Beobachter: Herr Kovic, viele Leute glauben an Phänomene wie Telepathie, Vorahnungen oder gar das Verschieben von Gegenständen durch Gedankenkraft. Was sagt der Skeptiker dazu?
Marko Kovic: Ich schliesse nicht aus, dass es solche Phänomene geben könnte. Aber es gibt bis heute keine wirklich belastbare Evidenz für die Existenz solcher Geschehnisse. Deshalb bleibe ich skeptisch.

Beobachter: Bei der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg im Breisgau melden sich jedes Jahr rund 3000 Personen, die solche Phänomene erlebt haben. Sind das alles psychisch Kranke oder Esoteriker?
Kovic: Nein, überhaupt nicht. Die Erfahrungen dieser Personen halte auch ich für real. Die Frage ist aber: Was steckt dahinter? Wenn einem etwas widerfährt, was man sich nicht erklären kann, ist man beunruhigt. Man sucht Antworten. Dieser emotionale Zustand kann auch die Wahrnehmung verzerren und dazu führen, dass man andere Einflussfaktoren ausblendet. Ich denke, dass es meist plausiblere Erklärungen für solche persönlichen Erfahrungen gibt, als sie parapsychologisch deuten zu müssen.

Beobachter: Aus zahlreichen Versuchen unter streng kontrollierten Vorgaben wissen wir aber, dass es – beispielsweise im Bereich der Telepathie – durchaus signifikante Effekte gibt.
Kovic: Das stimmt. Aber oft sind die Versuchsanordnungen sehr unterschiedlich. Ausserdem hat sich gezeigt, dass sich die gewonnenen Ergebnisse in nachfolgenden Experimenten unter den exakt gleichen Vorgaben oft nicht exakt reproduzieren liessen. Solche Ergebnisse zu interpretieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen ist deshalb sehr schwierig, oft sogar unmöglich.

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  • Glauben Sie an solche Phänomene?
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Beobachter: Viele Wissenschaftler halten die Parapsychologie für eine Pseudowissenschaft. Wollen diese vielleicht einfach nicht wissen, dass man noch nicht alles erklärt hat?
Kovic: Ich halte diese Kritik an der Wissenschaft für teilweise berechtigt. Pauschal dagegen zu sein, Psi-Phänomene wissenschaftlich zu untersuchen, ist nicht zielführend. Wenn aber einzelne Leute von sich behaupten, übersinnliche Fähigkeiten zu haben, halten wir Skeptiker dies für unglaubwürdig – für derart krasse Behauptungen gibt es bis jetzt keine harten Belege.

Beobachter: Manche Forscher verstehen Telepathie als Naturphänomen, das wir noch nicht enträtselt haben. Wie stehen Sie dazu?
Kovic: So weit würde ich nicht gehen. Ich glaube, dass Telepathie ein Bereich ist, in dem es einige interessante wissenschaftliche Ergebnisse gibt, die kühne Interpretationen beflügelt haben. In der öffentlichen Wahrnehmung ist aber weniger bekannt, dass es bisher noch nie gelungen ist, die Ergebnisse in Replikationsstudien eins zu eins zu bestätigen.

Beobachter: Der britische Biologe Rupert Sheldrake hat mit gut dokumentierten Versuchen zu beweisen versucht, dass Hunde auf Dutzende Kilometer Entfernung auf ihren Herrn reagieren können. Er postuliert, morphische Felder würden Informationen speichern, die Lebewesen oder unser Hirn anzapfen können.
Kovic: Ich halte Sheldrake für einen spannenden Forscher. Aber auch hier ist es meines Wissens nicht gelungen, seine Ergebnisse in anderen Experimenten zu wiederholen. Seit einiger Zeit wird auf die Quantenphysik verwiesen, um Psi-Phänomene zu erklären. Verschränkte Teilchen können demnach über Zigtausende Kilometer zeitgleich Informationen über ihre Polarisation teilen. Einstein sprach in diesem Zusammenhang von «spukhafter Fernwirkung».

«Für aussergewöhnliche Erfahrungen gibt es meist plausiblere Erklärungen als die Parapsychologie.»

Beobachter: Ist der Analogieschluss abwegig, dass es auch nonverbale Wahrnehmung über Distanz geben könnte?
Kovic: Nein, aber die Quantenverschränkung lässt sich experimentell sehr gut beobachten und replizieren. Es reicht jedoch nicht aus, die Mikrophänomene im Bereich der Quantenphysik als Erklärung für die behaupteten Makrophänomene zum Beispiel im Bereich der Telepathie heranzuziehen.

Beobachter: Aber zeigt nicht auch der Placeboeffekt in der Medizin, dass allein der Gedanke an ein Heilmittel bereits eine Wirkung auf unseren Körper haben kann?
Kovic: Nun, die Gedanken gehören ja irgendwie zum Körper. Ich glaube nicht an einen Dualismus zwischen Körper und Geist. Unsere Gedanken sind reine Biologie, nichts anderes.

Beobachter: Allerdings konnte noch niemand zeigen, wie im Hirn ein Gedanke entsteht.
Kovic: Bei Experimenten am offenen Hirn konnte man aber immerhin rein mechanistisch zeigen, wie man durch Reizungen bestimmter Areale Wirkungen auf Wahrnehmungen und Gedanken erzielen kann. Das Hirn ist also ein Apparat, der Reize wahrnimmt und so verarbeitet, dass für uns ein Nutzen entsteht.

Beobachter: Hatten Sie jemals selber ein Erlebnis, das Sie sich nicht erklären konnten?
Kovic: Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Erlebnis in der Kindheit, das mich in der Überzeugung liess, es gebe bei uns in der Wohnung einen Poltergeist. Da hörte ich seltsame Geräusche, die mir Angst machten.

Beobachter: Und welche Erklärung gabs dafür?
Kovic: Die Geräusche traten immer dann auf, wenn ich Videospiele machte oder machen wollte. Ich denke heute, dass meine Mutter mich etwas beeinflusste und mich Dinge hören liess oder glauben machte, damit ich möglichst den Spielkonsolen fernbleibe. Also ein natürlicher Prozess.

Beobachter: Und was bleibt unter dem Strich das spannendste offene Feld für den Skeptiker?
Kovic: Die Präkognition und die Telekinese halte ich für nicht plausibel. Ich sehe auch nicht, warum sich diese Fähigkeit, Gegenstände per Gedankenkraft minimal verschieben zu können, hätte ausprägen sollen. Das bringt nichts, und dafür gibt es auch keine Hinweise. Telepathie hingegen, also irgendeine Art von Kommunikation zwischen zwei Menschen oder Lebewesen nur über das Hirn, halte ich, evolutionsbiologisch gesehen, für prinzipiell nützlich.

 

Marko Kovic ist Sozialwissenschaftler und Präsident von Skeptiker Schweiz. Der Verein will das Verständnis für kritisches Denken und die klassischen Wissenschaften fördern.

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