Am 10. Juni stimmen wir über das «Bundesgesetz über Geldspiele (Geldspielgesetz)» ab. Dabei offenbart sich eine Abstimmungskoalition, die Seltenheitswert hat: Jungparteien von links bis rechts ergriffen gemeinsam das Referendum, während ihre Mutterparteien der Vorlage im Parlament noch mehrheitlich zustimmten. Unterdessen haben die kontroversen Netzsperren bei den FDP-Delegierten zu einer Nein-Parole geführt – entgegen der Haltung der Parteileitung. Die Grünen sind ebenfalls ihrer Jungpartei ins Nein-Lager gefolgt. Die SVP hat Stimmfreigabe beschlossen, während die SP und CVP das Gesetz unterstützen. 

Wieso stimmen wir über Geldspiele ab?

Das neue Geldspielgesetz soll die bisher geltenden Lotterie- und Spielbankengesetze (von 1923 und 1998) unter einem Hut zusammenführen und fit für das Internetzeitalter machen. Nachdem das Volk 2012 eine Verfassungsänderung im Bereich der Geldspiele angenommen hatte, musste das Parlament das nun vorliegende neue Gesetz ausarbeiten. Dagegen wurde im Herbst 2017 das Referendum ergriffen. Umstritten ist insbesondere, dass Online-Spiele von Anbietern ohne Bewilligung gesperrt werden sollen. Kritik gibt es aber auch an den Präventionsmassnahmen gegen Spielsucht: sie seien ungenügend. 

Die wichtigsten Änderungen:
  • Konzessionierte Casinos dürfen neu auch Online-Spiele wie Roulette, Black Jack und Poker anbieten.
  • Seiten mit illegalen Online-Angeboten werden gesperrt.
  • Lotterie-Gesellschaften dürfen neue Formen von Sportwetten durchführen.
  • Kleine Pokerturniere ausserhalb von Spielbanken sind mit entsprechender Bewilligung künftig erlaubt.
  • Lotteriegewinne bis zu einer Million Franken sind künftig steuerfrei.
  • Nicht nur Casinos, sondern künftig auch Lotteriegesellschaften müssen spielsüchtige Personen vom Spielbetrieb ausschliessen.
  • Aufsichtsbehörden müssen mindestens eine Fachperson für Suchtprävention in leitender Stellung beschäftigen.
  • Manipulation im Sportwettkampf wird neu als eine Form von Bestechung unter Strafe gestellt.
  • Sportverbände und Wettanbieter müssen Verdachtsfälle künftig melden.
  • Mindestalter: 18 Jahre bei Casinos, 16 Jahre bei Lotterie-Spielen. 

Spielen und Wetten – und dabei vielleicht sogar einen Batzen gewinnen – macht Spass. Aber wo Millionen verteilt werden, sind Gefahren wie Spielsucht Spielsucht Bis zum letzten Hemd , Manipulation, Betrug und Geldwäscherei nicht weit. Deshalb wurden solche Spiele auch bisher schon reguliert. Weil der Staat gegen die schädlichen Auswirkungen vorgehen muss, zum Beispiel sich um Süchtige kümmert oder gegen Betrug strafrechtlich aktiv wird, sind Casinos und Lotterien verpflichtet, einen Teil ihrer Einnahmen an die Allgemeinheit auszuschütten.

Jährlich ist das rund 1 Milliarde Franken. Zum Beispiel geht der gesamte Reingewinn von Lotterien an Projekte in Kultur, Sport und Soziales. Lotterien sind im kantonalen Monopol von Swisslos und Loterie Romande geregelt. Casinos müssen mindestens 40 Prozent ihrer Bruttospielerträge an AHV/IV und Standortkantone weitergeben. 

Online-Geldspiele neu erlaubt

Bisher waren Online-Geldspiele verboten Geld- und Glücksspiele Was ist erlaubt, was verboten? . Einzige Ausnahme sind Swisslos und Loterie Romande, die ihre Wetten und Lotterien auch im Internet anbieten dürfen. Künftig sollen jedoch auch Casinos ihre Konzession erweitern und Online-Spiele anbieten können. Denn trotz Verbot floriert das Online-Geldspiel bereits heute. Durch die bisherige gesetzliche Einschränkung fühlen sich die Spielbanken deshalb benachteiligt. Ihnen entgehen gemäss Schätzungen des Bundes jährlich rund 250 Millionen Franken, «Tendenz steigend». Das Geld fliesst an die Anbieter im Ausland, die weder an Schweizer Recht gebunden sind noch Abgaben für gemeinnützige Zwecke entrichten.

Die Befürworter des Gesetzes argumentieren deshalb, mit dem neu erschlossenen Online-Markt könnten zusätzliche Einnahmen für Kantone, AHV, Kultur und Sport generiert werden, statt dass dieses Geld wie bisher an unbewilligte Spiele fliesst. Allerdings gilt die Erweiterung der Geldspiele ins Internet nur für Spielbanken, die auch einen physischen Sitz in der Schweiz haben. Sprich: Primär bevorzugt das Gesetz bereits etablierte Spielbanken. Aber auch ausländische Anbieter können mitmischen, wenn sie hierzulande ein Casino betreiben.

