«Jeder findet eine Arbeit, wenn er zwei gesunde Hände hat und sich nicht zu schade zum Arbeiten ist», beruhigte sich der kaufmännische Angestellte Manuel Schmid*, als er wegen Konkurs seines Arbeitgebers im Sommer vor drei Jahren die Kündigung erhielt. Sein Arbeitswille nützte ihm in den folgenden Jahren allerdings nichts: «Statt einer Stelle bekam ich nur Absagen.» Als er keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosentaggeld hatte, beantragte er Sozialhilfe. Denn jedermann hat gemäss Bundesverfassung Recht auf Hilfe, Betreuung und die notwendigen Mittel, die ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen.

Als sein Erspartes aufgebraucht war, erfuhr Manuel Schmid auf dem Sozialamt, was «die notwendigen Mittel» bedeuten: 950 Franken für seine Miete, 80 Franken für die Krankenkasse und 1010 Franken für Nahrungsmittel, Bekleidung, Telefon- und Postgebühren, Verkehrskosten und Auslagen für persönliche Bedürfnisse. Weitere 100 Franken sollen ihm ermöglichen, am sozialen Leben teilzuhaben.

Um klare und einheitliche Verhältnisse zu schaffen, hat die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) Richtlinien ausgearbeitet: Was Manuel Schmid erhält, ist exakt das empfohlene soziale Existenzminimum. Kein Kanton zahlt mehr als das, was die SKOS empfiehlt.

Auch die allein erziehende Teilzeitangestellte Romina Vischer* ist auf finanzielle Hilfe angewiesen. Neben dem nach Haushaltgrösse abgestuften Betrag für die täglichen Bedürfnisse, neben Miete und Krankenkasse werden ihr auch folgende Auslagen bezahlt: Kinderkrippe, Arbeitsunkosten und auswärts eingenommene Mahlzeiten. Mit einem Gesamtbetrag von rund 3600 Franken muss sie sich und ihre drei kleinen Kinder durchbringen. Was sie selber verdient, wird von dieser Summe wieder abgezogen: Das Sozialamt bezahlt nur die Differenz zwischen eigenem Einkommen und Existenzminimum.

Information ist ungenügend

Viele Menschen erleben den Bezug von Sozialhilfegeldern als persönliche Schmach. Manuel Schmid hatte lange gezögert, bevor er Sozialhilfe beantragte. Er sagt: «Heute schäme ich mich nicht mehr, denn das Sozialamt ist kein Selbstbedienungsladen – und es ist meine Absicht, auch finanziell möglichst bald wieder unabhängig zu sein.» Um Sozialhilfe zu bekommen, muss man alles tun, um die Notlage zu lindern.

Michelle Bühlmann vom Zürcher Sozialdepartement: «Sozialhilfe soll auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhen: Für Leistungen soll eine Gegenleistung erfolgen.» Beispielsweise in der Mitarbeit bei einem Arbeitsintegrationsprojekt.

Sobald Romina Vischers Kinder alt genug sind, wird sie ihr Arbeitspensum erhöhen, um wieder unabhängig zu sein. Muss sie dann die bezogene Unterstützung zurückbezahlen? Die SKOS empfiehlt grundsätzlich keine Rückerstattung aus späterem Erwerbseinkommen. Sobald sich Romina Vischer wieder selbst durchbringen kann, soll sie sich über den höheren Lebensstandard freuen können, ohne demotiviert zu werden. Anders, wenn sie einmal zu einer grösseren Geldsumme kommen sollte: Fast alle Sozialhilfegesetze der Kantone verlangen eine Rückerstattung, wenn jemand ohne eigene Arbeitsleistung in «wirtschaftlich günstige Verhältnisse» gelangt – also wenn jemand zu einer Erbschaft oder einem Lottogewinn kommt.

Betroffene werden vom Sozialamt oft ungenügend oder gar nicht informiert; viele wissen nicht einmal, wie sich ihr Budget zusammensetzt. Sozialhilfe sollte aber immer aufgrund einer behördlichen Verfügung gewährt werden. Die Rechte und Pflichten müssen dabei auf einem Merkblatt festgehalten sein – auch das eine Empfehlung der SKOS. Dies wird jedoch bei weitem nicht überall so gehandhabt.

*Name geändert