicherte Daten geschützt seien. Durch das ungefragte Eindringen ins E-Mail-Konto ihres Mannes habe sich die Beschuldigte eindeutig strafbar gemacht. «Die Unvorsichtigkeit ihres Ehemannes hat sie ausgenützt, wobei sie nur minimale kriminelle Energie an den Tag legen musste. Denn der Zugriff auf das besagte Konto wurde der Beschuldigten leicht gemacht», schloss der Gerichtspräsident und begründete somit die tiefer angelegte Strafe.

«Es ist keine Bagatelle»

Die Frau hätte allerdings auch wegen des Verstosses gegen das Datenschutzgesetz bestraft werden können. Darin ist unter Artikel 13 festgehalten, dass eine Verletzung der Persönlichkeit nur dann nicht widerrechtlich ist, wenn der Verletzte zuvor eingewilligt hat oder wenn ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse besteht. All das ist hier nicht der Fall. «Die Verhältnismässigkeit hat im Datenschutz eine wichtige Bedeutung», erklärt Daniel Leiser, Datenschutzexperte im Beobachter-Beratungszentrum. «So muss immer die mildeste Massnahme zur Erreichung eines Ziels gewählt werden.» Im vorliegenden Fall habe ja der Richter sogar betont, dass die Zeit für eine Aussprache reif gewesen sei. «Im Übrigen musste die Ehefrau davon ausgehen, dass ihre Massnahme die Beziehung eher noch weiter zerrütten würde. Somit war das Ausspionieren auch schlicht nicht geeignet, um die Ehe zu retten.»

Das Gericht indes habe mit seinem Urteil Augenmass bewiesen, ist Leiser überzeugt: «Wenn es beim ursprünglich veranschlagten Strafmass von 9900 Franken geblieben wäre, hätte ich die Welt nicht mehr verstanden, wird doch mancher Verkehrsrowdy milder bestraft.» Das Schlussergebnis sei aber durchaus ausgewogen: «Es ist keine Bagatelle, wenn man unerlaubt den Rechner von jemand anderem ausspioniert und – noch schlimmer – davon Dateien kopiert. Aber es ist auch kein Verbrechen.»

Und die Moral von der Geschichte? Den Partner zu betrügen, ist zwar unanständig. Strafbar ist es nicht.

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