Die Peinlichkeiten waren schon auf der Einladung zum «gemütlichen Znacht» programmiert. Dominique und Peter Stettler, beide berufstätig, wurden an einem Dienstagabend auf halb sechs bestellt. «Damit auch die Kinder mitessen können», fanden die Gastgeber. Die Gäste hetzten direkt vom Büro zu den entfernten Verwandten. Dort mussten sie ihre Lackschuhe gegen Filzpantoffeln tauschen, «damit das Parkett nicht beschädigt wird». Die Mäntel wurden wegen Platzmangels in der Garderobe an die Stuhllehnen gehängt.

Pedanterie ist ein Horror für Gäste
Das hätten die Stettlers ja gerade noch verkraftet, wären da nicht noch die verschmierte Ketchup-Flasche und die Sirupgläser mit Micky-Maus-Figuren gewesen. Ganz zu schweigen von den beiden frechen Rotznasen, die am Tisch für Dauerterror sorgten.

«Wer seinen Parkettboden mehr liebt als seine Gäste, sollte niemanden einladen und seinen Parkettboden in aller Einsamkeit geniessen», finden Dominique und Peter Stettler rückblickend. «Und wer Kinder ohne Tischmanieren hat, sollte diese vor dem Essen mit den Gästen verpflegen.» Die nächste Einladung – so haben sich die kinderlosen Stettlers entschieden – werden sie dankend ablehnen.

Solche Flops lassen sich vermeiden. «Nicht überbordend höflich sein» – so heisst das Rezept, das eine Einladung zum Erfolg macht. Ebenso wenig nützen veraltete Knigge-Regeln. «Sich lieber mit Herz blamieren statt steif agieren», lautet der Rat von Experten für Umgangsformen.

Der Hund isst nicht mit
Damit den Gästen nicht gleich bei der Ankunft der Geruch eines vor sich hin dämpfenden Blumenkohls in die Nase steigt, empfiehlt es sich, kurz vor deren Eintreffen die Fenster zu öffnen. Gleichzeitig sollten Gastgeber Blumenvasen bereitstellen, die Champagnerflaschen öffnen und die Teller warm stellen.

Da es nicht alle Gäste schätzen, wenn Fifi ihnen unter dem Tisch die Füsse wärmt oder er mit seiner feuchten Schnauze nach Essen bettelt, ist es sinnvoll, Haustiere rechtzeitig zu füttern. Am besten verbringen die Vierbeiner den Abend – ungestört von den lästigen Gästen – im Nebenzimmer.

Misst man den Formalitäten grosse Bedeutung bei, gilt bei der Begrüssung und beim Servieren folgende Rangordnung: Damen vor Herren, Ältere vor Jüngeren und Vorgesetzte vor Untergebenen. Da die Dame in privater Gesellschaft als ranghöher gilt, wird sie dem Herrn das Du anbieten – Emanzipation hin oder her.

Eine goldene Plastikrose, ein saurer Tropfen aus eigener Kelterung, eine knallgrüne Kerze mit aufgedrucktem Sternzeichen – auch hässliche Geschenke sollten nicht einfach im Schrank verschwinden, sondern vor dem Schenkenden ausgepackt werden. «Zeigen Sie sich nicht enttäuscht, wenn das Geschenk Ihren Geschmack verfehlt», empfiehlt Sonja H. Weber vom Basler Seminar für moderne Umgangsformen.

Wer Blumen erhält, stellt sie nicht auf den Tisch, aber trotzdem gut sichtbar in der Wohnung auf. Mitgebrachte Pralines dürfen den Gästen zum Nachtisch angeboten werden. Anders ist es beim Wein. Die mitgebrachte Flasche sollte nicht am selben Abend getrunken werden.

Der Wein wird zur Nagelprobe
Das Startzeichen zum Essen gibt der Gastgeber, indem er seine Serviette auseinander faltet. Niemand sollte beginnen, bevor nicht alle bedient sind.

Heikel wirds, wenn Weinkenner auf Banausen treffen. Wer die Gläser bis zum Rand füllt, beim Degustieren gurgelt, mit verschiedenen Sorten nachschenkt und Rotwein vor Weisswein serviert, hat ziemlich alles falsch gemacht.

Bevor der Rebensaft ausgeschenkt wird, testet ihn der Weinkenner unter den Eingeladenen. Dieser dreht das Glas sachte und prüft, wie der Wein an der Glasinnenseite zurückläuft. Jüngere Weine laufen dünn wie Wasser, ältere eher «ölig» zurück. Der Geruch – die so genannte «Blume» – entfaltet sich beim Schwenken des Glases. Schlechter Wein ist am Geruch und im Geschmack feststellbar. In einem solchen Fall gibt es nur eines: sofort eine neue Flasche öffnen.

Grössere Gläser werden maximal bis zur Hälfte, Weinpokale bis zur breitesten Stelle gefüllt. Wenn ein Gast keinen Alkohol trinkt, darf er selbstverständlich auch mit dem Wasserglas anstossen.

Jeder und jede hat panische Angst davor: dem Malheur bei Tisch. Ein Fleischstück rutscht vom Teller, die Sauce spritzt auf die teure Tischdecke, ein wertvolles Glas geht zu Bruch. Was tun? Heben Sie das Fleisch auf und legen Sie es auf einen separaten Teller. Tupfen Sie die Flüssigkeit auf und decken Sie den Flecken mit einer Serviette zu. Lassen Sie auch Glasscherben rasch und diskret verschwinden, am besten mit einem Schuss Humor.

Unsicherheiten ortet Peter Isler von der Schule für Stil und moderne Umgangsformen immer wieder bei der Bestecksprache. Wann wird welche Gabel, welches Messer und welcher Löffel benutzt? «Von aussen nach innen», so lautet die Faustregel. Und welches Brötchen ist meines? Das links oder das rechts vom eigenen Teller? Wer sich rechts bedient, greift daneben.

Hände weg vom Fotoalbum!
Zu Beginn einer Party, eine Stunde nach dem Essen und um halb drei Uhr morgens drohen meist tote Punkte in der Konversation, lehrt die Persönlichkeits- und Gesellschaftsschule Adunka in Zürich. Beleben Sie die Diskussion nicht mit dem Familienalbum, sondern lieber mit einem originellen Cocktail oder einem Standortwechsel in der Wohnung.

Irgendwann muss Schluss sein. Bevor die Gäste auf den Tischen tanzen oder gähnend im Stuhl hängen, sollten Sie die Party beenden. Subtile Bemerkungen machen sich dabei besser, als wenn Sie die Stühle auf den Tisch stellen und die Fenster aufreissen. Die besten Gäste gehen ohnehin unaufgefordert – nämlich dann, wenn es am schönsten ist.