Bei Lidl seien die Backwaren «handgemacht und frisch vom Beck», heisst es auf grossen Plakaten vor den Filialen. «Zahlreiche Brotspezialitäten» würden «jeden Tag frisch angeliefert», verspricht die Website. Die Realität sieht so aus: Das Lidl-Walnussbrot wird in Slowenien hergestellt und tiefgekühlt geliefert. Das Schoggi-Brötli stammt aus Frankreich. Krustenbrot, Kürbiskernbrötli und Fitnessbaguette kommen aus Deutschland in die Schweiz. Der Blaubeer-Donut trudelt aus Belgien ein. Die Konsumenten erfahren das nur, wenn sie das Kleingedruckte am Regal lesen.

«Frisch ausgebacken»

Lidl sieht darin kein Problem. Die Herkunft sei klar deklariert. Die ausländischen Grossbäckereien lieferten tiefgefrorene Teiglinge oder Vorbackbrote in die Filialen, wo sie «frisch» ausgebacken würden. Und das Werbeversprechen beziehe sich auf jene Brote, die Schweizer Bäckereien täglich frisch in die Lidl-Filialen lieferten. Wie viele das sind, will Lidl allerdings nicht sagen. Das sei je nach Filiale unterschiedlich. Die Mehrheit der Brote stamme aus der Schweiz. Von einer Irreführung der Konsumenten könne deshalb keine Rede sein. 

Ist die Lidl-Werbung also unproblematisch? Das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft ist skeptisch. Ob die Werbung irreführend sei, könne zwar nur ein Gericht beurteilen. Doch: «Unseres Erachtens erweckt die Angabe ‹handgemacht und frisch vom Beck› bei den Durchschnittsadressaten wohl die Erwartung, dass die Backwaren von einem Bäcker von Hand gefertigt wurden», sagt der zuständige Ressortleiter Jürg Herren.

Lidl ist aber nicht allein. Die Migros wirbt damit, dass bestimmte Brote aus einem Steinofen stammen. Was das bedeutet, steht klein auf der Verpackung: «Für Sie vor Ort aus einem tiefgekühlten und im Steinofen vorgebackenen Produkt fertig gebacken.» Die Migros betont, dass jede Filiale auch Brote verkaufe, die nie eingefroren worden sind. Diese erkenne man daran, dass auf dem Brotsack das Wort «tiefgekühlt» fehlt. 

Keine «Hausgemacht»-Garantie

Coop verfolgt eine ähnliche Deklarationspolitik. Ein Label wie «Pain Artisanal» ist allerdings keine «Hausgemacht»-Garantie. Diese Coop-Brote seien zwar mit viel «Geduld, Sorgfalt und Fachwissen» hergestellt, werden danach aber «tiefgekühlt und frisch ausgebacken». Coop und Migros sagen, sie verkauften keine ausländischen Brote – bis auf wenige Spezialitäten wie zum Beispiel Pumpernickel. 

Deutlich intransparenter ist Aldi. Wenn ein Brot aus der Schweiz stammt, prangen Schweizer Flaggen auf der Etikette am Regal. Kommt es aus dem Ausland, fehlt hingegen die obligatorische Herkunftsangabe. Dass das Roggenbrötli aus Österreich importiert wird, das Pain au Chocolat aus Deutschland oder das Parisette aus Frankreich, erfahren die Konsumenten nur, wenn sie das Verkaufspersonal fragen. Das ist legal, sofern das Brot ohne Verpackung im Regal liegt. Dann gelten die Regeln des Offenverkaufs, wo eine mündliche Herkunftsdeklaration genügt. Aldi sagt, alle Brotlieferanten müssten einwandfreie Qualität liefern. Die Mehrheit der Brote stamme aus der Schweiz.

Doch auch beim klassischen Bäcker um die Ecke ist nicht immer alles selbstgemacht. Der Schweizer Zutatenhändler Bakels vertreibt Backmischungen in 25-Kilo-Säcken. Die Bäckerei-Genossenschaft Pistor liefert Fertigvorteige direkt in die Backstube. So sind zum Beispiel 16,5 Kilo Tiefkühl-Buttergipfeliteig für Fr. 146.85 zu haben. Die Bäckereien würden solche Produkte oft nur bestellen, um ihr Sortiment zu komplettieren, sagt eine Pistor-Sprecherin. «Den grössten Teil der Backwaren stellen sie selber her.» 

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