Wer diesen Sommer mit dem Flugzeug verreiste, erlebte öfters Frust und Stress: Jeder vierte Flug war verspätet, immer wieder fielen Flüge aus. Jetzt stehen die Herbstferien an, und wieder werden Millionen Passagiere auf Schweizer Flughäfen unterwegs sein. Geht das Ganze wieder von vorne los?

«Die Situation wird kaum wieder so unbefriedigend sein», sagt Sonja Zöchling, Sprecherin am Flughafen Zürich. Zwar erwartet sie in den Herbstferien an Spitzentagen ähnlich viele Passagiere wie im Sommer. Weil jedoch nicht überall in Europa Ferien sind, werden insgesamt weniger Leute unterwegs sein – das Luftfahrtsystem als Ganzes wird etwas weniger beansprucht. «Dennoch empfehlen wir Passagieren, rechtzeitig am Flughafen zu sein und genügend Zeit für den Check-In und die Sicherheitskontrollen einzurechnen.»

Es wird geflogen wie noch nie

Denn die Flughafensprecherin sagt auch: «Verspätungen sind ein europaweites Problem, das sich nicht von heute auf Morgen lösen lässt.» Der Grund für die zunehmende Unpünktlichkeit ist die starke Verkehrszunahme. Immer mehr Leute fliegen, immer mehr Flugzeuge sind in der Luft.
 

«Die Flugbranche leidet unter riesigen Wachstumsschmerzen.»

Carsten Spohr, Chef Lufthansa
 

Allein in Zürich starten und landen täglich bis zu 870 Maschinen. Der Flughafen zählte diesen Juli über 3,1 Millionen Passagiere – so viele wie noch nie in einem Monat. Ebenfalls ein Rekord war der Spitzenwert von 114'000 Passagieren an einem einzigen Tag. Das sind mehr Menschen, als die Stadt Winterthur Einwohner zählt.

Zu wenig Personal bei der Flugsicherung

Die Flugbranche leide in ganz Europa unter «riesigen Wachstumsschmerzen», sagte der Vorstandvorsitzende der deutschen Lufthansa diesen Sommer. Denn die Fluggesellschaften und die Flughäfen kommen mit der selbstgeschaffenen Entwicklung kaum noch nach.

Vor allem die Flugsicherung ist zunehmend überlastet. Insbesondere in Deutschland und Frankreich fehlt es an Personal, ebenso bei der übergeordneten europäischen Kontrolle. Aber auch die Schweizer Flugsicherung Skyguide hat eher zu wenig als zu viele ausgebildete Lotsen Skyguide «Es spielt keine Rolle, ob Trump im Flugzeug sitzt» . Niemand hatte mit dieser Entwicklung des Luftverkehrs gerechnet. Bis neues Personal rekrutiert ist, braucht es Zeit.
 

«Es ist billig, immer auf das Wachstum zu verweisen.»

Simon Sommer, cancelled.ch
 

Auch die weiteren Gründe für die vielen Verspätungen haben mit dem schnellen Wachstum zu tun. Die Taktfahrpläne etwa sind inzwischen so eng, dass ein einziges verspätetes Flugzeug eine ganze Kettenreaktion in Gang setzt. Und wenn ein Flugzeug ausfällt, haben viele Airlines zu wenig Reserve-Maschinen zur Verfügung. Die Flugzeugbauer kommen mit der Produktion kaum noch nach.

Kritik an Betreuung

«Es ist billig, wenn Airlines und Flughäfen beim Thema Verspätungen immer auf das Wachstum verweisen», sagt jedoch Simon Sommer vom Fluggastrecht-Portal cancelled.ch. Schliesslich seien es die Fluggesellschaften und ihre Dienstleister, die das Wachstum generieren. «Auch wenn es viele Gründe für Verspätungen gibt, könnten sie mehr tun, um pünktlicher zu sein.»

Der Jurist empfindet vor allem die Betreuung oft als ungenügend. So würden Passagiere häufig nicht auf den nächstmöglichen Flug umgebucht, sondern in Hotels «parkiert» Enorme Verspätungen Airlines lassen Passagiere sitzen – tagelang . Oder man müsse drei Stunden am Schalter anstehen, um nach einem gestrichenen Flug einen Hotel-Voucher zu bekommen. «So etwas sollte auch per Handy möglich sein.»

Merkblatt «Rechte von Flugpassagieren» bei Guider

Flug annulliert, überbucht oder verspätet: Beobachter-Abonnenten erfahren im Merkblatt «Ihre Rechte als Flugpassagier», was ihnen zusteht und welche Entschädigungssumme sie in den jeweiligen Situationen verlangen können.

Mehr Probleme mit Billig-Airlines

Passagieren, denen Pünktlichkeit wichtig ist, rät Sommer, eher nicht bei Billig-Airlines Easyjet Für 8.95 Franken von Berlin nach Basel?! zu buchen. Zwar hätten diesen Sommer fast alle Fluggesellschaften Probleme mit Verspätungen gehabt. Swiss oder Lufthansa zum Beispiel könnten im Notfall aber schneller einen Alternativflug anbieten, weil sie auf vielen Strecken mehrere Flüge täglich führen.

Bei Anschlussflügen sei es zudem wichtig, auf die Umsteigezeit zu achten. «Eine halbe Stunde Verspätung ist nicht so schlimm, wenn ich dann aber den Anschluss verpasse, wird daraus schnell ein halber oder ganzer Tag.» Auch hier sieht Sommer die Airlines in der Pflicht: Manche böten Verbindungen mit einem Umstieg an, bei denen die geringste Verspätung dafür sorgt, dass man den Anschluss verpasst .

Zusätzliche Schleusen, längere Bodenzeiten

Beim Flughafen Zürich und bei der Swiss versichert man, alles zu tun, um Verspätungen zu vermeiden. Zusammen mit Skyguide habe man verschiedene Massnahmen getroffen, um die Pünktlichkeit zu erhöhen. So werden etwa am Wochenende von 7 bis 7.30 Uhr zwei Pisten nur zum Starten genutzt, Landungen finden in dieser Zeit nicht statt. Das mache die Abläufe schneller, weil die Maschinen auf der Piste nicht kreuzen müssen.

Auch baute der Flughafen zusätzliche Schleusen für die Sicherheitskontrollen im Operation Center ein, damit Piloten und Crew rascher zu ihren Flugzeugen gelangen. Die Swiss hat zudem die Bodenzeiten von gewissen Europaflügen verlängert – damit schafft sie Puffer.

Starts geradeaus nach Süden

Für längerfristige, umfassendere Verbesserungen seien die Bewilligungsverfahren teils noch hängig, sagt Flughafensprecherin Zöchling. So sollen etwa die An- und Abflugrouten entflechtet werden, um Kreuzungspunkte in der Luft zu verringern. Ebenso will der Flughafen künftig bei Bise geradeaus nach Süden starten. «Nur wenn der Flughafen die notwendigen Rahmenbedingungen erhält, kann er sich entlang der prognostizierten Nachfrage entwickeln.»

Mehr zu Reiseversicherungen bei Guider

Wer einen längeren Auslandaufenthalt plant oder öfters im Jahr verreist, wird sich unweigerlich mit der Frage beschäftigen, welche Reiseversicherungen er braucht. Guider informiert Beobachter-Abonnenten unter anderem darüber, ob sich eine Annullierungskostenversicherung lohnt und was durch den ETI-Schutzbrief gedeckt ist.

Jede Woche das Beste vom Beobachter
«Jede Woche das Beste vom Beobachter»
Raphael Brunner, Redaktor
Der Beobachter Newsletter