Im Hitzesommer waren die Pegel von Flüssen und Seen aussergewöhnlich tief und die Klimaveränderung in aller Munde. Jetzt schlagen die Wogen hoch: Im Nationalrat wird Anfang Dezember die Totalrevision des CO2-Gesetzes behandelt und dabei geht es ans Eingemachte. 

Alle zehn Jahre wird das Gesetz überarbeitet. Seit der letzten Revision hat die Schweiz den Pariser Klimavertrag unterschrieben und das Parlament hat ihn ratifiziert. Nun wird es konkret: Die Politiker müssen Ziele und Massnahmen fürs nächste Jahrzehnt und im Hinblick auf die Erfüllung des Pariser Vertrags festlegen – und damit auch in der Bevölkerung potenziell unpopuläre Entscheide treffen.

Bis ins Jahr 2020 müsste man die Emissionen eigentlich um 20 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Ob dieses Ziel erreicht werden kann, ist noch unklar. Denn im Verkehr beispielsweise steigt der Ausstoss derzeit immer noch an statt zu sinken. Und bis 2030 müssten schädliche Emissionen zusätzlich drastisch reduziert werden (50 Prozent gegenüber 1990), um einen Klimakollaps zu vermeiden. CO2-Reduktionen braucht es also überall: im Verkehr, in der Industrie, bei Gebäuden. Und das werden alle Haushalte zu spüren kriegen.

Allerdings wird die Mehrbelastung der Haushalte durch die Umverteilung wieder korrigiert. Ein grosser Teil der CO2-Abgabe wird heute schon über die Krankenkassen und die AHV-Ausgleichskasse an die Bevölkerung rückverteilt. Sprich: die Erhöhung der Abgabe führt zwar zu höheren Kosten für den Einzelnen, aber damit erhöht sich auch der Betrag, der pro Kopf zurückgezahlt wird.

Emissionen bis 2030 halbieren

Im Rat wird eine kontroverse Debatte erwartet. Und das beginnt bereits bei der grundsätzlichen Zustimmung zur Überarbeitung des CO2-Gesetzes: Eine Gruppe SVP-Parlamentarier will die Debatte im Keim ersticken und hat einen Nichteintretensantrag gestellt. Auch der Grüne Bastien Girod hat einen Rückweisungsantrag eingereicht – allerdings, weil ihm die Revision zu wenig weit geht. Er will vom Bundesrat einen Vorschlag, der «die Klimaziele des Pariser Klimaabkommens ernst nimmt Klimaschutz Seniorinnen verklagen die Schweiz und die notwendigen Reduktionen der Treibhausgase vorsieht». Beide Anträge dürften im Plenum wenig Chancen haben – über die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes besteht weitgehend Konsens. Genauso wie zum Globalziel von Paris, die Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 zu halbieren. Die umstrittenen Fragen sind: Wie und wo?

Kontroverse um Inlandquote

Ein ganzes Jahr lang hat die vorberatende Umweltkommission des Nationalrats um Details gerungen. Zahlreiche Anträge zu den verschiedenen Artikeln sind daraus entstanden und dürften zu einer intensiven Debatte im Rat führen. Besonders umstritten ist die Frage, wo CO2 eingespart werden soll – in der Schweiz oder im Ausland?

Wenn Staaten oder Unternehmen in ausländische Klimaprojekte investieren, bekommen sie eine Bescheinigung für jede Tonne reduziertes Treibhausgas. Die Bescheinigung wird durch ein UNO-Gremium ausgestellt – die Qualität dieser Zertifikate wird von vielen aber in Frage gestellt. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtete, können viele dieser Zertifikate nur eine «ungenügende Umweltintegrität» ausweisen, was heisst, dass sie nur geringe oder gar keine Emissionsminderungen bewirken.

Zudem wären viele dieser Projekte auch ohne ausländische Investitionen realisiert worden – was gegen die Regeln verstösst. Denn der Handel mit Zertifikaten soll einen Anreiz schaffen, dass zusätzliche Projekte verwirklicht werden, die es sonst nicht gäbe. Staaten könnten auch in Versuchung geraten, Emissionsbescheinigungen zu verkaufen, ohne tatsächlich CO2 zu reduzieren. Das sei laut «Tages-Anzeiger» in Russland und der Ukraine so geschehen. 

 

Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen der Schweiz im Vergleich zu 1990 halbiert werden.

 

Der Bundesrat schlägt in der überarbeiteten Gesetzesversion vor, die Halbierung gegenüber 1990 wie folgt aufzuteilen: Mindestens 60 Prozent der Verminderungsleistung sollen im Inland erbracht und höchstens 40 Prozent der Treibhausgasemissionen mit Massnahmen im Ausland reduziert werden. Nur äusserst knapp kam dieser Vorschlag in der Kommission durch – mit nur einer Stimme Unterschied (13 zu 12) stimmte sie dafür, überhaupt eine Inlandquote im Gesetz aufzuführen.

