Beim Klimaschutz kriegen die Schweizer Autofahrer die Kurve nicht. Sie fahren nach wie vor die Autos mit dem höchsten CO2-Ausstoss in ganz Europa. Der Bund tut wenig, das zu ändern. Die CO2-Grenzwerte sind weniger strikt als in der EU, wobei nicht einmal die Vorgaben aus dem CO2-Gesetz eingehalten werden. Mit der Folge, dass die CO2-Emissionen des Verkehrs Luftverschmutzung Die Empa hat den sauberen Motor schon heute höher sind als 1990. Im Gegensatz zu Gebäuden und Industrie, wo der CO2-Ausstoss seither deutlich gesunken ist.

Derzeit sind nur gerade zwei Prozent aller Personenwagen Hybrid-, Elektro- oder Gasautos. Ihr Anteil bei den Neuwagen steigt zwar, aber Herr und Frau Schweizer kaufen vor allem schwere und leistungsstärkere Benziner und Diesel Dieselautos «Neun von zehn gehören vermutlich verboten» . «Autofahrer bezahlen primär für Prestige und Komfort», kritisiert Grünen-Präsidentin Regula Rytz. «Mit Logik hat das nichts zu tun.» So kurven etwa immer mehr Geländewagen durch die Strassen – was den Effekt der umweltfreundlicheren Autos zunichtemacht.

Ein Nullsummenspiel

Bund und Kantone versuchen seit Jahren, ökologische Fahrzeuge mit verschiedenen Mitteln zu fördern, vor allem via Motorfahrzeugsteuer. Viele Kantone erlassen die Steuer für Elektrofahrzeuge komplett. Für Hybride, Gasautos und Autos mit Energieetikette A gewähren sie Rabatte von bis zu 80 Prozent. Die Steuerausfälle werden über höhere Abgaben auf konventionelle Autos kompensiert. Unter dem Strich resultiert für den Staat ein Nullsummenspiel.

Doch die Öko-Steuerrabatte sind praktisch wirkungslos, zeigt eine Studie der Zürcher Beratungsfirma EBP. Die Höhe der Motorfahrzeugsteuer ist nur für 15 Prozent der Autokäufer sehr wichtig.

Der Umsteigeeffekt sei sehr gering, heisst es in der Studie. So hat etwa der Kanton Zürich vor vier Jahren Ökorabatte eingeführt. Seither ist der mittlere CO2-Ausstoss pro Fahrzeug aber um nur 1,4 Prozentpunkte stärker gesunken als in Kantonen ohne Rabatte. Der Grund? «Die Verkehrsabgaben machen nur einen sehr geringen Teil» an den Betriebskosten eines Motorfahrzeugs aus, schreibt der Regierungsrat. Wie stark die Höhe der Abgaben das Kaufverhalten beeinflusse, sei nicht eruierbar.

«Wir könnten die Klimaziele ohne Verzicht erreichen, wenn jeder Autokäufer den effizientesten Antrieb wählen würde.»

Peter de Haan, Energieexperte
 

Experte fordert Bonus-Malus-System

Weil die Autoabgaben so tief sind, sei in der Schweiz mit Steuerrabatten nicht viel zu erreichen, bestätigt Peter de Haan, Energieexperte bei EBP und ETH-Dozent. Um einen spürbaren Effekt zu erzielen, müsste die Förderung so massiv ausfallen wie in Norwegen. Dort wird Käufern von Elektro- und Hybridautos etwa ein Drittel des Preises erlassen. Mit der Folge, dass in Norwegen heute jedes zweite Fahrzeug einen alternativen Antrieb hat. Das ist Weltrekord.

Am wirkungsvollsten in der Schweiz wäre laut de Haan ein Bonus-Malus-System: Man fördert die ökologischeren Fahrzeuge und bestraft die umweltschädlicheren. Ein Malus wirke doppelt so stark wie ein Bonus, das zeige die Forschung. Malussysteme seien aber politisch schwierig durchsetzbar. «Die Politiker scheuen davor zurück, einzelne Autobesitzer zu bestrafen. Das Auto ist immer noch eine heilige Kuh.» Das ist laut Experten auch der Grund, warum der Bund eine CO2-Abgabe auf Treibstoff weiterhin nicht einmal in Betracht zieht, obwohl sie vermutlich das wirkungsvollste Steuerungsinstrument wäre.

