Das Bankkonto der Studentin Lia Kuhn* ist bald leer. «Ich muss ständig überlegen, welche Rechnungen dringend sind. Ich kann meinem Freund nichts zum Geburtstag schenken, und neue Kleider liegen momentan auch nicht drin.»

Im September hat sie das Wiederholungsgesuch für ein Stipendium eingereicht. Seither wartet sie auf den Entscheid des Zürcher Stipendienamts. Der sollte eigentlich kein Problem sein, da sie seit dem Beginn ihrer Zweitausbildung Stipendien erhält. Das Geld fliesst aber erst, wenn die offizielle Bestätigung da ist.

Wie lange das noch dauern wird, kann die Behörde nicht sagen. Das Personal sei überfordert angesichts der 1250 Gesuche, die im September eingereicht wurden. Lia Kuhn hilft das nicht weiter. «Es darf doch nicht sein, dass es über acht Monate dauert, bis ein Entscheid gefällt wird.» In den letzten Jahren habe die Bearbeitung jeweils nicht länger als sechs Monate gedauert, sagt Lia Kuhn. Bern, Basel-Stadt und St. Gallen bearbeiten die Gesuche innerhalb von drei Monaten.

Viele sind frustriert

Rainer Jauch von der Hilfsstelle Stipendium.ch ist oft mit frustrierten Studenten aus dem Kanton Zürich konfrontiert. Die grössten Probleme gebe es bei Erstgesuchen. «Man beginnt eine Ausbildung, hofft auf Stipendien und erhält diese im besten Fall nach dem ersten Semester Ausbildung Achtung, fertig, Studium! .» Und wenn stattdessen eine Absage komme, rutschten die Studenten in ein unerwartetes finanzielles Loch.

Dem Kanton Zürich ist das Problem der langen Wartezeiten bekannt. Um den Prozess zu beschleunigen, mussten die Antragsteller heuer erstmals alle Unterlagen online einreichen. Die Wartezeit hat sich trotzdem verlängert. Eine wirkliche Verbesserung werde es frühestens nach der Stipendienreform in zwei Jahren geben, teilt die Stipendienstelle mit. Lia Kuhn wird weiter warten müssen.

* Name geändert

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Quelle: Beobachter Edition
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