Kurz vor neun: Die Scheidungsverhandlung fängt gleich an. An eine Versöhnung glaubt selbst Lydia S. nicht mehr. Was noch zu regeln bleibt, sind die finanziellen Folgen einer gescheiterten Ehe. Die Kinder sind erwachsen und finanziell unabhängig. «Doch was soll aus mir werden?», fragt sich Lydia S. Vor 23 Jahren gab sie ihren Beruf auf, um ganz für die Familie da zu sein.

Die wesentlichen Vermögenswerte, die in einer Ehe angespart werden, stammen heute meistens aus Guthaben bei den Pensionskassen. Weil die berufliche Vorsorge an die Erwerbstätigkeit anknüpft, führte früher eine Scheidung oft dazu, dass bei Hausfrauen und Müttern eine Vorsorgelücke entstand. Doch diese Lücke wird seit dem 1. Januar 2000 durch das neue Scheidungsrecht geschlossen: Die Ehegatten müssen die Austrittsleistungen der Pensionskasse untereinander teilen. Lydia S. wird also nicht leer ausgehen.

Hat nur ein Ehegatte eine Austrittsleistung, wird diese hälftig geteilt. Gehören beide einer Vorsorgeeinrichtung an, haben beide Anspruch auf die Hälfte der Austrittsleistung des anderen. Die Berechnungen nehmen die Pensionskassen vor. Weil die Vorsorgeeinrichtungen erst seit dem 1. Januar 1995 verpflichtet sind, den Stand des Alterskapitals zum Zeitpunkt der Eheschliessung zu erfassen, ist bei Paaren, die vor diesem Datum geheiratet haben, nur eine Annäherung möglich. Sie wird schematisiert aufgrund einer Tabelle erstellt.

Bei beiden Ehegatten werden nur positive Saldi berücksichtigt. Ein Beispiel: Hans S., der Mann von Lydia S., hatte vor zehn Jahren für das Einfamilienhaus Gelder aus der Pensionskasse vorbezogen. Später musste er das Haus mit Verlust verkaufen. Dieser Fehlbetrag wird nun nicht berücksichtigt, sondern nur der Erlös.

Ausserdem erfasst der Vorsorgeausgleich nur Guthaben, die während der Ehe erwirtschaftet wurden. Vor der Heirat angesammelte und nach der Scheidung anfallende Vorsorgegelder werden beim Ausgleich nicht berücksichtigt. Die Teilung der Vorsorge erfolgt nur bei einer Scheidung, nicht aber bei der Trennung. Ebenso wenig findet ein Vorsorgeausgleich statt, wenn ein Ehegatte stirbt. Der Scheidungsgrund und das Verhalten während der Ehe sind für die Teilung ohne Bedeutung.

Über das Guthaben, das sich aus der Teilung ergibt, können die Ehegatten nicht frei verfügen. Die Mittel gehen wieder an eine Vorsorgeeinrichtung. Ist ein Ehegatte bei keiner Pensionskasse versichert, muss das Geld auf eine Freizügigkeitspolice oder ein Freizügigkeitskonto überwiesen werden. Eine Barauszahlung ist ausgeschlossen. Es ist möglich, die zugunsten des geschiedenen Ehegatten abgetretene Austrittsleistung wieder einzukaufen.

Auch wenn das Gesetz die Halbierung der Austrittsleistungen zur Regel erklärt, kann ein Ehegatte auf seinen Anspruch ganz oder teilweise verzichten. Das Gericht wird eine solche Scheidungsvereinbarung aber nur genehmigen, wenn die Vorsorge auf andere Weise gewährleistet ist. Es kann die Teilung aber auch verweigern, wenn sie aufgrund der wirtschaftlichen Situation nach der Scheidung nicht angemessen wäre. Dies etwa dann, wenn die erwerbstätige Ehefrau ihrem Mann das Studium finanziert hat und er eine bessere Altersvorsorge aufbauen kann als sie.

Nur wenn der Vorsorgefall bereits vor der Scheidung eingetreten ist, können die Guthaben nicht mehr geteilt werden. Das ist der Fall, wenn einer oder beide Ehegatten pensioniert oder invalid sind. Das Gericht muss in diesem Fall dem schlechter gestellten Partner eine angemessene Entschädigung zusprechen.

Internet

  • Die Broschüre «Scheidung, Pensionskasse AHV/IV – Das müssen Sie wissen» kann hier herunter geladen werden: Broschüre (PDF, 450 kb)
  • Im Internet gibt es zudem ein Berechnungsprogramm für den Vorsorgeausgleich mit zahlreichen Erläuterungen: www.vorsorgeausgleich.ch
Quelle: Jupiterimages Stock-Kollektion