Wie eine aufgeschreckte Löwin schleicht die Mutter der 14-jährigen Maria durch die Wohnung, die Hand ums Handy gekrampft. Immer noch keine SMS. Dabei ist das Popkonzert seit zwei Stunden zu Ende. Schreckensbilder schiessen ihr durch den Kopf: die Tochter auf der Strasse, verletzt. Nächstes Mal wird sie ihr den Ausgang verbieten. Endlich hört sie den Schlüssel in der Wohnungstür. «Warum hast du dich nicht gemeldet?», begrüsst sie Maria vorwurfsvoll. «Hey, Mami, alles okay, bin ja schon da, nichts passiert», beruhigt sie sie und verschwindet in ihrem Zimmer.

Kinder brauchen Freiräume

Es ist nicht einfach, wenn die Kinder flügge werden. Die Angst ist immer dabei. Eltern, die ständig das Schlimmste befürchten, sind oftmals blockiert, intuitiv zu handeln. Gewiss, Kinder brauchen Schutz vor echten Gefahren. Sollen sie sich zu selbstbewussten Menschen entwickeln, brauchen sie aber Freiräume. Klare Regeln und Grenzen, an die sich die Teenager halten müssen, sind dabei selbstverständlich.

Wie viel Freiheit und Eigenverantwortung ein Kind verträgt und wie viel Kontrolle und Verbote nötig sind, hängt vom Alter und vom Entwicklungsstadium ab. Das Bewusstsein für Sicherheit und Gefahr muss erlernt werden. Das gelingt über Bewegung und eigenständiges Tun, die eine oder andere Bruchlandung inbegriffen. So stärken etwa Radfahren, Skaten und Auf-Bäume-Klettern das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, ebenso allein einkaufen oder allein ins Training gehen.

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Gefahren erkennen – und kennenlernen

Mit vier bis fünf Jahren entwickeln Kinder ein Bewusstsein für Gefahren. Sie erkennen sie dann, wissen aber noch nicht, wie damit umgehen. Besonders im Strassenverkehr ist es sehr wichtig, Kinder entsprechend zu schulen. Mit rund zehn Jahren können sie erkennen, durch welche Verhaltensweisen sie sich und andere gefährden. Dann sollten die Eltern ihnen immer mehr Freiräume zugestehen.

In Sachen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit brauchen Kinder Leitplanken. Dieser Prozess ist zeitaufwendig. Klare Regeln und Konsequenzen sind Voraussetzung. Sobald Kinder zum Beispiel die Funktion der Uhr begriffen haben, können genaue Zeiten vereinbart werden. Aber schimpfen Sie beim ersten Mal nicht, wenn das Kind zu spät kommt. Klären Sie den Grund ab und überlegen Sie gemeinsam, wie es beim nächsten Mal besser klappen kann. «Wiederholungstätern» muss klargemacht werden: «Wenn du dich nicht an die Zeiten hältst, kann ich dir den Ausgang auch nicht mehr erlauben.»

Vorwürfe sind in der Erziehung kontraproduktiv

Im Übrigen ist es empfehlenswert, die Kinder bei ihrer Rückkehr positiv zu begrüssen. Manche trödeln nur deshalb, weil sie zu Hause mit Vorwürfen empfangen werden. Hätte die Mutter ihre Maria mit den Worten begrüsst: «Ich freue mich, dass du kommst. Ich bin ganz neugierig, wie das Konzert war», wäre sie vielleicht nicht gleich im Zimmer verschwunden und hätte von ihrem Abend erzählt. Und das mit der versäumten SMS hätte auch in Ruhe besprochen werden können.