«Kein Klima-Nationalismus»

FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen ärgert sich über die Quoten: «Es ist dem weltweiten Klima egal, wo man CO2 einspart, Hauptsache man tut es. Im Ausland kann oftmals wesentlich preisgünstiger mehr CO2 gespart werden als im Inland.» Viele tiefhängende Früchte seien in der Schweiz bereits geerntet. «Klima-Nationalismus ist hier fehl am Platz», sagt er. 

Wasserfallen gehört zu einer Kommissionsminderheit, die fordert, dass die Quoten aus dem Gesetz gestrichen werden. «Es ist wichtig, mit möglichst geringem und konzentriertem Mitteleinsatz möglichst viel zu erreichen. Ich weiss nicht, wieso es hier bei Links-Grün klemmt.» Aus dem letzten CO2-Gesetz habe man die Möglichkeit, ausländische Projekte zur Reduktion von Emissionen anrechnen zu können, gestrichen. Das sei ein Fehler, den es jetzt auszubügeln gelte. Immerhin verdiene die Schweiz jeden zweiten Franken im Ausland, da sei es nur vernünftig und verantwortungsbewusst, wenn sich auch dortige Reduktionen an die Schweizer Bemühungen zur Emissionseinsparung anrechnen liessen.

Wertschöpfung im Inland behalten

Ganz anderer Meinung ist CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt. Er setzt sich für einen Minderheitsantrag ein, der weiter geht als der Vorschlag des Bundesrates und will, dass mindestens Dreiviertel der CO2-Verminderung mit im Inland durchgeführten Massnahmen erfolgt. «Wenn man schon Geld ausgibt, um das Pariser Klimaziel zu erreichen, dann soll die Wertschöpfung und die Innovation auch im Inland bleiben», sagt er. «Klar gibt es günstigere Varianten im Ausland. Aber jedes Land hat im Rahmen des Pariser Abkommens selber Klimaziele eingegeben – die anderen Länder ernten ihre tiefhängenden Früchte selber!» Im Ausland werde es also gar nicht so viele Möglichkeiten geben, günstig Klimaschutz zu betreiben. 

 

«Es tönt immer so, als seien wir in der Schweiz schon besonders vorbildlich beim Klimaschutz. Aber das stimmt nicht.»

Stefan Müller-Altermatt, CVP-Nationalrat

 

Auch mit seinem Minderheitsantrag soll Auslandskompensation möglich sein. Die grösste Anstrengung müsse aber mit inländischen Massnahmen geschehen. Es sei nämlich beim Pariser Klimaabkommen unüblich, die eigenen Klimaziele im Ausland zu erfüllen, nur wenige Länder hätten ein solches Vorgehen überhaupt vorgeschlagen. «Es tönt immer so, als seien wir in der Schweiz schon besonders vorbildlich beim Klimaschutz, deshalb könnten wir jetzt denen im Ausland weiterhelfen. Aber das stimmt nicht. Wir haben einen Grossteil unserer Emissionen mit der Deindustrialisierung einfach ausgelagert und stehen deshalb in der Verantwortung, mit gutem Beispiel voranzugehen», sagt Müller-Altermatt. 

Fragwürdige Qualität bei Auslands-Projekten

Ganz abgesehen davon bezweifelt Müller-Altermatt die Qualität der ausländischen Zertifikate und bezeichnet sie teilweise als «Feigenblätter». «Stimmt die Qualität nicht, schicken wir einfach Geld ins Ausland und sind nicht einmal sicher, ob es fürs Klima tatsächlich etwas bringt.» Wenn man für qualitativ gute Investitionen sorgen wolle, müsse man mehr Aufwand betreiben und gebe dann eben doch wieder viel Geld aus. «Dann können wir auch gleich in der Schweiz für noch mehr Klimaschutz sorgen und das Geld hierbehalten.»

Der CVP-Nationalrat versteht in dieser Hinsicht auch die Haltung des Gewerbeverbandes nicht, der keine Quoten will. Bei der letzten Gesetzesrevision hätten sich Exponenten des Verbandes noch vehement für Inlandquoten eingesetzt. 
 

Chancenloser Kompromiss?

Eine dritte Variante zum bundesrätlichen Vorschlag kommt von GLP-Nationalrat Martin Bäumle. Er versucht die Rechtsbürgerlichen mit einem Kompromiss an Bord zu holen: Nur die Hälfte der Reduktionen soll im Inland umgesetzt werden müssen – der Bundesrat schlägt 60 Prozent vor. Dafür soll für im Ausland getätigte CO2-Verminderungen mindestens ein Faktor 2 bis maximal 3 gelten.