Ökorabatte sind aber selbst unter Umweltschützern umstritten. «Wir sind gegen die Subventionierung von Autos», sagt Martin Winder vom VCS. Auch mit Elektroautos soll man sich an den Infrastrukturkosten beteiligen, die über die Motorfahrzeugsteuern finanziert werden. Statt Ökorabatten schwebt dem VCS daher eine Verteuerung von umweltschädlichen Fahrzeugen vor. «Wenn man die Kosten für Umweltverschmutzung und Klimawandel Klimawandel Warum handeln wir nicht? den Verursachern anrechnen würde, wären Autos, die mit erneuerbaren Energien fahren, viel konkurrenzfähiger.»

Für den TCS sind steuerliche Erleichterungen für umweltfreundlichere Autos «denkbar», solange sie klar befristet sind, sagt Vizepräsident und FDP-Nationalrat Thierry Burkart. Sollte jemals ein nationales Malussystem eingeführt werden, müssten genügend lange Übergangsfristen und Ausnahmen für das Gewerbe gewährt werden.

Laut Experte de Haan ginge es aber auch ganz ohne neue Massnahmen. «Wenn jeder einzelne Konsument beim nächsten Autokauf den effizientesten Antrieb wählen würde, könnten die Klimaziele erreicht werden, ohne dass die Schweiz auf Mobilität verzichten müsste.»

Vorderhand wird aber weitergewurstelt

Wie der «Kassensturz» aufgezeigt hat, berechnet jeder Kanton die Motorfahrzeugsteuern nach einer anderen Methode. In der Regel zählen: Gewicht oder Energieeffizienz, Leistung oder Hubraum, CO2-Ausstoss oder Antriebsart. Einige Kantone fördern umweltfreundliche Fahrzeuge gar nicht.

Daher sind die Steuerunterschiede riesig: So zahlt ein Tesla-Fahrer im Kanton Basel-Stadt 1780 Franken Motorfahrzeugsteuer – im Kanton Zürich nichts. Extrem sind die Unterschiede auch bei Luxuskarossen. Für einen Porsche Carrera zahlt man in Schaffhausen 384 Franken, in Genf 2043. In der Regel betragen die Motorfahrzeugsteuern einige hundert Franken pro Wagen und Jahr.

So hoch ist die jährliche Motorfahrzeugsteuer

Porsche 911 Carrera 4S PDK

In Schaffhausen: 384.-

In Genf: 2043.-

 

Tesla S 70 D

In Zürich: 0.- 

In Basel-Stadt: 1780.- 

Die unterschiedliche Praxis sei «eine Katastrophe» und verwirre viele Konsumenten, kritisiert Peter de Haan, Autor der Studie «Förderung energieeffizienter Fahrzeuge». Er empfiehlt, das Steuersystem zu vereinheitlichen und schweizweit dieselben Berechnungsgrundlagen einzuführen. Über die absolute Höhe der Steuern könne jeder Kanton weiterhin selber bestimmen. Diesen Vorschlag unterstützt auch der Präsident der Vereinigung der Strassenverkehrsämter, Ernst Anderwert.

Bei bürgerlichen Politikern stösst diese Idee jedoch auf wenig Gegenliebe. Für TCS-Vize Burkart «widerspricht eine Vereinheitlichung der föderalen Logik der Strassenfinanzierung. Die Steuer liegt in der Kompetenz der Kantone, die damit ihre Strasseninfrastruktur finanzieren.»

Reiche werden bevorzugt

Und dann gibt es noch Autofahrer, die sich aus einem anderen Grund über den Ökorabatt ärgern. «Er ist asozial», sagt Beobachter-Leser Urs Inderbitzin*. «Die Armen, die sich kein neues Auto leisten können, müssen die Reichen subventionieren.» In seinem Wohnkanton Freiburg sind Elektrofahrzeuge von der Motorfahrzeugsteuer befreit, dafür bezahlen die Fahrer konventioneller Autos etwas mehr. 

Dass damit Gutverdienende subventioniert werden, ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Im Schnitt sind neue Elektrofahrzeuge 10'000 Franken teurer als konventionelle Autos. Ein Tesla etwa kostet 80'000 Franken. Daher gilt das Gefährt als schickes Spielzeug für Gutverdiener. 

Inderbitzin protestierte gegen die Öko-Steuerrabatte. Ohne Erfolg. Beim Kanton Freiburg blitzte er ab.

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Raphael Brunner, Redaktor
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