Reine Online-Konzessionen sieht das Gesetz jedoch nicht vor. Allen anderen Anbietern bliebe eine Konzession verwehrt, ihre Webseiten würden mit sogenannten Netzsperren (technischen Blockaden) unzugänglich gemacht und damit vom Markt ferngehalten. Und genau daran scheiden sich die Geister.

Gibt es heute in der Schweiz schon Netzsperren?

Ja, in der Praxis schon. Allerdings werden bisher nur Internetseiten mit Kinderpornografie Kinderpornographie Wann wird das Ansehen von Bildern zur Straftat? gesperrt. Dafür existiert aber keine gesetzliche Grundlage, sondern die Netzsperren basieren auf Freiwilligkeit, sprich Provider haben gemeinsam entschieden, solche Seiten unzugänglich zu machen. Wenn man darauf zugreifen will, wird man auf eine Seite weitergeleitet, die den Nutzer informiert, dass der Inhalt der gesuchten Webseite illegal ist. Das sieht zum Beispiel so aus: block.bluewin.ch

Wieso sind Netzsperren ein Problem?

Der Abstimmungskampf wird von einer Grundsatzfrage dominiert: Wie frei soll das Internet sein? Die Gegner des Gesetzes sind der Meinung, die einheimische Geldspielbranche durch eine Sperrung ihrer ausländischen Konkurrenz zu schützen sei insbesondere deswegen heikel, weil mit der erstmaligen gesetzlichen Verankerung ein gefährlicher Präzedenzfall für Netzsperren geschaffen wird. «Auf diesen werden sich weitere Branchen berufen und ihrerseits Netzsperren fordern,» warnt das Referendumskomitee. Das öffne Tür und Tor für alle Bestrebungen, unliebsame Konkurrenz im Internet einfach zu verbieten.

Sie sprechen von «digitaler Abschottung» und «Internetzensur», während der Bund sich eher schlecht als recht bemüht, diese Netzsperren zu verteidigen. Es sei keine Zensur, denn niemandem würden Informationen vorenthalten und das Geldspiel sei noch nie ein freier Markt gewesen. Zudem würden die Sperren vor allem bei den Anbietern wirken: Erfahrungen von Ländern, die bereits Netzsperren im Online-Geldspiel einsetzen, würden zeigen, dass die Anbieter ihre unbewilligten Angebote selber unzugänglich machen würden.

Zwar wird es selbst für Laien ein Leichtes sein, Netzsperren zu umgehen, was das zuständige Bundesamt für Justiz ohne Umschweife zugibt. Sie würden trotzdem eine abschreckende Wirkung entfalten: «So wie dies auch eine Abschrankung um eine Baugrube oder ein Zaun um eine Weide tun.» 

Schützt das neue Gesetz gegen Spielsucht?

Petra Baumberger, Generalsekretärin beim Fachverband Sucht, pflichtet dem Bund bei, dass Netzsperren eine präventive Wirkung entfalten könnten. Man müsse differenzieren: Süchtige würden immer einen Weg finden, um im Netz zu zocken, Sperren hin oder her. Für alle anderen könnten die Netzsperren jedoch durchaus präventive Effekte haben.

In der Schweiz sind 75’000 Personen von exzessivem Geldspiel betroffen. Dabei sind Online-Spiele in den Studien gar nicht erfasst, weil sie heute noch illegal sind. Gleichzeitig ist das Risiko, im Internet spielsüchtig zu werden, rund siebenmal höher als in Casinos.

 

«Süchtige finden immer einen Weg, um im Netz zu zocken»

Petra Baumberger, Fachverband Sucht

 

Online-Geldspiele sollen nun mit der Ausweitung der Casino-Konzession legalisiert werden. Um den damit einhergehenden Gefahren zu begegnen, werben die Befürworter des Gesetzes denn auch mit dem stärkeren Schutz vor Spielsucht. Das Referendumskomitee kritisiert jedoch, Parlament und Casinos hätten die zentralen Forderungen der Spielerschutzverbände, wie eine Präventionsabgabe und eine beratende Fachkomission, abgelehnt. Tatsächlich spricht sich die «Koalition zum Schutz der Spielerinnen und Spieler» nur zähneknirschend für das neue Gesetz aus.

Sie sei wenig begeistert davon, weil keine ausreichenden Massnahmen zur Prävention und zum Spielerschutz eingeführt werden, so Baumberger. Wegen den neuen und grösseren Risiken, die von Online-Geldspielen ausgehen, seien diese aber besonders wichtig. Die Koalition befürchtet, dass dem Schutz vor Spielsucht noch schlechter entsprochen würde, wenn das Parlament wegen des Referendums nochmals ein neues Gesetz ausarbeiten müsste. Sie akzeptiert also lieber den Spatz in der Hand, als auf die Taube auf dem Dach zu hoffen. 

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Tina Berg, Redaktorin
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