Der Beschiss bei den Dieselmotoren hat 2015 den Tod von zusätzlich 38'000 Menschen verursacht. Diese Erkenntnis eines internationalen Forscherteams sorgte Mitte Mai für Schlagzeilen. Für die Todesfälle verantwortlich sollen über Software manipulierte Dieselfahrzeuge sein, die 4,6 Millionen Tonnen mehr Stickoxide (NOx) ausstossen, Grenzwerte überschreiten, im Sommer zu mehr Feinstaub und Ozon beitragen. Die Folge: mehr Herzinfarkte, Schlaganfälle und Lungenkrankheiten.

Mit dem VW-Dieselskandal hat der in Deutschland staatlich geförderte Motor seine Unschuld verloren. Benziner stossen im Schnitt deutlich weniger Stickoxide aus. Sind sie also die bessere Wahl?

Schweizer Wissenschaftler wollten es genauer wissen und untersuchten das zweite grosse Übel der Verbrennungsmotoren, den Ausstoss von Russpartikeln. Das Ergebnis ist verheerend, die Forscher schlagen Alarm. Moderne Benzinmotoren stossen deutlich mehr gefährliche Partikel aus als alte Dieselmotoren. Auf diesen Russteilchen sitzen diverse krebserregende Stoffe. Und das in Konzentrationen, die den europäischen Grenzwert für Benzo(a)pyren überschreiten. Den Schadstoff kennt man vom Tabakrauch.

Dreckige Diesel 1

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«Es ist wieder wie in den Neunzigern»

«Die neuen Benzin-Direkteinspritzer werfen uns in die neunziger Jahre zurück, als Diesler noch ohne Partikelfilter unterwegs waren», sagt Norbert Heeb, Chemiker an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). Er koordinierte die Untersuchung von sieben Benzin-Direkteinspritzern, die zwischen 2001 und 2016 in den Verkehr gebracht wurden.

Die Forscher verglichen deren Partikelausstoss mit dem eines Dieslers von 2013, des Peugeot 4008 mit serienmässig eingebautem Partikelfilter. Die Autos wurden unter realen Fahrbedingungen getestet, im WLTP-Zyklus, der ab September für alle neu zugelassenen Autos Pflicht ist.

Beim grössten Sünder, dem Mitsubishi Carisma von 2001, kamen 150-mal so viel Russpartikel hinten raus wie beim Diesel-Peugeot. Auch ein aktueller Citroën-Benziner von 2016 übertraf den Diesler noch um den Faktor 19 (siehe Grafik oben).

Die Schweizer Forscher wollten auch wissen, welche krebserregenden Stoffe über die Russpartikel verschleudert werden. «Die modernen Benziner produzieren sehr kleine Russteilchen, sogenannte Nanopartikel. Einmal eingeatmet, bleiben sie immer im Körper», sagt Heeb. Das mache die Russpartikel als Träger für zahlreiche Gifte besonders gefährlich.

Die Empa suchte gemeinsam mit der Berner Fachhochschule nach krebserregenden Stoffen, neben Benzo(a)pyren auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffverbindungen (PAK). Sie addierten das Krebspotenzial von acht gefundenen Stoffen und verglichen es mit dem europaweit geltenden Luftgrenzwert für Benzo(a)pyren. Der dreckigste Benziner überschritt den Wert um das 1700-Fache, der Diesel mit Partikelfilter um den Faktor 45. «Es ist unverständlich, dass die bewährten und günstigen Partikelfilter nicht längst auch in Benzinern verbaut werden», kritisiert Heeb.

In vielen Teilen der Welt sind die krebserregenden Abgase in Benzinern ein noch viel grösseres Problem als in Europa. «In asiatischen Metropolen zum Beispiel gibt es kaum Dieselfahrzeuge. Wenn jetzt immer mehr Benziner zu russen beginnen, droht der bereits stark belasteten Bevölkerung eine gesundheitliche Katastrophe.»

«Gute Abgasreinigung wäre technisch möglich. Autobauer hintertreiben sie aus Kostengründen.»

Evi Allemann, VCS-Präsidentin

Einheitliche Grenzwerte fehlen

Immerhin gelten in Europa ab Herbst verschärfte Grenzwerte für Direkteinspritzer, die ohne Partikelfilter kaum mehr eingehalten werden können. Neue Benziner mit traditioneller Saugeinspritzung dürfen dagegen weiterhin beliebig viele Partikel ausstossen. Denn in Europa gibt es keine einheitlichen Grenzwerte. Je nach Motorentechnik, die man gerade fördern will, werden die Werte für Benziner und Diesler jeweils unterschiedlich festgelegt – oder ganz weggelassen. Das kritisieren Wissenschaftler und Umweltverbände.

Dass es auch anders geht, zeigte die Schweiz bis in die neunziger Jahre. Damals orientierte sie sich am amerikanischen Modell, das auf Unterscheidungen nach Technologien verzichtet. Das sei viel vernünftiger, findet Heeb. «Denn letztlich zählt nur, was hinten rauskommt.»

Der Bund will die Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge in EU- und Uno-Gremien einbringen, wo er durch das Bundesamt für Umwelt und dasjenige für Strassen vertreten ist. «Wir befürworten technologieneutrale Grenzwerte für alle Personenwagen», sagt Giovanni D’Urbano, Sektionschef Verkehr beim Bundesamt für Umwelt. Und: «Grenzwerte sollten ausschliesslich die Bevölkerung schützen und nicht einzelne Technologien fördern.» Entsprechend müsse die maximale Anzahl Russpartikel in Abgasen künftig für alle Arten von Motoren gelten.

Und wofür sollen sich Autokäufer entscheiden, bis solche Grenzwerte auch gegen die Interessen von Autobauern durchgesetzt sind? Für Stickoxide oder Russpartikel? Norbert Heeb: «Solange Benziner keinen Filter haben: für ein mit Strom oder Naturgas betriebenes Fahrzeug.»

Fahrverbote wie in Deutschland?

Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) will speziell umweltschädigende Autos aus stark belasteten Innenstädten verbannen. Über die Fahrverbote sollen die Kantone entscheiden. Das Befahren belasteter Zonen wäre dann nur noch für Fahrzeuge mit Umweltschutz-Vignette erlaubt, die bestimmte Abgaswerte einhalten. Ähnliche Beschränkungen gelten in einigen deutschen und französischen Städten. SP-Nationalrätin und VCS-Präsidentin Evi Allemann fordert den Bundesrat auf, den Kantonen die Kompetenz für entsprechende Signalisationen und Vignetten zu erteilen.

«An stark befahrenen Strassen misst das Bundesamt für Umwelt regelmässig gesundheitsschädigende Belastungen. Trotzdem ist es Autoherstellern immer noch erlaubt, Grenzwerte durch realitätsfremde Labormessungen zu unterschreiten», begründet Allemann. Und: «Technisch wäre eine gute Abgasreinigung bei Diesel- und Benzinautos möglich. Autobauer hintertreiben sie aber aus Kostengründen.»

Die Zonenbeschränkungen sollen vor allem Dieselfahrzeuge mit hohem Stickstoffausstoss betreffen. An Orten, wo die Feinstaubbelastung gross ist, könne man aber auch Benziner ohne Partikelfilter verbieten. «Die Kantone sollen aufgrund lokaler Belastungen entscheiden, welche Schadstoffe zu berücksichtigen sind.»

Zonenbeschränkungen forderten in der Vergangenheit bereits
die Kantone Genf und Tessin. Weil die rechtlichen Kompetenzen fehlen, wurden bis heute aber keine Verbote erlassen.