Es ist drei Uhr früh in der Nacht zum 9. Juli 2017. Remo Schmid hat die Fenster seiner Wohnung in Dübendorf ZH geöffnet. Da hört er die verzweifelten Schreie einer Frau: «Halt! Stopp! Nein!»

Der 31-Jährige rennt die Treppe hinunter, über die Strasse zur Bushaltestelle, sieht dort einen grossen Mann in dunklen Kleidern. Der zieht sich gerade die Hose hoch. Vor ihm sitzt eine Frau, Blut rinnt ihr aus der Nase. Der etwa 30-jährige Mann hat der Frau ins Gesicht geschlagen. Und sie dann genötigt.

Schmid zerrt den kräftigen Schläger weg. Dieser wehrt sich heftig. Schliesslich gelingt es ihm, den Mann zu Boden zu drücken. Erst jetzt kommt Schmid ein Anwohner zu Hilfe. Zu zweit warten sie, bis die Polizei den Mann verhaftet. Mit grösster Wahrscheinlichkeit hat Schmids Einsatz Schlimmeres verhindert, sagt die Kantonspolizei Zürich – vermutlich eine Vergewaltigung.

Für seine mutige Aktion wurde Remo Schmid am Freitagabend mit dem mit 15'000 Franken dotierten Prix Courage ausgezeichnet. Gekürt von den Leserinnen und Lesern des Beobachters und einer Jury unter der Leitung von Ständerätin Pascale Bruderer. Beide Voten wurden gleich stark gewichtet.

«Ich hätte nie mit dem Preis gerechnet. Da gab es ja andere Kandidaten, die so viel geleistet haben. Ich habe nur geholfen, weil es gerade nötig war.»

 

Remo Schmid, Gewinner des Prix Courage 2017

«Auch wenn Schmid diesen Begriff ablehnt, in unseren Augen ist das eine Heldentat», würdigte Jury-Präsidentin Pascale Bruderer den Gewinner. Keine Sekunde habe er gezögert und enorm viel Risiko auf sich genommen, um einer anderen Person zu helfen und sie vor einem Gewalttäter zu beschützen. «In einer Zeit, in der sexualisierte Gewalt zunimmt, ist Zivilcourage, wie sie Remo Schmid bewies, umso wichtiger», so Bruderer.

Lifetime-Award für Pfarrer Sieber

Erstmals in der Geschichte des Prix Courage wurde zudem ein Lifetime-Award vergeben. Aus besonderem Anlass: Zu seinem 90-jährigen Bestehen ehrte der Beobachter Pfarrer Ernst Sieber für sein eindrückliches und nachhaltiges Lebenswerk.

«Mit seinem Enthusiasmus und seiner Überzeugung hat Pfarrer Sieber schweizweit Massstäbe gesetzt», sagte Beobachter-Chefredaktor Andres Büchi in seiner Laudatio. Der heute 90-jährige Sieber gründete das Fachspital «Sune-Egge», stellte den «Pfuusbus» für Obdachlose bereit, half Abhängigen in der offenen Drogenszene und kämpft noch immer unermüdlich für mehr Menschlichkeit. In seinen Sozialwerken kümmern sich heute mehr als 180 Fachleute und 100 Freiwillige um die Schwächsten.

«Wir müssen unseren Werten Sorge tragen. Wir alle merken, dass es einen Rahmen gibt, in dem der Mensch seinen Wert verliert. Der Mensch gehört in den Mittelpunkt. Wir müssen uns wieder bewusst werden, was Jesus und die Liebe dem Menschen gebracht haben. Dann gibt es Freiraum.»

 

Pfarrer Ernst Sieber, Gewinner des «Prix Courage Lifetime Award»  

«Es braucht einen ausserordentlichen Menschen, der den Glauben an das, was in uns steckt, nie aufgibt», so Büchi weiter. Einen wie Pfarrer Ernst Sieber. «Mit seiner Vorurteilslosigkeit und seiner Nächstenliebe ist Sieber ein leuchtendes Beispiel für das, was noch immer möglich ist in einer Welt, die fast nur noch materiell geprägt ist.»

Pfarrer Sieber und Remo Schmid

Die beiden glücklichen Gewinner: Pfarrer Ernst Sieber und Remo Schmid.

Quelle: Christian Schnur
loading...
Prix Courage «Lifetime Award»

Ernst Sieber – der gute Hirte von Zürich

Ein Prix Courage würde Ernst Siebers Lebenswerk nicht gerecht. Deshalb verleiht der Beobachter dem 90-jährigen Pfarrer den Prix-Courage-Lifetime-Award.

zum Artikel

Prix Courage-Sieger 1997-2017

Seit 20 Jahren verleiht der Beobachter den Prix Courage. Hier finden Sie eine Zusammenstellung sämtlicher Sieger. 

Prix Courage: Sieger 1997 bis 2017

loading...
Seit 20 Jahren verleiht der Beobachter den Prix Courage. Hier eine Zusammenstellung sämtlicher Sieger.
Quelle:  
Prix Courage

«Die Schweiz braucht Leute, die handeln, wo Zuwarten andere gefährdet, die laut werden, wo Schweigen Unrecht verdeckt, die ehrlich sind, wo Lügen leichter fiele», umschreibt Chefredaktor Andres Büchi den Prix Courage.

«Alle Kandidaten, die der Beobachter nominiert, haben diesbezüglich Herausragendes geleistet, die Nomination ist eine verdiente Auszeichnung dafür».

Jedes Jahr nominiert die Beobachter-Redaktion verschiedene Personen oder Organisationen, die ihr Handeln einem höheren Ziel unterordnen als dem eigenen Vorwärtskommen. Preiswürdig sind Projekte und Taten, aber auch langfristiges Engagement oder das Lebenswerk einer Person in oder aus der Schweiz. Der Prix Courage wird seit 1997 verliehen.