Das heisst: Wer im Ausland reduzieren will, soll dafür doppelt bis dreimal so viel reduzieren müssen. «Das ist als Angebot an die rechtsbürgerliche Seite zu verstehen: Wir zeigen uns flexibel. Aber dann muss auch tatsächlich mehr CO2 im Ausland reduziert werden», sagt Bäumle. «Mit meinem Antrag könnte man mit weniger Geld gesamthaft gesehen viel mehr erreichen.» Der GLP-Mann rechnet sich mit seinem Antrag aber nur geringe Chancen aus, denn von linker und grüner Seite erwarte er Widerstand wegen der tieferen Inlandquote, während auf rechter Seite Quoten ganz abgelehnt würden. Deshalb unterstützt er nebst seinem eigenen Vorschlag auch den von Müller-Altermatt.

Auch Lösungen entwickeln

Die Politiker betonen alle, dass sich niemand gegen die Auslandsvariante sperrt. Diese sei ja in allen Vorschlägen enthalten. «Die Bedingungen, unter welchen dies umgesetzt wird, sind aber zentral. Denn wenn die nicht stimmen, verkommt eine Reduktion im Ausland zum reinen Papiertiger», sagt Martin Bäumle. Im Gesetzesvorschlag hat der Bundesrat denn auch einen Artikel vorgesehen, mit dem die Anforderungen an solche internationalen Bescheinigungen definiert werden sollen. Auch zu diesem Artikel gibt es wieder zahlreiche Anträge, die ihn entweder abschwächen oder verschärfen wollen.  

 

«Wenn die Bedingungen nicht stimmen, verkommt eine Reduktion im Ausland zum reinen Papiertiger.»

Martin Bäumle, GLP-Nationalrat

 

Grünen-Nationalrat Bastien Girod ist ebenfalls der Meinung, man solle die Optionen im In- und Ausland nicht gegeneinander ausspielen, sie würden sich gut ergänzen. Aber: wenn man das Verhältnis nicht definiere – also keine Quote festlege –, führe das dazu, dass man in der Schweiz am Ende gar nichts macht. Zudem sei es ein wichtiges Zeichen nach aussen: «Wenn wir andere dazu bringen wollen in ihren Ländern vorwärts zu machen, ist es für die internationalen Verhandlungen ein stärkeres Zeichen, wenn wir selbst auch zuhause mit gutem Beispiel vorangehen.» 

Nicht zuletzt, so der Grüne, sei es neben der reinen Reduktion von Emissionen eben auch wichtig, das zweite Ziel des Pariser Übereinkommens zu würdigen. Dieses besagt, dass die Staaten «die Fähigkeit zur Anpassung an den Klimawandel Klimawandel Adieu, Schafskälte? und eine emissionsarme Entwicklung» fördern sollen. Und wenn in der Schweiz Lösungen entwickelt würden, so Girod, bliebe einerseits die Wertschöpfung im Inland und andererseits böten die dabei entstandenen Technologien und Ansätze wiederum ein lukratives Exportgut.

Was für Massnahmen schlägt der Bund zur Reduktion der Emissionen vor?

Gebäude 

  • Die CO2-Abgabe auf Brennstoffe wird weitergeführt. Der Abgabesatz kann je nach Emissionsentwicklung bis auf 210 Franken pro Tonne CO2 angehoben werden.
  • Das bis 2025 befristete Gebäudeprogramm wird durch CO2-Grenzwerte bei Alt- und Neubauten abgelöst. Diese werden eingeführt, wenn die Emissionen im Gebäudesektor nicht genügend zurückgehen.

 

Verkehr

  • Bei Fahrzeugen werden CO2-Vorschriften eingeführt, in Anlehnung an die EU.
  • Importeure fossiler Treibstoffe werden verpflichtet, die CO2-Emissionen des Verkehrs im In- und Ausland zu kompensieren.

 

Industrie

  • Mit Unternehmen werden Verminderungsverpflichtungen eingegangen und im Gegenzug werden die Unternehmen von der CO2-Abgabe befreit.
  • Grossemittenten sollen am Emissionshandel teilnehmen und dieser soll möglichst rasch mit dem EU-System verknüpft werden.

 

Weitere

  • Neu soll auch die Landwirtschaft in die Schweizer Klimapolitik einbezogen werden. 
  • Das Schweizer Emissionshandelssystem soll mit dem der EU verknüpft werden.

 

Quelle: Bundesamt für Umwelt

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