Schön grün sehen die Rebstöcke aus. Doch an mehr als der Hälfte hängen keine Trauben. Schuld ist der Frost von Mitte April. Auch hier am Baldeggersee, bei Winzer Peter Schuler, hat er grossen Schaden angerichtet. «Man hegt und pflegt die Reben, und dann das», sagt Schuler.

Im Frühling vor zwei Jahren war es anders. Auch damals war Frost angekündigt, und Schuler stand mehrmals in der Nacht auf, um die Thermometer im Rebberg zu kontrollieren. Von grossen Ausfällen blieb er aber verschont.

Die Versicherungen sind teuer

Trotzdem beschloss Peter Schuler damals, seine Reben nicht nur gegen Hagel, sondern neu auch gegen Frost zu versichern. «Billig sind die Frostprämien nicht», sagt er. «Dafür habe ich weniger Stress.» Bei den immensen Ernteausfällen dieses Jahr macht sich die Versicherung bezahlt.

Mit seiner Versicherung steht Schuler ziemlich allein da. Nur etwas mehr als zwei Prozent der Rebflächen sind gegen Frost versichert. Obwohl Agenten der Versicherungsgenossenschaft Schweizer Hagel den Winzern noch im März eine Frostversicherung angeboten hatten.

Kaum jemand sei auf das Angebot eingegangen, sagt Direktor Pascal Forrer. «Der März war schon sehr warm, da haben die wenigsten mit einem Temperatursturz gerechnet.» Schweizer Hagel ist eine von den Bauern getragene Genossenschaft und der mit Abstand wichtigste Anbieter von Versicherungen in der Landwirtschaft.

«Der März 2017 war sehr warm. Mit einem Temperatursturz haben die wenigsten gerechnet.»

 

Pascal Forrer, Versicherungsgenossenschaft Schweizer Hagel

Keine Chance hatten die Obstproduzenten – für sie gibt es bis heute keine Frostversicherung. Diese Lücke will Schweizer Hagel 2018 schliessen. Das sei zwar der erste Schritt in die richtige Richtung, aber nur ein Anfang, heisst es beim Obstverband. Denn: «Dieses Jahr war es der Frost, nächstes Jahr könnte es die Trockenheit sein», sagt Obstverband-Direktor Georg Bregy. Ihm schwebt eine umfassende Ernteausfallversicherung vor, mit der sich die Bauern gegen die verschiedensten Extremereignisse schützen können. «Sie würde alle Wetterkapriolen berücksichtigen.»

Doch das könnte für die Obstbauern schnell teuer werden. Bregy fordert deshalb, dass sich der Bund an den Prämien für eine solche Vollkaskoversicherung beteiligt.

Die Idee ist nicht neu. Mehrere Länder kennen ein ähnliches System. So haben sich etwa die USA vor ein paar Jahren von Direktzahlungen verabschiedet. Im Gegenzug übernahm der Staat in den meisten Fällen 70 Prozent der Prämien für Agrarversicherungen und schützt so die Landwirte vor Einkommensschwankungen.

Und was ist mit den Direktzahlungen?

Obstverband-Direktor Georg Bregy möchte die Direktzahlungen zwar nicht abschaffen. Aber subventionierte Prämien wären seiner Meinung nach eine gute Ergänzung zu den bestehenden Direktzahlungen. Das wäre auch ohne Aufstockung des Agrarbudgets möglich, heisst es beim Obstverband. Er stellt sich vor, dass eine Prämienmitfinanzierung durch den Bund Teil der Agrarpolitik 2020 wird. Möglicherweise reiche bereits eine Anschubhilfe für die ersten Jahre. Der Vorschlag ist heikel. Denn als Folge müssten die Direktzahlungen gekürzt werden.

So oder so, bisher hat der Bundesrat kein Gehör für die Forderung nach Prämiensubventionen. Erst letzten Dezember sagte er, dass die Direktzahlungen die Umsätze der Landwirte ausreichend stabilisierten.

Bauern erhalten heute Direktzahlungen für ökologische Leistungen pro Fläche – unabhängig von der Produktionsmenge. Egal, wie schlecht die Ernte ausfällt: Die Höhe der Direktzahlungen für einen Bauernhof bleibt gleich. Doch dieser Puffer funktioniert nur bei Betrieben, die sehr stark von Subventionen leben. Etwa in der alpinen Milchwirtschaft, wo Direktzahlungen in vielen Fällen weit über Hälfte der Einnahmen ausmachen.

Ernteausfälle werden zunehmen

Im Obst- und Weinbau dagegen, wo die Produktion viel intensiver ist, machen die Subventionen nur wenige Prozent des Umsatzes aus. Die Direktzahlungen wirken deshalb kaum stabilisierend auf das Einkommen. Bisher sind die Obst- und Weinbauern ohne grosse Finanzspritzen ausgekommen. Doch das könnte sich wegen des Klimawandels ändern.

Beim Bauernverband jedenfalls ist man überzeugt, dass es künftig öfter zu grossen Ernteausfällen kommt. Die Klimamodelle für die Schweiz rechnen mit einer Zunahme von Trockenheit und Starkregen. Zudem dürften kalte Winter seltener werden. Allerdings sagen die Modelle diese Trends erst ab der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts deutlich voraus. Vorher sind klare Aussagen kaum möglich.

Schon heute gibt es Extremereignisse. 2015 zum Beispiel ernteten die Landwirte wegen des trockenen Sommers 29 Prozent weniger Zuckerrüben als in den Jahren davor. 2016 schmälerte der nasse Frühling die Getreideernte, andere Kulturen wie Mais und der Rebbau profitierten vom wärmeren Wetter, zeigen die Erntestatistiken des Bauernverbands.

Eine hilfreiche Strategie: der Anbau von verschiedenen Kulturen

Die Kehrseite: Wenn die Winter mild sind und die Reben früher blühen, steigt das Risiko, dass die empfindlichen Triebe bei einem Frost erfrieren. So wie dieses Jahr in der ganzen Schweiz oder im Jahr davor in der Ostschweiz. Deshalb ist Pascal Forrer von Schweizer Hagel überzeugt, dass neue Versicherungsprodukte gegen Frost, Trockenheit und Starkregen in Zukunft mehr Anklang finden. «Mit oder ohne staatliche Förderung durch Prämiensubventionierung.»

«In der Landwirtschaft kommt es immer wieder zu Ernteschwankungen», sagt Andreas Bosshard, Geschäftsführer des Vereins Vision Landwirtschaft. Das sei unvermeidlich, wenn man mit der Natur arbeite. Für ihn machen Versicherungen nur Sinn, wenn sie gegen existenzbedrohende Risiken schützen. Eine hilfreiche Strategie, um das Risiko zu vermindern, sei eine gute Diversifizierung – der Anbau von verschiedenen Kulturen, die unterschiedlich auf das Wetter reagieren. «Dadurch haben die Bauern immer verschiedene Eisen im Feuer.»

Alte Anbaumethoden neu entdeckt

Winzer Peter Schuler baut daher verschiedene Rebsorten für Weiss-, Rosé- und Rotwein an. Neuerdings wächst bei ihm auch die als besonders robust angepriesene neue Sorte Solaris. Das sei aber ebenfalls mit Risiken verbunden, so Schuler. «Neue Sorten können noch so viele Vorteile haben. Wenn sie bei den Kunden nicht ankommen, nützt mir das trotzdem nichts.»

Mehrere Rebsorten reichen ihm aber nicht, um sich gegen den Frost zu wappnen. Schuler will nächstes Jahr auf die traditionelle Methode der Frostruten zurückgreifen. Das sind Zweige eines Rebstocks, die man im Frühjahr nicht an die Drähte bindet. Anders als die angebundenen Zweige wachsen die Frostruten senkrecht in die Höhe. Bei Frost ist das ein Vorteil, denn die Kälte konzentriert sich in Bodennähe und erreicht die Blüten an der Frostrute nicht. Während die normal gebundenen Zweige erfrieren, bleiben dem Winzer immer noch die senkrechten Frostruten. Die schneidet er erst, wenn es bis zu den Eisheiligen keine kalten Nächte gibt.

Diesen Zusatzaufwand nimmt Peter Schuler bereitwillig in Kauf. Genauso wie die Mehrkosten für die Versicherung. Ganz nach dem Motto: Doppelt und dreifach hält besser.

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